Interview mit Batista, einem Rapper aus Bochum „Ich mache reflektierten Strassenrap“

Kultur

23. September 2015

Batista ist ein Rapper aus Bochum, der sich in seinem Heimatstadtteil Querenburg schon lange sozial und gegen Rassismus engagiert. Sein Album „Tief im Westen“ soll im Herbst released werden, deswegen trafen wir ihn um mit ihm über seine Musik, aktuelle Entwicklungen im deutschen Rap und Rassismus in der Gesellschaft zu reden.

«Wenn du Leute kennst, die von heute auf morgen einfach weg waren, weil sie gestorben sind oder Leute zu denen du früher mal aufgeschaut hast heute Junkies sind oder nicht mehr richtig ticken, dann hast du ein komplett anderes Bild von der Welt als jemand, dessen Jugendfreunde jetzt gerade alle heiraten und ein Haus bauen.»
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«Wenn du Leute kennst, die von heute auf morgen einfach weg waren, weil sie gestorben sind oder Leute zu denen du früher mal aufgeschaut hast heute Junkies sind oder nicht mehr richtig ticken, dann hast du ein komplett anderes Bild von der Welt als jemand, dessen Jugendfreunde jetzt gerade alle heiraten und ein Haus bauen.»

23. September 2015
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Hallo Batista. Schön dass du Zeit für ein Treffen gefunden hast. Seit wann machst du Musik, warst du vorher schon in anderen Konstellationen oder Musikprojekten unterwegs?

Ich denke mal ich habe so mit 14 oder 15 angefangen meine ersten Texte zu schreiben und habe dann so Ende der 90er, Anfang 2000 auch angefangen zu produzieren, einfach weil es sonst niemanden gab, der das für mich hätte machen können. Das Viertel in dem ich aufgewachsen bin war schon immer sozial sehr durchmischt mit einem hohen Ausländeranteil. Hip-Hop war dabei von Anfang an ein Teil unserer Sozialisation und etwas das uns alle verbunden hat. Egal wo wir her kamen oder wer unsere Eltern waren, wir haben alle Doggystyle und Tupac gehört. Für mich kam dann noch dazu, dass mein Vater aus Afrika kommt und es damals in Deutschland einfach keine schwarzen Vorbilder gab. Also habe ich mich mit Rappern aus den USA identifiziert.

2002 hat sich dann das Gegenstrom Projekt gegründet, mit dem ich lange Musik gemacht habe. Das war eine Reaktion auf den 11. September und dann die Kriege im Irak und Afghanistan, die uns motiviert haben, explizit Musik gegen Krieg zu machen. Auf der einen Seite hat der 11. September merklich zu einer Polarisierung in der deutschen Gesellschaft geführt, was wir auch direkt bei uns im Viertel gespürt haben. Muslime wurden auf einmal sehr offen über ihre Religion diskriminiert und dadurch haben muslimische Jugendliche auch viel stärker angefangen, die Religion als Teil ihrer Identität zu sehen, was vorher bei uns kaum der Fall war. Auf der anderen Seite waren viele von uns auch einfach sehr direkt von diesen Kriegen betroffen, weil sie in der Heimat ihrer Eltern stattfanden. Das was wir gemacht haben war aber auch eine Mischung aus Sozialarbeit und politischer Bildung.

Wir haben Strukturen geschaffen, über die die Jungs aus unserem Viertel sich ausdrücken konnten. Unterschiedliche Ansichten waren dabei Teil des Konzepts. Es war eine Begegnungsstelle, ein Austausch zwischen jungen Leuten, mit der wir auch dieser Polarisierung der Gesellschaft entgegen wirken wollten, die ja heutzutage sehr deutlich sichtbar geworden ist. Man hört und liest ja immer wieder solche Aussagen wie „Multikulti ist gescheitert“ und es wird die Bedrohung durch Parallelgesellschaften an die Wand gemalt. Aber diese Leute wissen nicht wovon sie reden. Ein Stadtteil wie Bochum Querenburg ist der Beweis, dass Multikultur funktionieren kann. Bevor das von aussen bei uns reingetragen wurde, hat es nie eine Rolle gespielt, welche Nationalität man hat oder woran man glaubt. Unser Identifikationspunkt war unser Viertel. Das Gegenstrom Projekt war deshalb ein Gegenansatz zu dieser leidigen Debatte, mit der wir zeigen wollten, dass Austausch und Begegnung bereichern und funktionieren.

Um 2008 rum ist das Ganze dann auseinander gegangen. Mehrere von uns haben in unterschiedlichen Städten studiert, ich bin in der Zeit ins Ausland gegangen, so dass es einfach irgendwann nicht mehr funktioniert hat das alles zu organisieren. Ich habe aber nie aufgehört Musik zu machen, sondern dann wieder angefangen an meinen eigenen Sachen zu arbeiten. Einige der Songs auf meinem Album sind bereits damals entstanden, die habe ich auch bewusst mit drauf genommen, obwohl sie relativ alt sind. Das Album soll einen Bogen schlagen. Ich erzähle ja von meinem Viertel und meinem Umfeld und wie wir aufgewachsen sind. Die erste Hälfte des Albums ist dabei aus einer Perspektive geschrieben, in der ich noch mitten drin war, während die zweite Hälfte eine Art Rückschau und Reflektion darstellt.

Tief im Westen ist ja ein sehr sozialkritisches Album geworden. Im Song „Graues Deutschland“ kritisierst du den deutschen Staat teils sehr drastisch und machst auf Fehlentwicklungen in der Deutschen Gesellschaft aufmerksam. Auch im Song „Tief im Westen“ benennst du Rassismus bei der Polizei und stellst dem ein Gegenkonzept von Zusammenhalt und Multikultur entgegen. Würdest du sagen es ist ein linkes Album?

Also ich kritisiere nicht pauschal den Staat. Ich habe auf dem Album noch eine Line drauf, wo ich vom Staat spreche, die in die Richtung geht, dass die Perspektivlosigkeit bei uns dem Staat egal ist. Das würde ich heute so nicht mehr schreiben, weil ich ein komplexeres Bild von politischen Entscheidungsprozessen und Zusammenhängen habe. Ich habe es aber drauf gelassen, weil es die Perspektive von vielen Leuten die sich von der Gesellschaft alleingelassen fühlen widerspiegelt. Ich versuche ja nicht nur für mich zu sprechen, sondern für mein Umfeld. Und egal ob jetzt in der Schule, durch die Polizei oder im Kontakt mit Behörden, viele Jugendliche bei uns erfahren den Staat als etwas, dass sie entweder diskriminiert oder sich nicht für sie interessiert. Aber im Endeffekt ist es ja zu einfach, nur zu sagen, der Staat ist schuld.

Da ist man dann ganz schnell bei Verschwörungstheorien und irgendwelchen Illuminaten, die in verrauchten Hinterzimmern Intrigen schmieden. Der Staat ist ja nur die institutionalisierte Form unserer Gesellschaft. Wir alle machen diese Gesellschaft und damit auch den Staat aus. Wofür staatliche Institutionen sich interessieren, für wen sie wieviel Förderung aufbringen und wen sie wie behandeln ist das Resultat von Machtverhältnissen und gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen. Und wenn wir etwas verändern wollen, geht das nur, wenn wir uns klar machen, dass wir Teil des Ganzen sind.

Ich denke, es ist extrem wichtig, Probleme in der Gesellschaft einordnen zu können. Strassenrap hat ja durchaus eine Berechtigung, einfach weil er die Gesellschaft mit der Realität von Leuten konfrontiert, die marginalisiert sind. Leider fehlt mir da aber oft die Analyse. Man stützt sich lieber auf Verschwörungstheorien. Sozialkritische Musik muss sich aber von solchem Internetverschwörungszeug deutlich distanzieren. Junge Leute haben es ja sowieso schon schwer genug heutzutage, Informationen vernünftig einzuordnen, weil durch das Internet sämtliche Filter weggefallen sind. Wenn deine Freunde bei Facebook ständig irgendwelche Beiträge über Bilderberger verlinken oder Propagandavideos aus Kriegsgebieten und Artikel in denen steht, dass die EU die Todesstrafe wieder einführen will und Umerziehungslager plant, dann fällt es dir schwer das einzuordnen, wenn du den kritischen Umgang mit Medien noch nicht gelernt hast. Und wenn Rapper dann die Zustände in denen sie aufgewachsen sind auf die Illuminaten zurückführen, wird es eben schwierig. Von daher würde ich sagen, ich mache reflektierten Strassenrap.

Im Deutschrap hat es in den letzten Jahren ja viel an politischer Musik gegeben, ob nun explizit gewollt oder nicht. Auf der einen Seite Gruppen wie K.I.Z., die gerade ein durchaus radikales Album released haben und Marteria, auf der anderen Seite wie du es nennst „reflektierten Strassenrap“ wie Nate57 oder mit gewissen Abstrichen Cello und Abdi. Was hältst du von diesen Künstlern?

K.I.Z. habe ich nie gehört, da das vom Sound her nicht mein Ding sind. Mir hat der Song „Boom Boom Boom“ aber extrem gut gefallen. Dass Partypatrioten nur weniger Konsequent sind als Nazis ist eine krasse Aussage, ist halt aber auch was dran. Marteria finde ich gut, obwohl er von den Beats her auch nicht immer meinen Geschmack trifft. Der ist aber ein sehr guter Rapper mit guten Texten und einer guten Stimme. Celo und Abdi habe ich hingegen richtig gefeiert! „Mietwagentape“ war eine runde Platte. Klar sind die jetzt nicht total reflektiert, aber das ist bei denen auch nicht notwendig, die sind authentisch. Die haben letztens in nem Interview gesagt, dass sie wieder in nem Callcenter arbeiten müssen oder Hartz IV kriegen wenn ihre Platte floppt.

Welcher Rapper gibt sowas denn normalerweise zu? Die konfrontieren die Gesellschaft auf einem musikalisch hohen Level mit ihrer Realität. Es gibt natürlich immer Leute, die das aus einer privilegierten Position mit einem ironischen Blick betrachten, aber das ist unwichtig. Durch Strassenrap erkämpfen sich Migranten Teilhabe an der Gesellschaft. Bushido – egal was man jetzt von ihm hält – war eine krasse Identifikationsfigur für junge Leute. Haftis Album wurde im Feuilletonteil wichtiger deutscher Zeitschriften für seinen künstlerischen Anspruch gelobt, gerade was seinen Umgang mit Sprache angeht. Dass heisst, während auf der einen Seite gefordert wird, dass Migranten sich der deutschen Leitkultur anpassen und Unterordnen sollen, wurde da auf einmal wahrgenommen, dass jemand der kurdische Wurzeln hat und in einem Problemviertel aufgewachsen ist, einen Beitrag dazu leistet, diese Kultur weiterzuentwickeln. Und zwar nicht in dem er sich anpasst, sondern in dem er Sprachen mischt und seine Realität kunstvoll in Worte verpackt. Haftbefehl ist also tatsächlich ein „Kulturbereicherer“ um diesen Pegida Begriff mal umzudrehen.

Was Nate57 so macht habe ich nie wirklich verfolgt, mir was das oftmals zu platt. Wenn man den Anspruch hat politische Texte zu schreiben, muss das meiner Meinung nach differenzierter passieren. Aber er war ja damals auch noch sehr jung, vielleicht ist er da mittlerweile weiter. Ich muss allerdings auch zugeben, dass ich echt pingelig bin wenn es um Musik geht, ich will ihm nicht das Recht absprechen, seine Sache so zu machen wie er das für richtig hält.

Hip-Hop ist in den USA als Ausdrucksform der Unterschicht entstanden, vornehmlich von Schwarzen. In Deutschland hatte Deutsch-Rap eine ganz andere Entstehungsgeschichte: Die ersten erfolgreichen Rapper waren weisse Studenten wie Fanta Vier oder Fettes Brot. Erst Mitte der 2000er kamen Aggro Berlin und Azad und hatten mit harten Texten Erfolg. Siehst du das als Widerspruch oder als Ergänzung?

Ich muss da an ein Bushido Interview denken, in dem er sagt „Wir sind auf eure Party gekommen, obwohl wir nicht eingeladen waren.“

Die Diskussion was richtiger Hip-Hop ist und was nicht, ist ja genauso alt wie die Musikform selbst. Von Seiten der „Mittelschichtsrapper“ gab es grosse Vorurteile gegenüber Strassenrap und ich denke, da hat auch einfach ein gewisser Standesdünkel eine Rolle gespielt. Das merkt man ja auch an diesen Parodien, wo oft so getan wird, als seien diese Rapper minderbemittelte Vollidioten, die sich nicht artikulieren können. Am Ende haben sich aber die Jungs mit dem grösseren Biss durchgesetzt.

Für die Aggro Leute war Rap alles was sie hatten, die wollten auch einfach Erfolg haben mit ihrer Musik, weil sie sonst in ihre Einzimmerwohnung zurückgemusst hätten, in der sie den Strom nicht zahlen konnten. Und das hat dann einfach auch dafür gesorgt, dass im deutschen Rap professionelle Strukturen entstanden sind, die die Vorgängergeneration mit ihrer Realnessattitüde nicht aufgebaut hat. In Frankreich, wo Rap von Anfang an von der Strasse kam und die Künstler mit einem ganz anderen Hunger an die Sache herangegangen sind ist das ja alles schon viel früher passiert. Hier hat es dagegen erstmal diesen krassen Einbruch gegeben, als die Industrie keinen Bock mehr auf Hip-Hop hatte, weil die Szene keine eigenen, funktionierenden Strukturen hatte.

Während es einen kleinbürgerlichen Rassismus schon immer in der deutschen Raplandschaft gab, hat sich in den letzten Jahren eine Tendenz dazu gezeigt, dass migrantische RapperInnen selbst islamophobe oder rassistische Stereotype bedienen oder sich zumindest positiv auf Deutschland und seine Gesetze beziehen. Ein Beispiel dafür ist Harris, der in seinem Track „Nur ein Augenblick“ Ausländern, die kein Deutsch lernen, anbietet sie zurück in ihre Heimat zu bringen, was ein bekannter NPD-Slogan ist. Im Grunde ist das ja das Gegenteil von dem, was sich Rap immer zur Aufgabe gemacht hatte: Probleme zu benennen und gesellschaftliche Missstände aufzuzeigen. Wie stehst du zu dieser Tendenz?

Ich weiss nicht, ob es eine Tendenz ist. Ich erinner' mich dunkel an diesen Harris Song, ich weiss noch, dass ich mich damals sehr darüber aufgeregt habe. Er übernimmt in dem Lied diesen kleinbürgerlichen Diskurs, wenn es einem hier nicht gefalle, könne man ja woanders hin. Das nimmt in letzter Konsequenz doch Leuten das Recht sich gegen Diskriminierung zu wehren. Warum müssen Menschen, die hier geboren sind oder mit ihren Eltern hierhin gekommen sind, gehen, wenn sie nicht diskriminiert werden wollen? Und wieso sollte man sich darüber nicht beschweren dürfen? Vielleicht ist Harris mittlerweile einfach in einer gesellschaftlichen Position angekommen, in der er nicht mehr versteht, worüber sich diese Leute beschweren. Auf der anderen Seite steckt da aber auch hinter, dass Leute die sich angepasst haben und denen der soziale Aufstieg gelungen ist sich von ihrem alten Umgeld abgrenzen wollen um von der Mehrheitsgesellschaft akzeptiert zu werden.

Sido hat auf seinem neuen Album auch einen Song gemacht, auf dem so etwas passiert. Er tut auf „Ackan“ so, als müsste man nur genug arbeiten und dann könnte man es zu allem bringen. Die Leute sollten weniger jammern und dann könnten sie alles schaffen. Damit stigmatisiert er Menschen die sozial benachteiligt werden als Faulpelze, die lieber jammern als sich anzustrengen. Das stimmt so ja nicht. Je nachdem wo du herkommst, ist Ackern nicht genug. Da gehört auch Glück zu. Sido hat eine Chance bekommen und sie dann genutzt in dem er hart gearbeitet hat. Aber nicht jeder kriegt diese Chance. Es gibt da diesen Spruch „Vielleicht kann es jeder schaffen, aber nicht alle“ und ich glaube dass ist etwas, was viele Menschen vergessen, wenn sie Erfolg haben.

Die Presse hat ja gerade diesen Harris Song damals sehr positiv aufgenommen.

Ja, klar! Und genau deshalb sollte man solche Songs als angehöriger einer Minderheit ja auch nicht schreiben. Den Inhalt des Tracks finde ich insgesamt indiskutabel, aber ich habe auch die generelle Ansicht, dass wenn man Kritik an den eigenen Leuten übt, das doch bitte intern tun sollte. Wenn man nämlich seine Kritik in dieser Weise nach aussen kommuniziert, wird man ganz schnell von den falschen Leuten instrumentalisiert. Die sagen dann: „Guckt, der sagt das auch. Der sieht genauso aus wie ihr. Also ist das kein Rassismus.

Den grösseren Teil stellen natürlich immer noch weisse Rapper, die versuchen sich eine neue, deutsche Identität zu schaffen. Auf der einen Seite die Rapper, die sagen, sie wollen nicht mehr als „Kartoffel“ beleidigt werden und auch mal Nationalstolz zeigen möchten, auf der anderen Seite gab es natürlich schon immer Fler, der mit seinem „Neue Deutsche Welle“ Tape das schon seit Jahren bedient. Wie siehst du diesen Versuch, Patriotismus im Deutsch-Rap salonfähig zu machen und das Problem der „Deutschenfeindlichkeit“ anzusprechen?

Dieser Begriff hat mich auch schon bei Kristina Schröder gestört. Es ist einfach ein Unterschied, ob man von einer Minderheit diskriminiert wird oder von einer Mehrheit. Wenn du jetzt in der Situation bist in der Schule oder auf einer Hip Hop Jam, auf der mehr MigrantInnen als Deutsche sind, und du wirst nicht gemocht, weil du deutsch bist, dann ist das für dich individuell in diesem Moment unschön. Das hat aber ja auf dein weiteres Leben keine Auswirkung. Wohingegen eine Diskriminierung von der Mehrheitsgesellschaft eine grosse Rolle für dein gesamtes Leben spielt: Das hat Auswirkungen auf deine Bildungschancen, auf deine beruflichen Perspektiven, dann wirst du öfter von der Polizei kontrolliert, wenn du über die Strasse gehst und nichts gemacht hast. Das hat ja eine ganz andere Dimension.

Ich weiss aber auch da nicht, ob das wirklich ein Trend ist. Es gab halt Fler, der versucht hat sich über sein Deutsch sein zu vermarkten und dann gibt es da noch diesen anderen Typen, der sich als Verteidiger des christlichen Abendlandes darstellt, aber stammt aus Polen. Was es gibt, ist insgesamt so ein komischer Trend zum Patriotismus, wo auf einmal super wichtig ist, wo ein Rapper herstammt. Und dann streiten sich die Fans von Rapper A aus Land B mit den Fans von Rapper C aus Land D darüber, welches Land das krassere ist. Aber ich glaube auch da spiegelt sich wieder diese Polarisierung von der ich vorhin gesprochen habe.

Kommen wir zu deinem neuen Album. Wohin geht die Reise musikalisch, was erwartet uns inhaltlich? Wo wird man das Album bestellen können?

Über meine Facebook Seite kann man mit mir in Kontakt treten und erfährt alle neuesten Infos über das Album. Dort werde ich auch den genauen Release Zeitpunkt rausgeben. Da wir eine limitierte Special Edition herausgeben werden, die wir mit viel Liebe selbst gestalten, kann es noch etwas dauern.

Ich habe bis auf einen Song alles selber produziert. Der Sound bewegt sich irgendwo zwischen Boom Bap und Glockenbeats. Insgesamt ist das Album sehr lokal bezogen, hat viele Ruhrpott-Anspielungen, es geht um Bochum-Querenburg, die Besonderheit dieses Viertels, das gleichzeitig sozialer Brennpunkt und Universitätsstadtteil ist, was Menschen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen miteinander in Kontakt bringt. Ich versuche zu beschreiben wie wir dort aufgewachsen und sozialisiert worden sind. Inhaltlich schlage ich einen Bogen, der sich auch musikalisch widerspiegelt.

Anfangs rappe ich auf aggressiven Beats mit viel Wut im Bauch und aus der Perspektive von jemandem, der Mitten drin steckt in dem was er beschreibt. Nach hinten raus wird es reflektierter, ich Blicke zurück und die Beats werden melodischer. Textlich ist mein Lieblingssong „Melodie“, ich spreche über die Schicksale von Leuten mit denen ich aufgewachsen bin. Gerade im zweiten Part habe ich eigentlich für jede Zeile konkrete Personen im Kopf. Einige sind gestorben, andere wurden abgeschoben, manche haben sich radikalisiert, ein paar sind verrückt geworden und wieder andere haben es geschafft etwas aus sich zu machen. Erst nachdem ich den Song geschrieben hatte ist mir aufgefallen, wie viel da eigentlich passiert ist und vor allem, dass das alles Narben hinterlässt.

Wenn du Leute kennst, die von heute auf morgen einfach weg waren, weil sie gestorben sind oder abgeschoben wurden oder Leute zu denen du früher mal aufgeschaut hast heute Junkies sind oder nicht mehr richtig ticken, dann hast du ein komplett anderes Bild von der Welt als jemand, dessen Jugendfreunde jetzt gerade alle heiraten und ein Haus bauen. Ansonsten habe ich auf die Platte einen klassischen Battle-Song mit drauf genommen um zu zeigen, dass ich das auch kann, aber der Rest ist schon sehr stark inhaltlich ausgerichtet.

Es geht um mich, um mein Umfeld und die Art, wie wir leben.

Das Interview führte Lotta Schubert / lcm