Ein Leben wie in einem Thriller Wenn Gott schläft

Kultur

20. November 2018

Ein Musiker kämpft gegen die Unterdrückung in seinem Land und wird dafür zu Tode verurteilt – das ist mal ein etwas anderes Thema für eine Dokumentation. Die eigentliche Kunst kommt dabei insgesamt etwas kurz, „Wenn Gott schläft“ stellt aber interessante wie schwierige Fragen zum Wert eines solches Kampfes.

Der iranische Musiker Shahin Najafi mit der Rap-Combo Tapesh 2012.
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Der iranische Musiker Shahin Najafi mit der Rap-Combo Tapesh 2012. Foto: Behnaz Dashtkyan (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

20. November 2018
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Als der indisch-britische Schriftsteller Salmon Rushdie 1989 vom iranischen Staatschef zum Tode verurteilt wurde, weil der sich in „Die satanischen Verse“ blasphemisch geäussert haben solle, war weltweit die Aufregung gross. Shahin Najafi kann davon ein Lied singen. Er hat es wohl auch, denn in seiner Musik wendet sich der Iraner ständig gegen die Unterdrückung seines Landes. Dass auch auf ihm ein Kopfgeld liegt, viele Jahre schon, das hat die Weltöffentlichkeit jedoch weniger interessiert. Mag sein, dass bald 30 Jahre nach dem Autor der Wahnsinn schon viel zu sehr Alltag ist, als dass man ihn noch wahrnehmen würde. Es liegt aber sicher auch daran, dass hier eben kein weltberühmter Literat in die Schussbahn geraten ist, sondern ein Sänger, den ausserhalb seines Landes kaum einer kennen wird.

Das ist daheim anders. Dort hat er viele Feinde, die sich mit nicht weniger als seinem Tod zufriedengeben. An einer Stelle in Wenn Gott schläft dürfen wir erfahren, wie eine Internetseite Tipps zum Herstellen einer Bombe gibt. Das Ziel: Shahin. Aber er hat eben auch Anhänger, viele sogar. Für sie ist er einer der wichtigsten Helden im Kampf gegen Ungleichheit, Unterdrückung und Bigotterie.

Sie feiern ihn für seinen Mut, dafür, dass er den vielen Sprachlosen eine Stimme gibt. Aber auch das ist nicht ganz ungefährlich. Als sich bei einem Konzert eine Menschenmenge bildet, wird gleichzeitig auch die Nervosität hoch. Schliesslich kann niemand sagen, ob sich unter den vermeintlichen Anhängern nicht doch ein Attentäter versteckt hat.

Ein Leben wie in einem Thriller

Szenen wir diese hat Regisseur Till Schauder (Der Iran Job) einige auf Lager. Mal steigen Shahin und ein Mitstreiter panisch aus dem Auto, weil sie ein verdächtiges Geräusch gehört zu haben glauben. An einer anderen Stelle erzählt er, dass er nachts immer nur leicht schläft und zu seiner Sicherheit ein Messer griffbereit hat. Denn man weiss nie, wann und wo seine Feinde zuschlagen werden. Manchmal wirkt die Dokumentation da sogar fast schon wie ein Thriller: Ein ständiges Gefühl der Bedrohung schwingt mit, wenn die Truppe unterwegs ist. Jeder Schritt hier, so meint man zumindest, könnte der letzte sein.

Und doch ist Wenn Gott schläft nicht einfach dazu da, dem Publikum einen Schauer über den Rücken laufen zu lassen. Genauso wenig geht es hier darum, einfach nur die Absurdität der religiösen Ereiferer aufzuzeigen. Stattdessen nutzt Schauder die Gelegenheit, um einige wichtige Fragen in den Raum zu werfen. Wann ist der Kampf gegen eine gewaltbereite Diktatur noch mutig? Wann ist sie fahrlässig? Das zeigt sich besonders bei seinen Begleitmusikern, zunehmend deutscher Herkunft, die zuvor unterschätzt haben, was das bedeutet – ein Leben zwischen Bühne und Friedhof. Ist es das wert? Einige werden dies mit der Zeit in Frage stellen, den unbedingten Widerstand von Shahin nicht länger teilen wollen. Gerade die Querverbindungen zu Charlie Hebdo zeigen: Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Ebenso wenig, ob Meinungsfreiheit nicht doch auch Grenzen hat.

Bittere Ironie

Dass die Dokumentation den Sänger über Jahre hinweg begleitet, gibt zudem die Möglichkeit, auch die aktuelle Flüchtlingsdebatte miteinzubeziehen. Shahin, der schon seit Jahren in Deutschland lebt, wird nun angefeindet. Ausgerechnet er, der sich immer für westliche Werte eingesetzt hat. Rassismus aus dem Westen, Todesdrohungen aus dem Osten – die Kombination ist so absurd, dass man lachen möchte. Und es doch nicht kann.

Schade an «Wenn Gott schläft», das nach mehreren Festivalauftritten unter anderem beim Film Festival Cologne auch in die deutschen Kinos kommt: Die Musik kommt irgendwie ziemlich kurz. Wir bekommen zwar diverse Auftritte zu sehen, hören auch seine Lieder. Aber auch die stehen immer im Kontext des Widerstandes, sind Ausdruck seines starken Willens. Um eine herkömmliche Musikdoku handelt es sich hier also nicht. Der Film ist auch nicht so ehrerbietend, wie wir es hier meist gewohnt sind, der Rebell macht nicht immer die beste Figur. Aber auch das macht das hier spannend, selbst als Nicht-Fan gibt es eine Menge, das einen bis weit nach den Credits begleiten wird.

Oliver Armknecht
film-rezensionen.de

Wenn Gott schläft

Deutschland

2017

-

88 min.

Regie: Till Schauder

Drehbuch: Till Schauder

Darsteller: Shahin Najafi, Gunter Wallraff

Produktion: Till Schauder

Musik: Camilo Froideval

Kamera: Gerardo Milsztein

Schnitt: Tina Grapenthin

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-ND 3.0) Lizenz.