Die Blechtrommel Das Groteske und das Körperliche

Kultur

22. Februar 2020

„Die Blechtrommel“ ist ein faszinierender Film über Indoktrinierung und wie eine Ideologie unsere menschlichen Beziehungen aushöhlt. Darüber hinaus befasst sich der Film mit menschlicher Doppelmoral und der gefährlichen Tendenz vieler Menschen dem vermeintlich Stärkeren blind zu folgen.

Der deutsche Filmregisseur Volker Schlöndorff bei einem Vortrag auf der See-Conference 2015 im Schlachthof Wiesbaden.
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Der deutsche Filmregisseur Volker Schlöndorff bei einem Vortrag auf der See-Conference 2015 im Schlachthof Wiesbaden. Foto: Martin Kraft (photo.martinkraft.com)Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

22. Februar 2020
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In Danzig im Jahre 1924 erblickt Oskar Matzerath (David Bennent) das Licht der Welt. Alls Kind von Alfred und Agnes Matzerath (Mario Adorf und Angela Winkler), Inhaber eines Kolonialwarenladens, fehlt es dem kleinen Jungen an nichts, doch wirklich glücklich ist Oskar nicht in der Welt, in der er aufwächst. Nicht nur die moralischen Entgleisungen seiner Eltern, auch das Erstarken nationaler Bewegungen beobachtet der Junge, der im Alter von drei Jahren beschlossen hatte, aus Protest nicht mehr zu wachsen. Seinen Unmut tut er kund durch das Schlagen auf seine geliebte Blechtrommel und den Einsatz seiner hohen Stimme, mit der er Glas zum Zerspringen bringen kann. Als es dann zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Danzig kommt, bemerkt Oskar die Veränderung in seiner Umgebung, in welcher sein Vater dieses Ereignis geradezu umarmt, während andere, wie der jüdische Spielzeughändler oder der polnische Freund der Familie, Jan Bronski (Daniel Olbrychski), das Schlimmste befürchten. Wahrlich, für Oskar gibt es sehr viel zu trommeln in dieser Zeit, doch gerade dann ergibt sich für ihn ein seltener Augenblick des Glücks.

Ein fleissiger Trommler

Wenige Romane haben einen vergleichbaren Platz in der deutschen Literatur wie Günther Grass' 1959 erschienener Roman Die Blechtrommel. Nicht zuletzt wegen der Verfilmung des Werkes durch Volker Schlöndorff, die ein Jahr nach ihrer Veröffentlichung den Oscar für den Besten fremdsprachigen Film gewann, erfreuen sich Roman wie auch der Film grosser Bekanntheit. Doch diese Auszeichnungen sind nur ein Teil dessen, was die Geschichte um den aufbegehrenden Oskar Matzerath auszeichnet, denn auch in der heutigen Zeit sorgt diese Zeit- und Schelmengeschichte für gute Unterhaltung und zeichnet darüber hinaus ein sehr kontroverses Bild über die sehr deutsche Eigenschaft des Befehlens, des Gehorchens und des Verrats an eigenen Idealen.

Innerhalb des Romans sowie des Films kommt der Erzählung die Figur der Schelms zugute. Oskar, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird, kommentiert und bewertet mit der teils beissenden Ironie eines gesellschaftlichen Aussenseiters, einer Position, die er für sich selbst aus Protest gewählt hat. In der Darstellung David Bennents zeigt sich dieser tief sitzende Trost, gepaart mit einer gehörigen Prise Abscheu, die sich in dem mal drohenden, mal protestierend-lauten Schlagen auf die Blechtrommel entlädt.

Viel lieber hat Oskar die Welt des Zirkus und des Andersartigen. Es ist bezeichnend, dass die einzigen ungezwungenen Unterhaltungen mit solchen Menschen stattfinden, die wie Oskar kleinwüchsig sind und dies keinesfalls, so wie er, als eine Behinderung betrachten. „Unsereins darf nie zum Zuschauer werden“ ist die Devise, die Oskar mit auf den Weg bekommt und die seinem Protest eine andere Dimension geben. Das Trommeln wird zur eine Karikatur der brav Marschierenden, der Mitläufer und der ewigen Jasager, die begeistert die Hand zum Hitlergruss strecken. Unvergessen bleiben daher Szenen wie diese, in der Oskar durch unentwegten Einsatz seiner Trommel den martialischen Heimatgesang eines Orchesters kurzerhand zu einer Version von „An der schönen Donau“ verändert.

Das Groteske und das Körperliche

Das von Volker Schlöndorff mitgeschriebene Skript entfernt sich an einigen Stellen vom Roman, aber zu keiner Zeit von dieser Atmosphäre des Grotesken. Von der Bildsprache an Werke wie Luchino Viscontis Die Verdammten erinnernd, bedient sich Schlöndorffs Film an vielen Stellen der NS-Symbolik und die Darstellung der NS-Grössen in den Medien wie auch den Medien. Gerade in Szenen wie der bereits erwähnten Kundgebung einer Nazi-Grösse in Danzig oder der Ankunft des Führers in der Stadt betont die Bildsprache Igor Luthers jene bis ins Groteske überzeichnete Begeisterung für das Völkische, eine Tendenz von der sich Oskar teils mitreissen lässt, teils diese aber aus der Sicht des Schelms mit einem gewissen Sarkasmus betrachtet.

Rouven Linnarz
film-rezensionen.de

Die Blechtrommel

Deutschland

1979

-

156 min.

Regie: Volker Schlöndorff

Drehbuch: Volker Schlöndorff, Jean-Claude Carrière, Franz Seitz junior

Darsteller: Mario Adorf, Angela Winkler, David Bennent

Produktion: Anatole Dauman Franz Seitz junior

Musik: Maurice Jarre

Kamera: Igor Luther

Schnitt: Suzanne Baron

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 3.0) Lizenz.