Der Kaiser und sein Attentäter Macht und Rebellion

Kultur

13. Juli 2020

Ganz anders als Yimou Zhang in „Hero“ erzählt Chen Kaige in «Der Kaiser und sein Attentäter» die Geschichte des Königs von Qin, der als Gründer eines mit dem Schwert vereinten Chinas gilt.

Der chinesische Regisseur Chen Kaige am 26. Tokyo International Film Festival, Oktober 2013.
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Der chinesische Regisseur Chen Kaige am 26. Tokyo International Film Festival, Oktober 2013. Foto: Dick Thomas Johnson (CC BY 2.0 cropped)

13. Juli 2020
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Die Legenden, die sich um dieses Ereignis um die Qin-Dynastie (221-206 v. Chr.) spinnen, lassen jedem Regisseur viel Gestaltungsfreiheit. Eines haben beide Filme jedoch gemeinsam: Sie handeln kritisch von Macht und Korruption, Intrige und Verrat.

Zheng Ying (Li Xuejian), der König von Qin, träumt von einem vereinigten Grossreich. Gab es früher Hunderte von kleinen Reichen, blieben davon im 3 Jahrhundert v. Chr. nur noch sieben. Eine Intrige soll dem Herrscher das erste Reich unterwerfen helfen. Seine Konkubine Zhao (Gong Li) hat die Idee, sich als gebrandmarkter Flüchtling in das Reich Yan zu begeben, um einen Attentäter gegen den König von Qin zu finden. Das Attentat soll Zheng Ying den Vorwand liefern, Yan mit Gewalt einzunehmen und zu unterwerfen.

In Yan trifft Zhao auf den Prinzen Dan (Sun Zhou). Beide wollen den Berufsmörder Ke Jing (Fengyi Zhang) dafür gewinnen, das Attentat auf den König von Qin durchzuführen. Der allerdings hatte sich zuvor von seinem Leben als Auftragsmörder verabschiedet. Nachdem er eine Familie bis auf ein junges Mädchen (Zhou Xun) ermordet hatte, musste er zusehen, wie sich das blinde Mädchen, das nun keinen Sinn mehr in seinem Leben sah, selbst tötete.

Der König von Qin hat inzwischen andere Probleme. Eine Intrige des Fürsten Changxin (Whang Zhiwen) und der Königinmutter (Gu Yongfei) soll Zheng Ying stürzen. Sein Kanzler Buwei Lu (Chen Kaige) ist mit der Politik des Königs nicht einverstanden. Zudem erzählt Buwei Lu dem König Dinge über dessen Herkunft, die Zheng Ying ziemlich zusetzen.

Als Zheng Ying das Königreich Zhao unterwirft und auch nicht davor halt macht, Kinder in Scharen niederzumetzeln, wendet sich seine Konkubine von ihm ab. Sie stammt aus Zhao. Jetzt will sie, dass Ke Jing den König von Qin wirklich ermordet. Und Ke Jing ist noch einmal bereit, zu morden ...

Während in „Hero“ vor allem die Kraft der Bilder und der Emotionen im Vordergrund steht und Yimou Zhang die Geschichte aus drei unterschiedlichen Perspektiven erzählt, legt Chen Kaige vor allem Gewicht auf die drei Hauptfiguren – den König von Qin, Zhao und Ke Jing, den Attentäter – und ihre Entwicklung sowie auf den Diskurs um Macht, Intrige, Verrat, Läuterung und Rebellion. Die gelegentlich geäusserte Kritik an dem Film, Chen Kaige betreibe das Spiel der heutigen chinesischen Machthaber, weil er den als ersten chinesischen Kaiser geltenden Zheng Ying als Helden feiere, kann ich in keiner Weise nachvollziehen. Das Gegenteil ist der Fall.

Zheng Ying wird zu Anfang als Machthaber dargestellt, der „alles unter dem Himmel“ vereinigen will, als Idealist mit Machtanspruch, der seine Träume verfolgt. Das fein gewobene Netz der Machtstrukturen und persönliche Niederlagen – er verliert die Liebe Zhaos und er wird über seine wirkliche Herkunft aufgeklärt – führen ihn konsequent weiter in der Logik der ungebändigten Macht. Er scheut nicht davor zurück, seine Feinde wenn nötig bis auf den letzten Mann zu töten; auch vor der Ermordung von Kindern macht er keinen Halt. Der schon pathologische Machtwille verselbständigt das Ziel eines vereinten Reichs als Ausdruck blinden Vernichtungstriebs. Die Macht führt zur Einsamkeit; am Schluss steht er da als erster Kaiser von China. Seine ehemaligen Verbündeten sind tot oder geflohen. In dieser Charakterisierung Zheng Yings werden Anklänge an moderne Diktatoren des 20. Jahrhunderts mehr als deutlich.

Zhao, die ihn anfänglich in ihrem eigenen Idealismus unterstützt, muss später erkennen, wozu ungebändigte Machtansprüche führen. Sie wendet sich von dem König ab und auch von dem Ziel eines vereinten China. Sie begeht nun einen Verrat (am König), der sich nicht mehr aus einem Machtanspruch speist, sondern aus der Not, aus dem Drang nach Leben und nicht nach Tod und Unterdrückung.

Der Auftragsmörder Ke Jing, den ein blindes junges Mädchen geläutert hat, wendet sich von seinem bisherigen Leben ab. In einer Szene hilft er einem sehr jungen Dieb vor seinen Peinigern, den Bestohlenen, indem er sich selbst erniedrigen lässt. Als man ihn als Attentäter verpflichten will, weigert er sich, wieder in sein altes Leben zurückzukehren. Dann jedoch erkennt er, dass es bei dem Königsmord um anderes geht: um Rebellion gegen einen Machtbesessenen, um die – wenn auch verzweifelte – Gegenwehr gegen die absolute Herrschaft um der Herrschaft willen.

Demgegenüber ist die Palastrevolte der Mutter des Königs und des Fürsten Changxin dem Regelwerk der Macht verhaftet: man will nicht die Macht stürzen, sondern nur ihre Träger austauschen.

Chen Kaige, der durch Filme wie „Lebewohl, meine Konkubine“ (1993) und „Verführerischer Mond“ (1996) nicht gerade Begeisterung bei den chinesischen Machthabern hervorrief, schuf mit „Der Kaiser und sein Attentäter“ ein Meisterwerk, das visuell zwar nicht im gleichen Mass beeindrucken kann wie „Hero“, durch die intensive Darstellung der Entwicklung der Charaktere und die ebenso eindrückliche Auslotung des Themas um Macht, Korruption, Intrige, Rebellion, Verrat und Läuterung jedoch an Spannung und Emotionalität über die ganze Länge des Films überzeugen kann.

Ulrich Behrens

Der Kaiser und sein Attentäter

China

1999

-

163 min.

Regie: Chen Kaige

Drehbuch: Chen Kaige, Wang Peigong

Darsteller: Gong Li, Li Xuejian, Zhang Fengyi

Produktion: Chen Kaige, Satoru Iseki, Shirley Kao

Musik: Zhao Jiping

Kamera: Lawrence Sher

Schnitt: Zhao Xinxia