Das Boot - Director's Cut Unser Boot

Kultur

2. Mai 2021

Wolfgang Petersen erzeugt in seinem Fim „Das Boot“ Helden, die sich im Kampf bewähren und die am Schluss dennoch nur der Tod erwartet.

Deutsches U-Boot (U-966) unter Beschuss, November 1943.
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Deutsches U-Boot (U-966) unter Beschuss, November 1943. Foto: United States Air Force (PD)

2. Mai 2021
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Er unterlässt es, wie in amerikanischen Militärschinken üblich, mit schwammigen Begriffen wie Ehre, Pflicht und Vaterland um sich zu werfen und fokussiert ganz auf die klaustrophobische Umgebung und das Verhalten einzelner Besatzungsmitglieder.

Fast ein Vierteljahrhundert, scheint es, war Wolfgang Petersens „Das Boot“ nach dem Roman Lothar-Günther Buchheim „unser Film“, bevor „Der Untergang“ dieses Prädikat übernehmen sollte – ein Film über das „Dritte Reich“ aus der Enge eines U-Boots, in technischer und dramaturgischer Brillanz gedreht, Petersens Eintrittskarte in Hollywood, ein Film, den man „uns Deutschen“ kaum zugetraut hätte, ein Film, der den Massstäben des Hollywood-Kinos entsprach, ein Film, den selbst der bekannte amerikanische Filmkritiker Roger Ebert als Antikriegsfilm einstufte, dessen grossartige schauspielerische Leistungen allerorts gelobt wurden und so weiter und so fort. Schäme sich der, der auch nur ein Fünkchen Kritik an diesem Meisterwerk äussert?

Der Schluss des Films, der Moment, in dem fast alle Besatzungsmitglieder des U-Boots in La Rochelle bei einem Luftangriff getötet werden, scheint zu der Frage zu zwingen: Wofür sind sie gestorben? Und der Anfang des Films, ein feucht-fröhliches Männerbeisammensein vor dem Auslaufen (Motto: Erst ordentlich einen tanken, dann auslaufen), scheint dieses Wofür sogar durch seinen Anti-Hitler-Touch zu bestätigen, als der Marinesoldat Thomsen (Otto Sander) in volltrunkenem Zustand das Mikrophon ergreift und den versammelten und zumeist torkelnden Kameraden zuruft: „Unser herrlicher, wertgeschätzter abstinenter und unbeweibter Führer, der in glorreicher Karriere vom Malerlehrling zum grössten Schlachtenlenker aller Zeiten ... stimmt's etwa nicht?“ ... „Also, der grosse Flottensachverständige, der unübertroffene Seestratege, dem es gefallen hat, in seinem unermesslichen Ratschluss ... wie geht's 'n weiter?“

Die aussagekräftige Klammer des Films scheint zu funktionieren. Eine Anti-Hitler-Koalition der besonderen Art, sozusagen eine unter Wasser, scheint sich zusammen zu schmieden. Eine Männergemeinschaft scheint entschlossen, ja, aber zu was?

Im Herbst 1941 müssen die Marine-Verantwortlichen zur Kenntnis nehmen, dass Churchill sich durch die deutsche U-Boot-Flotte nicht in die Knie zwingen lässt. Immer jüngere Soldaten werden in die U-Boote abkommandiert. Am Ende des Krieges wird selbst 20jährigen ein Kommando auf U-Booten erteilt. 1945 steht fest: 30.000 der 40.000 Männer in deutschen U-Booten sind bei ihren Einsätzen ums Leben gekommen.

Kapitänleutnant Lehmann-Willenbrock (Jürgen Prochnow) – genannt der Kaleu (Kapitänleutnant) – und seine 50 Marinesoldaten gehen zu Wasser. Sie sollen im Atlantik mit der U-96 nach feindlichen Schiffen fahnden. Mit an Bord sind u.a. der Kriegsberichterstatter Werner (Herbert Grönemeyer), Lehmanns Stellvertreter Fritz Grade (Klaus Wennemann), der am liebsten nach Hause zu seiner schwer kranken Frau möchte, der erste Offizier (Hubert Bengsch), der einzig 150%ige Nazi an Bord und der leicht zynische zweite Offizier (Martin Semmelrogge).

Bei einem Manöver gegen feindliche Schiffe wird die U-96, nachdem sie Torpedos abgeschossen hat, von einem Zerstörer in arge Bedrängnis gebracht. Lehmann lässt das U-Boot immer tiefer tauchen, 150 Meter und mehr; das Boot droht zu zerbersten. Erst nach etlichen Stunden wagt Lehmann es, wieder aufzutauchen – und schiesst auf ein brennendes feindliches Schiff erneut einen Torpedo ab. Erst danach bemerken die Besatzungsmitglieder, dass sich an Bord des beschossenen Schiffs noch Lebende befinden, die allesamt umkommen.

Nach der Rückkehr der U-96 erhält Lehmann den Auftrag, durch die Meerenge von Gibraltar in den italienischen Hafen La Spezia einzulaufen – ein mörderisches Unternehmen. Lehmann will die nur sechs Kilometer breite Meerenge, die von englischen Schiffen natürlich stark kontrolliert wird, bei Nacht anlaufen, dann tauchen, die Motoren abstellen in der Hoffnung, die Strömung treibe die U-96 ins Mittelmeer. Doch das Boot wird von einem feindlichen Flugzeuggeschwader entdeckt, beschossen und sinkt bis auf eine Tiefe von 260 Metern. Wasser dringt durch die platzenden Wände ein. Lehmann allerdings gibt nicht auf. Zum Glück setzt das Schiff vor einem weiteren Absinken auf. Nach den notwendigen Reparaturen und dem Ausschaffen des Wassers sieht Lehmann nur noch eine Chance, das Boot wieder flott zu machen, sprich aufzutauchen ...

Ein typisch deutscher Film? Ja und Nein. Petersen orientierte sich vor allem an der Art und Weise, wie Hollywood solche (Kriegs-)Filme inszeniert. Und vieles an „Das Boot“ erinnert tatsächlich in Machart wie Aussage an bekannte US-Kriegsfilme. Man könnte sogar andererseits sagen, dass „Das Boot“ einige spätere US-Filme geradezu inspiriert hat, etwa „Pearl Harbor“, auch wenn dieser Film auf wesentlich weiter entwickelte technische Möglichkeiten zurückgreifen konnte. Die Frage, die sich mir stellt, ist eher: Wozu dieser Film? Buchheim verarbeitete in seinem Roman eigene Kriegserlebnisse als Kriegsberichter in U-Booten und war mit der filmischen Umsetzung durch Petersen in verschiedenen Punkten nicht einverstanden. Da ich sein Buch nicht kenne, erspare ich mir, auf diese Kritikpunkte hier einzugehen (1).

Was zeigt Petersen? Zunächst einmal und ganz überwiegend zeigt er eine: Männergemeinschaft. Diese Männergemeinschaft, gekennzeichnet durch das, was man gemeinhin als „Kameradschaft“ tituliert, und durch eine klare hierarchische Struktur, präsentiert einen Kapitänleutnant, der durch Jürgen Prochnow als eine Art Vaterfigur, also eine Person, die in jeder Hinsicht durch Verantwortung und Zuneigung für seine Untergebenen gekennzeichnet ist, dargestellt wird. Diese Interpretation des U-Boot-Kommandanten durchzieht den gesamten Film. Und viele, auch ich übrigens beim ersten Sehen des Films vor etlichen Jahren, werden durch die Art und Weise, wie Prochnow diesen Mann spielt, tief beeindruckt gewesen sein.

Inwieweit Prochnow speziell aus diesem Gesichtspunkt heraus für die Rolle ausgewählt wurde, kann ich nicht sagen. Er präsentiert uns diese Rolle jedenfalls durchweg als das, was man gemeinhin „Sympathieträger“ zu nennen pflegt. Mit dieser Darstellung ist die halbe Ernte des Films bereits eingefahren. Damit korrespondiert eine Besatzung, die – bis auf den überzeugten Hitler-Anhänger, den ersten Offizier, dessen ideologischer Fanatismus allerdings zum Schluss des Films hin auch eher bröckelt – „ihrem“ Kaleu treu ergeben ist – wie eine Kinderschar, die auf Papa hört, geeint in ihrer kritischen Distanz zu Marineführung und Hitler.

Neben Kameradschaft und „väterlicher“ Befehls- und Gehorsamsstruktur tritt ein Drittes: Ideologie. Gerade die mehr oder weniger scharfe Distanz der Besatzung und ihres Kommandeurs zum Nationalsozialismus – der erste Offizier ist in dieser Hinsicht „kalt gestellt“, sprich: hat keinen Einfluss auf die Truppe – scheint eine ideologiefreie Atmosphäre an Bord zu implizieren, obwohl man sich fragen muss, ob es in den U-Booten damals wirklich so wenig überzeugte NS-Anhänger gegeben haben mag. Dazu trägt auch bei, dass – ausser bei einem kurzen Aufenthalt beim Heil-Hitler-posaunenden Kapitän der „Weser“ (Günter Lamprecht)– das politisch destruktive und skrupellose nazistische Milieu der Zeit ganz überwiegend aussen vor scheint. Alles konzentriert sich auf den Zusammenhalt der Besatzung gegenüber den Risiken im Atlantik und bei Gibraltar. Also doch ideologiefrei? Keineswegs.

Petersen unterlässt es, wie in amerikanischen Militärschinken üblich, mit schwammigen Begriffen wie Ehre, Pflicht und Vaterland um sich zu werfen und fokussiert ganz auf die klaustrophobische Umgebung und das Verhalten einzelner Besatzungsmitglieder. Und gerade hier wird der Film – gewollt oder nicht – eben doch ideologisch.

Man mag einwenden, ein väterlicher Kommandeur sei immer noch besser als ein skrupeloser nazistischer Haudegen, der seine Männer in die Vernichtung führt. Aber dieses Argument trügt. Denn gerade dadurch, dass Petersen Abstand von solchen Verhältnissen nimmt, reproduziert er die Ideologie von „Kameradschaft“, Pflichtgefühl und Ehre in einer scheinbar neutralen Weise. Die Bilder des Films sprechen in dieser Hinsicht Bände. Über weite Strecken – vor allem im Director's Cut ging mir dies allmählich auf die Nerven – sieht man ängstliche Gesichter von Männern, die sich aber dennoch zusammenreissen, die Ruhe bewahren (der Kaleu ermahnt sie dessen mehrfach), wie sie nach oben schauen, von wo aus die Gefahr naht, hört beschwichtigende Worte des Kaleu, sieht Prochnow leise lächeln, voller Zuversicht angesichts des Zusammenhalts der Truppe, sieht den unterwürfigen Gehorsam seiner Männer usw.

Mehrfach eingeblendet wird ein Foto des Grossadmirals Dönitz, den Hitler kurz vor seinem Tod zum Reichspräsidenten ernannte – einer jener typischen stockkonservativen Militärs, die nie hinter der Weimarer Demokratie standen. Noch am 1. Mai 1945 forderte er über den Rundfunk die kämpfende Truppe zum weiteren Krieg gegen „den Osten“ auf: „Im Bewusstsein der Verantwortung übernehme ich die Führung des deutschen Volkes in dieser schicksalsschweren Stunde. Meine erste Aufgabe ist es, deutsche Menschen vor der Vernichtung durch den vordrängenden bolschewistischen Feind zu retten. Nur für dieses Ziel geht der militärische Kampf weiter.“ Sieben Tage später liess Dönitz durch Jodl die bedingungslose Kapitulation unterschreiben.

Zurück an Bord: Als dort dann doch einer – Johann (Erwin Leder) – die Nerven nach einem Angriff verliert, zieht der Kaleu die Pistole, während Grade und zwei andere den entnervten Johann, der seinen Gefechtsstand verlassen hat, schützen und den Kaleu daran hindern, ihn wegen Befehlsverweigerung zu erschiessen. Der Kaleu begreift schnell und lässt von seinem Vorhaben ab. Später entschuldigt sich Johann, der Angst vor dem Kriegsgericht hat, bei ihm und der Kaleu schaut ihn ruhig, milde gestimmt und väterlich an. Die Sache ist erledigt.

Was sehen wir also? Wir sehen, wie im Film die Grundvoraussetzung von Kampfbereitschaft und militärischem Gehorsam entwickelt wird. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Petersens Film in keinem Punkt von US-amerikanischen Kriegsfilmen, die die „Kameradschaft“ feiern. Diese Ideologie der Männergemeinschaft, deren Ausdruck militärische Kameradschaft ist, ist aber ein Produkt der noch zivilen Gesellschaft und Grundvoraussetzung auch heutiger militärischer Einsatzbereitschaft. Man mag das für banal halten. Aber letztlich liegt hier ein wichtiger Grund, warum Krieg überhaupt funktioniert.

Das Wesen der Kameradschaft ist nicht Freundschaft, sondern eiserne Disziplin im Hinblick darauf, jederzeit auch unter eigener Lebensgefahr für den anderen einzustehen, ohne nach dem Zweck dieses Bündnisses noch zu fragen. Verkauft man dieses Prinzip in der Weise, wie im Film geschehen, durch die Präsentation eines Kommandanten, der geradezu väterliche Züge in Bezug auf seine Truppe und das Element des gnadenvollen Verzeihens in sich trägt, wird es umso überzeugender, zumal man von der NS-Ideologie Abstand genommen hat.

Auch die an einigen Stellen eingebauten Szenen, in denen ein Soldat Briefe an seine Braut schreibt bzw. Grade verzweifelt an seine todkranke Frau denkt, ändern nichts an meiner oben dargestellten Sicht. Diese Szenen kaschieren nicht etwa irgend etwas. Mit der „Kameradschaft“ in der Ferne oder Fremde korrespondiert vielmehr dieser Blick auf die „Heimat“, für die man Opfer bringt. Etwas ähnliches gilt auch für die Figur des Berichterstatters Werner. Grönemeyer wurde die Funktion des Soldaten zuteil, der erst im Kampf unter Wasser richtig begreift, was Krieg eigentlich ist. Und selbst der NS-gestählte zweite Offizier ist am Ende tief beeindruckt vom Männerbund, den der Kaleu anführt.

Es ist – um es noch einmal zu betonen – diese Männerbündelei, diese internalisierte, aber eigentlich fremden Zwecken dienende Kameradschaftsideologie, die neben anderen Dingen Krieg erst möglich macht; sie wird auch in „Das Boot“ „leise“ gefeiert. Man stelle sich den gleichen Film vor, aber ausschliesslich mit Frauen in den Rollen. Das ist schlichtweg nicht vorstellbar. Kennzeichen einer solchen „Kameradschaft“ ist es eben, nach den Gründen nicht mehr zu fragen, die die Truppe zum Einsatz bringt. Derlei militärische Einheiten können letztendlich für fast jeden Zweck eingesetzt werden.

Gerade ihre scheinbare Entideologisierung – nur „das Vaterland zu verteidigen“ bleibt als letzter, aber eben entscheidender Rest – schafft ihre Einsatzbereitschaft. Das in diesem Bezugsystem die Kapitulation oder das Überlaufen zum Feind, also Desertieren, keine Alternative ist, ergibt sich zwingend aus der vaterländischen Männerbündelei. Man beachte, wie viele Jahrzehnte nach 1945 Deserteure der Wehrmacht auch weiterhin verunglimpft wurden, bis endlich an wenigen Orten in der Bundesrepublik Deutschland auch ihnen positiv gedacht wurde.

Man vergleiche schliesslich „Das Boot“ etwa mit Kubricks „Full Metal Jacket“, in dem diese auf amerikanische Soldatenschmieden zugeschnittene Männerbündelei im ersten Teil des Films gnadenlos blossgestellt und im zweiten Teil jegliche Kriegsideologie und -wirklichkeit ebenso gnadenlos dekonstruiert wird. Gerade „Das Boot“ zeigt unmissverständlich, dass ein Anti-Kriegs-Film letztlich gar nicht nur im Krieg spielen könnte, sondern in einer Gesellschaft beginnen müsste, die Kriegsbereitschaft erzeugt, zeigen müsste, wie sie diese erzeugt.

Petersen erzeugt Helden, die sich im Kampf bewähren und die am Schluss dennoch nur der Tod erwartet. Die damit verbundene Spekulation ist Rettung des Kameradschaftsgedankens angesichts der nazistischen „Verunreinigung“ dieser „Idee“. Es käme vielleicht eher darauf an, Helden zu zeigen, die sich nicht im Kampf bewähren, sondern in dessen Verhinderung.



Ulrich Behrens

(1) Vgl. Buchheims Kritik in Auszügen. Die gesamte Kritik ist zu finden in GEO 10/1981 unter dem Titel „Die Wahrheit blieb auf Tauchstation“.

Das Boot - Director's Cut

Deutschland

1981

-

143 min.

Regie: Wolfgang Petersen

Drehbuch: Wolfgang Petersen

Darsteller: Jürgen Prochnow, Hubertus Bengsch, Klaus Wennemann, Herbert Grönemeyer

Produktion: Günter Rohrbach

Musik: Klaus Doldinger

Kamera: Jost Vacano

Schnitt: Hannes Nikel