Ein Gefangenengewerkschafter über seinen Widerstand in österreichischen Gefängnissen „Häftlingen werden ihre Rechte eigentlich immer verwehrt“

Politik

22. März 2016

„Ein bissl ein Kulturschock. Aber mir geht's gut!“ Nach zweieinhalb Jahren Haft wurde Georg Huss vor einer Woche aus der Justizanstalt Graz-Karlau freigelassen.

Die Justizanstalt Graz-Karlau ist das drittgrösste Gefängnis in Österreich.
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Die Justizanstalt Graz-Karlau ist das drittgrösste Gefängnis in Österreich. Foto: H.Moschitz - S.Partl (CC BY 3.0 unported - cropped)

22. März 2016
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Restlos glücklich ist er über seine Freilassung jedoch auch nicht: „Wir haben ja noch allerhand geplant gehabt. Also, des hat mich dann ein bissl… und es ist Winter und so. Aber na, ich jammer' jetzt ned. Des hat schon gepasst“, lacht Huss.

Georg Huss wurde im Jahr 2013 wegen einer Hanfplantage im Burgenland zu vier Jahren Haft verurteilt. Bis zu seiner Entlassung hat er drei Justizanstalten durchlaufen, sein Widerstand gegen die Haftbedingungen brachte ihm mehrere Verlegungen ein. Schliesslich gründete er mit anderen eine österreichische Sektion der Gefangenengewerkschaft. Anfang März wurde Huss nach etwas mehr als der Hälfte seiner Haftstrafe überraschend nach Deutschland entlassen und mit einem zehnjährigen Aufenthaltsverbot für Österreich belegt.

Die Arbeit

„Ich bin im Leben schon sieben Jahre im Knast gesessen. Mich hat das immer gestört, dass die Justiz sich so wenig an Regeln und Gesetze hält. Also von wegen Resozialisierung oder dass Rechte, die wir als Häftlinge haben, uns eigentlich immer verwehrt werden.“ Nach seiner Verurteilung wegen einer Hanfplantage, „die nicht die meine war“, wie er sagt, hat er sich entschlossen zu rebellieren, denn „in Österreich läuft extrem viel falsch“. Auch bei der Arbeit hinter Gitter.

Ähnlich wie in den meisten deutschen Bundesländern ist im österreichischen Strafvollzug jeder Häftling dazu verpflichtet eine ihm zugeordnete Arbeit zu verrichten. Eine Wahlmöglichkeit haben die Inhaftierten dem Gesetz zufolge nicht. Wer die Arbeit verweigert, dem drohen Sanktionen. Gesetzlich festgeschrieben ist auch die Entlohnung: Der Stundenlohn liegt zwischen vier und sechs Euro pro Stunde. Abzüglich 75 Prozent für die Vollzugskosten und Arbeitslosenversicherung bleiben rund ein Euro bis ein Euro fünfzig. Davon wiederum darf die Hälfte von den Inhaftierten ausgegeben werden, die andere Hälfte dient der Rücklage und wird bei der Freilassung ausbezahlt. „Wenn einer sehr gut verdient, dann bekommt er 170 Euro in die Hand“, so der ehemalige Häftling Huss. „Normal ist so um die 200 pro Monat, also 100 Euro zum Einkauf, 100 Euro in die Rücklage.“

Nicht bezahlt werden Häftlinge im Krankheitsfall. Ausgenommen ist auch die Pensionskasse. So kann es passieren, dass Menschen in Haft jahrzehntelang arbeiten und nach ihrer Enthaftung dennoch kaum Aussicht auf eine Pension haben. Eine miserable finanzielle Situation im Alter trägt nicht gerade zum positiven und abgesicherten Neuanfang nach einer Haftentlassung bei, ist doch Armut noch immer einer der Hauptfaktoren, die Menschen hinter Gitter bringen.

Von dem System profitieren sowohl die Bundesländerkassen als auch die Privatwirtschaft, die zunehmend in österreichischen Gefängnissen fertigen lässt: Die Betriebe der Justizanstalten schaffen „durch ihre Produktivität eine nicht unerhebliche Wertschöpfung zugunsten des Bundes“, so die Website der Anstalt Graz-Jakomini. Die Privatwirtschaft hingegen umwirbt das Justizministerium selbst auf seiner Website: „Der Vorteil für Sie als Unternehmer besteht darin, dass hoch motivierte Arbeitskräfte sofort zur Verfügung stehen und bei einem derartigen Beschäftigungsverhältnis der Arbeitgeberbeitrag für die Sozialversicherung bei den Lohnkosten entfällt.“

Der Arbeitskampf

Um diese Missstände zu bekämpfen haben Inhaftierte der Justizanstalt Berlin-Tegel vor zwei Jahren die Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG-BO) gegründet. Sie wollen für Inhaftierte nicht nur den gesetzlichen Mindestlohn etablieren, sondern auch eine Altersvorsorge und das Recht sich gewerkschaftlich zu organisieren. Mittlerweile hat die GG-BO rund 850 Mitglieder in rund 70 deutschen Haftanstalten.

„Unter anderem war ich in St. Pölten inhaftiert, ich wurde in die Küche eingeteilt. Dort war ich sehr schockiert: Ich komme ja aus der Gastronomie und da hat überhaupt nichts gestimmt – von wegen Lebensmittel, Gesundheit und so. Da wurde ich relativ schnell entlassen, weil ich die angezeigt habe, weil das ein lebensmittelverarbeitender Betrieb ist, unhygienisch ohne Ende.“

Zuletzt landete Georg Huss im Gefängnis Graz-Karlau, der drittgrössten Haftanstalt Österreichs mit über 500 Inhaftierten. Dort begegnete er anderen Insassen, die sich, wie er selbst, gegen die Arbeits- und Haftbedingungen wehrten: „Beschwerden schreiben, Anzeigen schreiben, teilweise bis zum europäischen Gerichtshof. Wir haben uns dort zufällig getroffen und begonnen uns zu koordinieren, auch um Beschwerden und Anträge für Mitgefangene zu schreiben.“ Schliesslich haben sie Ende letzten Jahres eine österreichische Sektion der Gefangenengewerkschaft gegründet und ihre Aktionen fortgesetzt und intensiviert: „Im Jänner habe ich mir den Mund zugenäht und zu zweit haben wir einen Hungerstreik begonnen.“

Die Reaktion

Die öffentlichkeitswirksamen Aktionen der inhaftierten Gewerkschafter in Graz hat schliesslich das österreichische Justizministerium dazu bewogen, sich gegen eine Organisierung der Gefangenen auszusprechen. Es fehle die rechtliche Grundlage, so eine Sprecherin des Ministeriums. Dies sehen gewerkschaftsnahe Juristen naturgemäss anders.

Was sich in der Pressemeldung der Justiz nach kaum fassbaren juristischen Abwägungen anhört, manifestiert sich im Gefängnis sehr konkret: „In Haft bekommt man kaum Informationen oder Hilfe von draussen. Und trotzdem haben wir unsere Sache durchgezogen soweit wir konnten. Die Problematik ist auch, wenn sich eine Gruppe zusammentut, die irgendwas organisiert, wird einer nach dem anderen woanders hin verlegt. Und dann ist teilweise Kontaktsperre – du darfst dann Leuten nicht mehr schreiben“, erklärt Huss die Hindernisse der Gewerkschaftsarbeit hinter Gittern.

Tatsächlich wurde ein befreundeter engagierter Häftling ohne seinem Einverständnis in eine andere Anstalt verlegt. Georg Huss selbst wurde Anfang März überraschend freigelassen. Für Nicht-ÖsterreicherInnen gibt es die Möglichkeit nach der Hälfte der verbüssten Strafe eine Freilassung zu beantragen, gleichzeitig wird ein Aufenthaltsverbot für Österreich verhängt. Reines Kalkül, so die Gefangenengewerkschaft in ihrer Aussendung: „Die österreichische Justiz will offensichtlich über diesen Hebel den Aufbau der Gefangenengewerkschaft in Austria blockieren.“ Huss will gegen das zehnjährige Aufenthaltsverbot klagen. Er ist zwar im Besitz eines deutschen Passes, es ist aber schon 20 Jahre her, dass er in Deutschland lebte: „Ich bin hier in einem fremden Land sozusagen.“

Für die Rechte Inhaftierter will sich Georg Huss aber weiterhin einsetzen. Aktuell ist einer seiner vormals Mit-Inhaftierten im Hungerstreik. Der Gewerkschafter Oliver Riepan verweigert mittlerweile seit zwei Monaten in der Haftanstalt Graz-Karlau die Nahrungsaufnahme. Die Gefangenengewerkschaft kündigt ihren Support an: „Es muss in den kommenden Wochen darum gehen, das Schweigen zu durchbrechen und eine Unterstützungskampagne für den Kollegen Riepan zu lancieren…“ Für Georg Huss und seine KollegInnen bleibt also viel zu tun.

Christof Mackinger / lcm