Über Produktivität und Bedürfnisbefriedigung Ökonom Jackson und die Nachhaltigkeit

Gesellschaft

6. April 2016

Im Standard steht eiInterview mit dem Nachhaltigkeitsforscher Tim Jackson. Darin breitet er seine nachhaltiggeforschten Ansichten zu Wirtschaft und Politik aus. Die sind ein gutes Beispiel für den weitverbreiteten, staatsbürgerlichen Idealismus, und sollen deswegen hier kritisiert werden.

Maschinen, die die Arbeitsproduktivität erhöhen werden eingesetzt, wenn sie weniger kosten als die Arbeiter die sie ersetzen.
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Maschinen, die die Arbeitsproduktivität erhöhen werden eingesetzt, wenn sie weniger kosten als die Arbeiter die sie ersetzen. Foto: David Bransby (PD)

6. April 2016
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Als Nachhaltigkeitsforscher an einer bürgerlichen Universität hat Jackson eine Aufgabe, und die hat er verstanden: Jedweden Gegenstand der ihm unter die Nase kommt zu begutachten, um ihn auf Nachhaltigkeit abzuklopfen. Nicht zu verwechseln ist so eine Tätigkeit damit, sich Sachen zu erklären – aber das sollte aus den folgenden Beispielen hervorgehen.

Nun denn, es ist kein Rätsel – blickt man in die Welt unter dem Gesichtspunkt Nachhaltigkeit, dann springt einem schnell mal die Wirtschaftsweise ins Auge:

«Nur dem Wachstum nachzujagen hat grosse Konsequenzen für alle. Was den Verbrauch von Ressourcen betrifft, die Schädigung der Umwelt, den Klimawandel, den Verlust an Biodiversität, die Auswirkungen auf unsere Böden. Es beeinflusst auch, was für die Ärmsten der Welt noch an Steigerung der Lebensqualität drinnen ist.»

Nun, wenn man das schon so feststellt, dann könnte man sich doch fragen warum eigentlich ständig so sehr nach Wachstum geschielt wird, wenn doch die schlechten Folgen so offensichtlich sind? Vielleicht gibt es ja in der kapitalistischen Gesellschaft gar einige Zwecke die verfolgt- und Abhängigkeiten die beachtet werden müssen.

So brauchen die meisten Leute einen Arbeitsplatz um sich einen Lebensunterhalt zu verdienen. Dafür braucht es aber auch Unternehmen die Gewinne machen, da diese nur Leute anstellen wenn sie sich für sie lohnen. Und deren Wohlergehen hat der Staat im Blick, der für das Wachstum allerlei Anstrengungen nach innnen und nach aussen unternimmt, für die er wiederum auf die Wirtschaft als Machtbasis angewiesen ist.

Das alles würde erklären warum Wirtschaftswachstum hier notwendig ist und von allen verfolgt wird – aber dass ist die Sache von Jackson nicht.

«In vielen armen Ländern gibt es noch Aufholungsbedarf, es gibt keine ordentlichen sanitären Einrichtungen, keine stabile Stromversorgung, nicht ausreichend zu essen, die Kindersterblichkeit ist hoch. Das alles kann man beheben, wenn die Einkommen steigen. Ab etwa 10.000 Dollar Einkommen pro Kopf kriegt man diese Probleme in den Griff. Danach ist der Fortschritt nur mehr gering.»

Stattdessen bleibt er einfach bei seinem Entschluss, das Wirtschaftswachstum konsequent unter Nachhaltigkeitsbegrifflichkeiten zu betrachten. Und da fällt ihm eines auf: Vom Gebrauchswertstandpunkt gibt es ab 10.000 Dollar kaum noch Fortschritte für eine Bevölkerung.

Ganz abgesehen davon dass neben Klos, Strom, Essen und überlebenden Schreihälsern wohl auch eine Gesundheitsversorgung und Kinos und vieles mehr zu einem guten Leben dazugehört, könnte man doch auch einmal draufkommen dass es um Nachhaltigkeit oder Bedürfnisbefriedigung in diesem globalen System offensichtlich nicht gehen kann, wenn sich die Leute in der einen Welthälfte ihre Nasen stupsiger operieren lassen, während auf der anderen die Leute verhungern. Wohlgemerkt, dass ist nur ein Indiz, nicht der Grund dafür. Ob Menschen etwas zu essen haben hängt nicht davon ab wie viele Leute sich schon die Nase operiert haben sondern ob sie Geld haben um es zu bezahlen.

«Derzeit stossen wir weltweit jährlich 35 Gigatonnen aus. Die Grenze hätten wir also in zehn Jahren erreicht. Wenn man sich dann fragt, wer soll das restliche CO2 ausstossen dürfen, ist das relativ klar: Es wäre nicht Österreich oder Grossbritannien, es wäre Burkina Faso, Subsahara-Afrika. Wir wollen die Klimaerwärmung bremsen, haben aber noch nicht ganz verstanden, was das für Auswirkungen hätte.»

Das Wachstum, dass auch Jackson als Bedingung dafür kennt dass Babies in Afrika was zu fressen haben, würde dann auch dementsprechend für CO2 Ausstoss sorgen – ein weiterer heikler Punkt für den Mann der Nachhaltigkeit. Dass die Wirtschaft systematisch den Planeten zerstört, indem fossile Rohstoffe nunmal die billigsten und von daher kapitalistisch vernünftigsten Energiequellen sind, und bei ihrer Verbrennung Mengen an Treibhausgasen freigesetzt werden die zu einer Erwärmung des Planeten führen, nimmt die Staatenwelt durchaus Ernst – und tut das, was sie halt dagegen machen kann: Sich auf internationalen Konkurrenzen jeweils den Schwarzen Peter zuschieben und darüber festzustellen wie die imperialistischen Kräfteverhältnisse gerade so stehen, die paar Peripheriestaate die man als Westen noch zu was verpflichten kann auf Bäumepflanzen festlegen, und ansonsten so weiterproduzieren wie mans gewohnt ist, weil jeder der die Nachhaltigkeit zu ernst nimmt der Konkurrenz zum Opfer fällt. Wie der Umgang mit dem Klimawandel jedoch aussieht und aussehen muss, wo das Geld die Musi macht, das interessiert Jackson nicht weiter.

Seine Frage ist: Wie sollte er aussehen? Und für den entwicklungshilfeinteressierten Nachhaltigksforscher steht die Antwort schon fest: Na klar, erstens weniger CO2, und zweitens dürfen die armen Staaten mehr ausstossen, denn das ist nur gerecht! Dass es so nicht zugeht, von dieser Erkenntnis kann einen selbst eine Professur nicht abhalten.

Schwups diagnostiziert man aber das Problem: Wir sind uns einfach noch nicht klar über die Auswirkungen unseres eigenen Willens! Wie viele Klimakonferenzen wohl noch vergehen müssen bis die komplette Führungsriege der Welt draufkommt dass sie für den ihr angedichteten Zweck des Klimawandelstopps wohl auch den Ausstoss von Klimagasen reduzieren müssen? Vielleicht liegts auch daran dass ich noch nie eine Einladung zu so einem Klimagipfel erhalten habe, mir wäre jedenfalls schon klar worans liegt. Aber ich und viele andere haben bei diesem wir offensichtlich nicht so viel mitzureden…

Also, nichts mehr mit Wachstum, weil CO2! Gleichzeitig aber geht ohne Wachstum nichts, schliesslich sind alle in der bürgerlichen Gesellschaft davon abhängig. Was also machen?

«Es gibt Rezepte dafür, genügend gute Jobs zu schaffen, Gesundheit und Bildung, sozialen Schutz, viel Freizeit, Handwerk. Wir brauchen Investitionen in Technologien, die Ressourcen erhalten und kein CO2 verbrauchen. Dann muss man das Finanzsystem stabilisieren, die rücksichtslose Spekulation mit Rohstoffen stoppen.»

Es müsste eben das richtige Wachstum sein, das stattfindet, dann klappt das auch mit der Natur! Und eigentlich, ja eigentlich wäre Geld dafür ja eine tolle Sache – man braucht es nur in die richtigen Technologien investieren, dann kann man mit denen anstellen was man will! Das Problem ist: Die die es haben und hergeben verlangen immer Zinsen dafür, es wäre ja auch wirklich sinnlos eine Geldsumme herzugeben und sie unverändert wieder zurückzubekommen, da könnte man sie gleich behalten.

Damit müssen die, die es geliehen bekommen aber Gewinn machen, um die Zinsen zahlen zu können – das ist für die erstmal kein Problem, da sie das sowieso wollten, sonst hätten sie sich ja auch auf das Zinsgeschäft nicht eingelassen.

Für Jackson liegt hier aber das Übel begraben – müssten die Unternehmen nicht so viele Gewinne machen, dann könnten die ja auch mal in seine grüne Technologie investieren. Damit will er die gute Wirkung des Geldes, nämlich dass es in dieser Gesellschaft Zugriff auf alles und damit gleichzeitig auch in der Lage ist, jede gewünschte Veränderung oder Forschung anzustossen, ohne die Folge davon: Wenn das Geld den Zugriff auf alles was man benötigen könnte darstellt, dann dreht sich auch alles darum – jede wirtschaftliche Tätigkeit wird unternommen um an Geld zu kommen, da es ja abstrakten Reichtum darstellt:

«Das Finanzsystem soll sich auf seine Kernaufgabe konzentrieren. Wenn wir jung sind, wollen wir Häuser kaufen, wenn wir alt sind, eine Pension haben. Dafür müssen wir Geld borgen beziehungsweise ansparen. Es muss Schluss sein mit rücksichtloser Spekulation.»

Zwei letzte Lösungsvorschläge präsentiert Jackson dann noch, um der Fessel des Wachstums zu entrinnen:

«Einen Teil der Produktivitätsgewinne haben wir für höhere Löhne verwendet, einen Teil für eine Verkürzung der Arbeitszeit. Das kann eine der Lösungen sein. Eine andere: Wir bemühen uns nicht mehr so sehr, produktiver zu werden. Produktivität ist gut, wo es um manuelle, harte Arbeit geht. Wenn es um Bildung, Handwerk, Kunst oder Pflege geht, heisst produktiver zu sein oft, weniger Zeit zu haben. Es gibt Raum für beide Lösungen. Aber die Arbeitsproduktivität steigt sowieso nicht mehr so schnell, […]. Das sollte man nicht unbedingt als etwas Schlechtes sehen, eher als einen Teil des Umstiegs zu einer reiferen Ökonomie.»

Erstens: Wir waren es wiederum nicht, die Produktivitätsgewinne für höhere Löhne oder Verkürzung der Arbeitszeit verwendet haben. Wäre dass so, fragt sich, warum Produktivitätsgewinne nicht immer mit kürzerer Arbeit oder höheren Löhnen verbunden sind – das kann man an den Unmengen an bezahlten und unbezahlten Überstunden und den sinkenden Reallöhnen heutzutage ablesen.

Dass das teilweise passiert ist, verdankt sich einer kämpferischen Arbeiterklasse und einem Staat, der mit der Sowjetunion im Rücken die wohlmeinende Seite seiner Beziehung zu ihr entdeckt hat. Mittlerweile, und auch manchmal während der “Goldenen Zeit” ist es eher umgekehrt: Maschinen, die die Arbeitsproduktivität erhöhen werden eingesetzt, wenn sie weniger kosten als die Arbeiter die sie ersetzen – für die bedeutet höhere Produktivität also Arbeitslosigkeit und damit Elend. Für die Übriggebliebenen bedeutet die Maschine aber auch keine Arbeitserleichterung: Schon alleine weil sie so teuer ist soll sie möglichst intensiv und lange benutzt werden, und damit auch die Arbeitskraft die dranhängt. Ausserdem ist die Konkurrenz um diese übriggebliebenen Arbeitsplätze härter, wir erinnern uns an die, die gerade von der Maschine ersetzt wurden. Damit sinken tendenziell auch die Löhne.

Zweitens: Wir bemühen uns nicht mehr so sehr, produktiver zu werden, ignoriert erstens das Subjekt dieses Zwecks: Der Durchschnittsarbeiter oder Angestellte hat gar keinen Überblick über den gesamten Produktionsprozess, ganz zu schweigen davon dass er mitentschiede wie wo warum Maschinen eingesetzt werden. Dass machen schon noch die Unternehmen, und dass hat einen guten Grund: Sie sind schliesslich diejenigen, denen der ganze Laden gehört, die ihn so einrichten und benutzen dass ihr Zweck, nämlich mehr Geld, dabei rauskommt. Mit diesem Zweck sind sie nicht alleine: In jeder Branche gibt es Konkurrenten, die mit den gleichen Produkten das gleiche versuchen.

Um gegen diese Konkurrenten zu bestehen, und Gewinn zu machen, muss jede Firma schauen erstens ihre eigene Produktivität ständig zu verbessern, denn man weiss ja, die Konkurrenz schläft nicht, sowie Produktivitätsgewinne zu kopieren. Einfach so davon absehen produktiver zu werden geht vielleicht in manchen Professorenhirnen, wo man sich auch mal ein Paper oder eine Konferenz sparen kann (wär ws auch besser so), Unternehmen würden pleite gehen wenn sie es tun. Ist die Konkurrenz nämlich produktiver und damit billiger als man selber, verdient man immer weniger Geld, kann sich wiederum weniger Investitionen in Produktivität leisten, bis die Differenz von den eigenen Herstellungskosten zu denen der Konkurrenz so gross wird dass man keinen Gewinn mehr macht und pleite geht.

Man sieht also: Fromme Wünsche kann man sich einfach machen, um jedoch so etwas wie Nachhaltigkeit oder Bedürfnisbefriedigung in der Gesellschaft verwirklicht zu sehen müsste man sich zuerst mal klar machen, was den die Gründe dafür sind dass sie ständig nicht passieren, und die aus der Welt schaffen.

Bassisgruppe Gesellschaftskritik Salzburg [geskrit]
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