„Wenn wir nackt sind hört man uns zu“ FEMEN - Feminismus oder Farce?

Gesellschaft

27. Juli 2013

Das ist anscheinend die erste und wichtigste Grundregel bei der Gruppe FEMEN, die sich selbst als feministisch bezeichnet und durch praktische, provokante Aktionen viel internationales Interesse erregen konnte.

Femen Protestaktion in Paris am 31. März 2012 zur Unterstützung von Aliaa Magda Elmahdy.
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Femen Protestaktion in Paris am 31. März 2012 zur Unterstützung von Aliaa Magda Elmahdy. Foto: Joseph Paris (Licence Art Libre)

27. Juli 2013
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Im Jahr 2008 organisierten sich die ersten Frauen unter diesem Namen in Kiew, mittlerweile gibt es aber auch in vielen anderen Ländern Ableger der Gruppe. Zu sehen ist in letzter Zeit viel von ihnen, doch was genau haben sie überhaupt zu sagen? Neben der Absicht eine möglichst hohe Medienwirksamkeit zu erzeugen, ist der Kampf gegen die Sexindustrie und den Sextourismus von Anfang an eines ihrer wichtigsten Anliegen. Von Zwangsprostitution und Menschenhandel ist hierbei aber nicht die Rede, stattdessen sehen FEMEN ihre Aufgabe darin, den Sexarbeiter_innen insgesamt ihr Recht auf die Tätigkeit ab zu sprechen.

Die generelle „No-prostitution“- Haltung, die FEMEN gegenüber Sexarbeit einnimmt, ist in diesem Fall schwierig und sollte vielseitiger betrachtet werden. Menschenhandel sowie sexuelle Ausbeutung sollten von dem Begriff Sexarbeit differenziert werden. Die Trennung ist relevant, da der Unterschied zwischen Zwang und Selbstbestimmung sonst verschwimmt. Die drängende Wichtigkeit dem Menschenhandels, sowie der Zwangsprostitution etwas entgegen zu setzen steht ausser Frage, doch aufgrund der vernachlässigten Differenzierung drängen die Aktivistinnen von FEMEN alle Sexarbeiter_innen in die Rolle von Betroffenen, auch wenn diese ihre Tätigkeit freiwillig ausüben – so freiwillig wie Lohnarbeit in einem kapitalistischen System überhaupt sein kann.

Gegen Sexarbeit ging auch FEMEN Germany am 25.01.2013 mit ihrer Kampagne „Fickt die Sexindustrie“ auf die Strasse und löste durch die Aktion Wut und Fassungslosigkeit aus. Mit Schriftzügen auf den nackten Oberkörpern starteten einige junge Aktivistinnen einen Fackelzug durch die Herbertstrasse in Hamburg. Auf den Plakaten, die sie bei sich trugen waren unter anderem Parolen wie „sexindustry is fascism“ zu lesen. An eines der Tore, welches die Nazis 1930 als Sichtschutz an beiden Seiten der Strasse angebracht hatten, schrieben die Frauen „Arbeit macht frei“.

Die unfassbare Analogie von Sexarbeit und Shoah, sowie die Gleichsetzung der Sexindustrie mit Faschismus die FEMEN Germany hier herstellte, wurde von den Aktivistinnen in keiner Weise reflektiert. In mehreren offenen Briefen wurde Kritik an der Aktion geübt, doch FEMEN Germany wies diese mit den Worten „es sei alles überinterpretiert und missverstanden worden“ zurück. Irina Khanova, die eine der Mitbegründerinnen von FEMEN Germany ist, geht sogar noch weiter und vertritt den Standpunkt, dass Frauen in der heutigen Zeit genau wie die Menschen in nationalsozialistischen Vernichtungslagern “versklavt, verschleppt, vergewaltigt, in Ghettos eingesperrt und wie Fleisch verkauft” werden.

Und was haben sie sonst noch zu sagen?

Zu gängigen Schönheitsidealen und auch zum binäre Geschlechtssystem nicht viel. Trans_menschen haben bei FEMEN bisher überhaupt keine Erwähnung gefunden. Obwohl eine Aktivistin von FEMEN Germany im Interview mit der Frankfurter Rundschau davon sprach, dass das nackte Auftreten dazu genutzt werden würde, die Bedeutung des weiblichen Körpers zu verändern, ist bei ihren Aktionen fast ausschliesslich ein ganz bestimmtes Körperbild vertreten, welches den gängigen Schönheitsidealen sehr nahe kommt. Der Frauen_körper wird von ihnen in keiner Weise kritisch reflektiert, sondern vielmehr werden die bestehenden sexistischen Verhältnisse bedient und reproduziert. Die inhaltliche Auseinandersetzung von FEMEN Germany zur Frage, welche Botschaft sie mit ihrer Protestform transportieren wollen, verläuft sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite ist die Rede von einer gewollt aggressiven und starken Darstellung des nackten Frauen_körpers, auf der Anderen wird von einer verletzlichen und ungeschützten Darstellungsweise gesprochen.

Selbst wenn das Interesse der Rezipienten überhaupt bis zu den Inhalten der Aktivistinnen durchdringt und nicht an den idealisierten Körpern hängen bleibt, stösst es auf zum Teil sehr paradoxe und diskriminierende Forderungen. Die Gruppe ist zwar für die Abschaffung des Patriarchats, doch die Machtverhältnisse an sich, sowie deren Ausübung, sind nicht Gegenstand ihrer Kritik. Alexandra Schewtschenko, eine Aktivistin von FEMEN Germany, sagte gegenüber der Zeitung Zeit, dass sie die Herrschaft der Männer nicht aufheben, sondern umkehren wolle, da Frauen besser mit Macht umgehen könnten. Wieder reproduzieren FEMEN ein sexistisches und zweigeschlechtliches Weltbild, welches sich widersprüchlich zu feministischen Kämpfen verhält.

Während ihrer Aktionen schmückt FEMEN sich nicht mehr nur mit Blumenkränzen im Haar, welche in der Ukraine eine typische Nationaltracht für Frauen sind. Bei FEMEN Germany sind nun auch die Farben der deutschen Flagge im Logo vertreten. Bei einer Diskussionsveranstaltung wurden sie nach dem Hintergrund dieser Gestaltung gefragt, woraufhin FEMEN Germany erklärte, sie seien doch schliesslich auch eine Nation, sie seien Deutschland. Dass den „Kriegerinnen an vorderster Front der feministischen Armee“ auch der Schutz ihrer Heimat wichtig ist, haben sie 2010 in der Ukraine deutlich gemacht.

Vor einem Fussballspiel von Karpaty-Lviv gegen Galatasaray Istanbul haben sie eine Erklärung an den Stadtrat von Lviv geschrieben, in der sie sich gegen die Anreise der türkischen Fussballfans aussprachen, um die ukrainischen Frauen zu schützen. Dazu machten sie eine Fotoreihe mit den Fans von Karpaty-Lviv, welche dafür bekannt sind, dass sie eine rechte und nationalsozialistische Einstellung vertreten.

Reine Vermarktung scheint bei FEMEN im Vordergrund zu stehen. Ihre Aktionen sind auf Provokation und Medieninteresse ausgelegt, ohne dabei auf die Auswirkungen, die ihr Handeln haben könnte, Rücksicht zu nehmen. Auch stellen sie keine konkreten Forderungen, welche direkt auf die Situationen der Betroffenen eingehen. Nach all dem kann nicht mehr von emanzipatorischem Feminismus die Rede sein.

eine feministische Kritikerin