Wolfgang Bauer: Die geraubten Mädchen Boko Haram und der Terror im Herzen Afrikas

Sachliteratur

21. Mai 2016

Am 18.05 erst war es in Spiegel-Online zu lesen: Die erste von Boko Haram in Nigeria entführte Schülerin wurde nun von Regierungstruppen aufgegriffen –die Verantwortlichen gehen zumindest davon aus, ihre Identität wird überprüft.

Die nigerianische Armee bei einer Übung für den Kampf gegen Boko Haram am 28. Februar 2016.
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Die nigerianische Armee bei einer Übung für den Kampf gegen Boko Haram am 28. Februar 2016. Foto: Nicolas Pinault (PD)

21. Mai 2016
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Dieses Jahr ist im Suhrkamp Verlag auch eine Reportage zu dem Thema erschienen: „Die geraubten Mädchen. Boko Haram und der Terror im Herzen Afrikas“. Weil zu diesem Zeitpunkt allerdings noch keines der Mädchen zurückgekehrt war, interviewt Wolfgang Bauer andere Frauen und Mädchen, die von Boko Haram entführt wurden und fliehen konnten.

Der Klappentext des Buches lässt böses Ahnen, wird doch reisserisch für die Wichtigkeit des Themas geworben: „Experten [sic!] sind sich sicher: Irgendwann könnte die Sekte auch in Europa Anschläge verüben“ Eine Prognose die mit dem Konjunktiv ausgerüstet eine Zeitspanne von heute bis „irgendwann“ abdeckt kann sich kaum irren, und wenn sie von Experten getroffen wurde schon zweimal nicht. Dabei täuscht der Klappentext: Ähnlich billige Tricks für die Aufmerksamkeit spart sich das Buch selbst zum Glück.

Leider führt der Klappentext auch dort in die Irre wo er verspricht, dass die Erzählungen der Frauen und Mädchen „Einblicke in das Innenleben der geheimnisvollen Organisation“ – gemeint ist Boko Haram – bieten. Die Interviews handeln vom persönlichen Leid der Frauen, ihren Vergewaltigungen, ihrer Angst.

Eine Reportage die gar nicht behauptet mehr zu sein, hätte damit auch das geleistet, was ebenfalls auf dem Buchrücken steht: „den Mädchen ihre Stimme“ zurück zu geben, sich der Welt mitzuteilen. Ist der Anspruch aber erst einmal formuliert, auch mehr über Boko Haram zu erfahren, bleibt der schale Nachgeschmack am Ende doch über menschliches zu berichten und wenig über die Strukturen, die Ökonomie, die Interessen von Boko Haram.

Die zwischen den Interviews eingestreuten Berichte sind dort spannend, wo der Reporter über seine Eindrücke schreibt, oberflächlich und beinahe belanglos wird es jedoch, wo über die Strukturen von Boko Haram informiert wird. Der Anfangs monierten Ignoranz, selbst politisch Informierter Zeitgenossen gegenüber Nigeria, kann das Buch selbst leider kaum Abhilfe schaffen und hier wird zu anderer Lektüre geraten [1].

Wenn allerdings das Versprechen des Klappentextes vergessen wird und man mehr über das Leben dieser Frauen erfahren will, die „weit weg von Europa“ Opfer eines Krieges sind, dann kann das Buch empfohlen werden.

Berthold Beimler

Fussnoten:

[1] Wer sich über die Politik und Ökonomie Nigerias informieren will, sei auf den Artikel „Ölstaat Nigeria: Dorado für Investoren, Hort von Armut, Korruption und Terror“ im Gegenstandpunkt 4-14 verwiesen.

Wolfgang Bauer: Die geraubten Mädchen. Boko Haram und der Terror im Herzen Afrikas. Suhrkamp Verlag 2015. 189 Seiten. ca. 20.00 SFr. ISBN: 978-3-518-42538-1