Dietmar Dath: Klassenkampf im Dunkeln Statistischer Egoismus

Sachliteratur

4. Dezember 2014

Wieviele Linke braucht man, um eine Glühbirne reinzudrehen? – Zum Band „Klassenkampf im Dunkeln“ von Dietmar Dath.

Dietmar Dath, 2010.
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Dietmar Dath, 2010. Foto: Boxcarbarbara (PD)

4. Dezember 2014
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„Nie seit der Emanzipation des Bürgertums vom Feudalismus waren die reichsten Gemeinwesen gründlicher depolitisiert“, heisst es in Dietmar Daths neuem Essay-Band „Klassenkampf im Dunkeln“. Der FAZ-Redakteur (Sparte: Film) hat in diesem Jahr mit einem Überlängen-Roman („Feldeváye“), einem Hörstück („Largoschmerzen“) und einer Graphic Novel („Menschen wie Gras wie“, zusammen mit Oliver Scheibler) seines Empfindens nach wohl noch nicht genug geliefert. Wenigstens nicht genug, was dem Zeitgeist der allgemeinen wie angeblichen Politikverdrossenheit entgegenwirkt und dem veralteten Schweinesystem namens Kapitalismus richtig wehtut.

Herausgekommen sind „zeitgemässe sozialistische Übungen“, mit Titeln, die so klingen: „Monopole planen die Idee der Planwirtschaft kaputt“. Die zeigen nicht nur gute Analysen der Gegenwart, sie schaffen es ausserdem, den Lesenden einen kleinen Hoffnungsschimmer in die geröteten Hirne zu implantieren. Denn der Verdruss greift um sich, gerade in direkter Nähe der Monopole, im urbanisierten Westen. Dort nimmt manche*r Linke Worte wie „Proletariat“ und „Antimilitarismus“ nur noch mit Ekel zwischen die Kiemen. Nicht nur falsch und unwissenschaftlich, sondern schlichtweg fatal eine bessere Zukunft verhindernd, ist das, legt Dath mit seinen Essays dar. Er fordert Organisation und Kämpfe, überall da, wo sie zur besseren Organisation und zum Freischaufeln für grössere Errungenschaften führen können.

Wo andere sofort die Scheuklappen ausfahren, wenn sie die Namen nur hören, versteht Dath es, den Bogen zu biegen. Sinnvoll argumentieren mit Quotes und Anstössen von Lenin, Postone, Peter Hacks und Joanna Russ schafft hierzulande derzeit wohl nur der „Captain Avantgarde“. Der lässt dann noch Beispiele aus den Bereichen der Physik und der Informatik einfliessen (für Naturwissenschafts-Noobs schwere Kost), schafft Belege mittels bürgerlicher Köpfe, um andere – allen voran die marktradikale Liga des Bösen der sog. Wiener Schule (von Hayek und von Misis allen voran) – in Grund und Boden zu widerlegen, die den Markt bzw. die sog. „Katallaxie“ zum Nonplusultra menschlicher Wirtschafterei herbeihalluzinierten.

Doch der Autor pöbelt nicht nur auf höchstem wissenschaftlichem Niveau. Er gibt Vorschläge zur Aktualisierung des wissenschaftlichen Sozialismus, z.B. in Form einer neuen Einteilung in „Zeitsorten“: Arbeitszeit, Konsumzeit, Politische Zeit und Unbestimmte Zeit sollen das Leben im zweiten Anlauf des Sozialismus regeln, durch das Verbot, sich anderer Leute Zeit anzuzeigen bzw. daraus Reichtum zu schöpfen etwa.

Wer den (Co-)Autor von Schriften wie „Der Implex“ und „Maschinenwinter“ in diesem Sommer auf einem Podium und bei einem seiner Vorträge erlebt hat, wird eine gute Vorahnung haben, wohin der Hase in „Klassenkampf im Dunkeln“ läuft. Sein radikalkommunistischer Stalker aus dem Raum Berlin etwa wird hier zu Papier gebracht. Der Ausflug in Richtung zeitgenössischen Anarchokapitalismus („Das ist die Rückentwicklung des Kapitalismus von der Wissenschaft zur Utopie“) wird im Buch ausgespart. Darüber hinaus liefern die zehn Übungen jedoch einen breiten Fächer akuter Thematiken, die vor oder gar während des jüngst flöten gegangenen Sommers aufgeworfen wurden. Jürgen Elsässer sollte sich das Buch mal zur Hand nehmen (das Cover ist schön bunt!).

Aber auch ewig-schwelende, nicht nur für Marxist*innen aller Richtung brennende Fragen werden im mindesten grosszügig angeschnitten. „Warum für etwas streiten, das wir nicht erleben werden?“ ist die letzte Übung, in der auch eine unverblümte Antwort zu finden ist: „Solidarität ist keine Moralfrage. Solidarität ist statistischer Egoismus.“

Rundum ist „Klassenkampf im Dunkeln“ mehr als empfehlenswert: Unterhaltsam (auch sparsam gesäter und gut rübergebrachter Polemiken wegen), aufklärerisch (hat Dath als super power einpaar Zeitarten zum Studieren und Kritzeln extra auf Lager??) und auch für Naturwissenschaftler*innen und PC-Nerds keine Unzumutbarkeit. Wenn eine Vorhersage erlaubt ist: Der Band wird bleiben. Lasst die Lesekreise beginnen!

Pat Batemensch / lcm

Dietmar Dath: Klassenkampf im Dunkeln. Zehn zeitgemässe sozialistische Übungen. KVV konkret, Hamburg 2014. 151 S., ca. SFr. 22.00, ISBN 978-3930786749