An allen Fronten bewährt - Ein Stück Werksgeschichte ZwangsarbeiterInnen bei FORD AG Köln

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15. März 1997

Als grösster Arbeitgeber in dieser Stadt schätzt Ford besonders den Optimismus, die Fröhlichkeit und die aufgeschlossene Art der Kölner.

15. März 1997
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"Ihre Mentalität passt hervorragend zu einem Unternehmen, das mit kreativen Lösungen die Zukunft bewegen will", so Albert Caspers, Vorstandsvorsitzender der Ford-Werke in Köln.

Auch der Ford-Vorsitzende ist sich nicht zu schade, an der städtischen "Köln-tut-besser" Anzeigen-Kampagne teilzunehmen und wie Oberbürgermeister Burger oder Oberstadtdirektor Ruschmeier zur Imagepflege die rote Pappnase zu lüften.

Die Angst vor dem tiefen Fall in die Bedeutungslosigkeit, die der rheinischen Metropole bei der Verlegung der Hauptstadtgeschäfte nach Berlin zu drohen scheint, geht ja doch um. Da wird in der Stadt aufatmend zur Kenntnis genommen, dass sich Ford seit einiger Zeit viel mehr als früher mit dem Standort Köln identifiziert: Ford sponsort den FC, aber auch das Gürzenich-Orchester, die Veranstaltungen des Sommerkulturprogramms und die Theater-Konferenz.

Seit 1931 werden die Deutschland-Geschäfte des amerikanischen Automobilkonzerns von dem Werk in Köln-Niehl aus geleitet. Gross geworden ist die Filiale im Deutschen Reich, also während des Nationalsozialismus. Doch bis heute liegen jene Anfangsjahre völlig im Dunkeln:

Die Forschung ignorierte das Thema fast vollständig und die Konzernleitung selbst macht keine Anstalten, sich diesem unerfreulichen Kapitel zu stellen. In der Tat ist es im Rückblick durchaus beschämend, wie sich Ford den Nazis anbiederte.

So durfte Ford gemäss einem Ministeriumserlass seit 1936 für alle Produkte mit dem Begriff "Deutsches Erzeugnis" werben. Das bekannte ovale Ford-Symbol wich 1937 einem Wappen mit Fabrik und Kölner Dom und der Aufschrift "Ford Köln". Doch es blieb nicht bei dieser optischen Anpassung an die neuen Verhältnisse.

Skrupel, mit den Nazis Geschäfte zu machen, haben in der amerikanischen Konzernzentrale offenbar nicht bestanden. Der Firmengründer Henry Ford teilte mit Adolf Hitler den aggressiven Antisemitismus und einen gründlichen Hass auf die Arbeiterbewegung. Hitler, der Henry Ford glühend verehrt haben soll, liess ihm im August 1938 zu seinem 75. Geburtstag über den deutschen Konsul in Cleveland das "Grosskreuz des Ordens vom Deutschen Adler" verliehen.

Im gleichen Jahr lag Ford mit der Herstellung von Personenkraftwagen bereits an vierter Stelle der im Reich produzierenden Automobilfirmen und im Bereich der kommerziell genutzten Fahrzeuge sogar schon an zweiter Stelle. Der ständig steigenden Produktion konnte auch der Kriegsbeginn nichts anhaben; die Gewinne stiegen von 1,28 Mio. Reichsmark im Jahre 1939 auf 2,17 Mio. im Jahre 1943.

Auf einer Betriebsfeier anlässlich des zehnjährig Bestehens des Kölner Werkes hob der Vorstandsvorsitzender Robert H. Schmidt den Beitrag Fords am Krieg vor der lokalen NS-Prominenz hervor: "Die Umstellung von der Friedensproduktion auf Kriegswirtschaft vollzog sich im allgemeinen reibungslos.

Die von der Wehrmacht eingesetzten Ford-Wagen konnten sich an allen Fronten bewähren." Tatsächlich gehörte Ford zusammen mit Daimler-Benz und Opel zu den wichtigsten LKW-Lieferanten für die deutsche Wehrmacht. Schon vor dem Krieg, so die Ford-Werke Köln im Juni 1941, half man "gelegentlich des Einmarsches in die Tschechoslowakei der Armee mit erheblichen Lieferungen aus dem Ausland über einen Engpass" hinweg.

Mit dem Produktionsstop von PKW's im Jahre 1942 liefen nur noch Lastkraftwagen vom Band. Besonders die in grosser Anzahl produzierten "Drei-Tonner" hatten eine grosse Bedeutung für Truppentransporte der Wehrmacht. Darüber hinaus kontrollierte die Konzernzentrale in Köln sämtliche Fabriken des Ford-Konzerns in den überfallenen Ländern.

I. Deutsch und immer deutsch gewesen

Es ist schon erstaunlich, wie sich der amerikanische Konzern zur kriegswichtigen und daher von den Nazis bevorzugte Produktionsstätte mauserte. Weit vorausschauend hatte man bei den Ford-Werken schon frühzeitig Überlegungen angestellt, was im Falle eines Kriegszustandes zwischen Amerika und dem dritten Reich zu geschehen habe.

Dann nämlich wären die Ford-Werke laut der "Verordnung betrifft Behandlung feindlichen Vermögens" unter Zwangsverwaltung gestellt worden.

Ein halbes Jahr vor dem Kriegseintritt der USA wandte sich Ford daher an den zuständigen Reichskommisar und bemühte sich, den Betrieb in Köln als in deutschen Händen befindlich darzustellen. Schon Ende 1940 hatte die amerikanische Konzernzentrale durch Erhöhung des Aktienkapitals ihren Anteil von 75% auf 52% reduziert. Mit 1,75 Mio. Reichsmark hielt beispielsweise die IG-Farbenindustrie einen nennenswerten Anteil.

So schrieben Vorstand und Aufsichtsrat im Juni 1941 nach Berlin: "Die Verwaltung der Ford-Werke AG ist deutsch und immer deutsch gewesen. Ständig in Deutschland anwesende amerikanische Aufsichtsmitglieder oder sonstige kontrollierende oder mitbestimmende amerikanische Vertreter der amerikanischen Muttergesellschaft sind in Deutschland nicht vorhanden und nie vorhanden gewesen."

Nachdem im Dezember 1941 Amerika in den Krieg eingetreten war, schlug der Kölner Gauwirtschaftsberater, Kurt Freiher von Schröder, in einem Schreiben an die Kanzlei des Führers vor, den amtierenden Vorstandsvorsitzenden Schmidt als Verwalter einzusetzen. Zur Begründung führte er im Februar 1942 aus: "Unter allen Umständen muss ich aber im Interesse der deutschen Aktionäre wie auch im Interesse einer ungestörten Fortentwicklung dieser heute schon als deutsch anzusehenden Betriebe es ablehnen, dass dort ein fremder Verwalter hineingesetzt wird...".

II. 50 Prozent ZwangsarbeiterInnen

Vor fast zehn Jahren, im November 1986, widmete die Stadt-Revue dem Thema Zwangsarbeit in Köln die Titelgeschichte. Erstmalig dokumentierte dort die Gruppe "Zwangsarbeiterinitiative" die Tatsache, dass auch Ford mit den Nazis Geschäfte gemacht und mehrere tausend Zwangsarbeiter beschäftigt hatte.

Damals sah man bei Ford keinen Anlass, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Abweisend und zugeknöpft blieb der Konzern auch, als die seit Ende der 80er Jahre aktive "Projektgruppe Messelager" sich an Ford wandte. Weder wollte man zu der Frage von Entschädigungszahlungen Stellung beziehen, noch ehemalige Zwangsarbeiter zu einer Besichtigung ins Werk lassen.

Wenn nun im September das von der Projektgruppe institutionalisierte städtische Besuchsprogramm für ehemalige Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge stattfindet, wird dieses Thema erneut auf die Tagesordnung kommen. Denn unter den eingeladenen Gästen aus den GUS-Ländern und Polen befinden sich acht Männer und Frauen, die während der Nazi-Zeit bei Ford arbeiten mussten.

Ihr Besuch in Köln ist umso wichtiger, als trotz einiger Bemühungen sowohl in der "Projektgruppe" als auch im städtischen NS-Dokumentationszentrum das Wissen um die Lager bei Ford bis heute immer noch relativ gering ist. Wenig dazu beigetragen haben bislang diejenigen, die es eigentlich genau hätten wissen müssen.

So gaben bei einer ersten Umfrage im Jahre 1949 die zu den Kriegsgefangenen-, Zwangsarbeiter- und KZ-Häftlingslagern befragten Kölner Polizeidienststellen durchweg an, dass man über die Bewachungsmannschaften nichts wisse. Auch die Zahlen waren deutlich geschönt. Aufschluss über den tatsächlichen Umfang von Zwangsarbeit bei Ford geben einige Beiratsprotokolle.

So heisst es im August 1942: "Das Kriegsprogramm betrug bisher rund 4.000 Einheiten im Quartal. Nach Anordnung der zuständigen Behörden soll die Leistung auf rund 7.000 Einheiten im Quartal gesteigert werden. Dies bedingt eine noch stärkere Einstellung von Gefangenen, insbesondere Russen, die zur Zeit schon annähernd 1/4 der Belegschaft (das sind etwa 1.000) ausmachen."

Die Lücken, die durch Einberufungen zur Wehrmacht im Betrieb entstanden, wurden mehr und mehr durch Zwangsarbeiter, insbesondere Frauen, geschlossen. Im Juli 1943 ist im Beiratsprotokoll dazu vermerkt: "Über die Arbeiterfrage fand eine eingehende Aussprache statt, an der sich insbesondere auch Herr Professor Krauch beteiligte. Herr Schmidt teilte mit, dass jetzt etwa 50% Ausländer beschäftigt würden und von diesen etwa 1200 Russen und Russinnen, hauptsächlich die letzteren."

Damit befanden sich bei rund 5.000 Beschäftigten im Juli 1943 2.500 ausländische ZwangsarbeiterInnen in den Ford-Werken. Untergebracht wurden sie in einem Barackenlager, das sich in unmittelbarer Nähe zum Firmengelände befand und das grösste Zwangsarbeiterlager in Köln gewesen sein dürfte. Über die Zustände in dem Lager und über die Arbeitsbedingungen können einige erhalten gebliebene Quellen und vor allem die Berichte der ehemaligen ZwangsarbeiterInnen Aufschluss geben. Viele waren noch Jugendliche, als sie aus ihrer Heimat nach Köln verschleppt wurden.

Nadja Schubrawa beispielsweise, die im September nach Köln kommen wird, wurde als siebzehnjährige aus der Ukraine verschleppt. Bei den Ford-Werken setzte sie Frontscheiben am Fliessband ein. Wegen einer heimlich versteckten Rübe, so schreibt sie in ihrem ersten Brief, sperrte man sie in das Gefängnis, das sich im russischen Teil des Lagers befand.

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Bild: Ford-Werk in Köln-Niehl, Rheinbefliegung der Alliierten 1953. / Bundesarchiv, Bild 195-0811 (CC BY-SA 3.0 cropped)

Mehrere Verhaftungen von "Ostarbeitern" bei Ford durch die Gestapo sind bekannt. Auch ist bekannt, dass der Werkschutz von Ford Zwangsarbeiter an die Gestapo auslieferte, wenn sie in Verdacht des Plünderns standen. Zwangsarbeiter, die eine Flucht versucht hatten und wieder aufgegriffen wurden, kamen in Arbeitserziehungslager oder Konzentrationslager.

Seit August 1944 unterhielt Ford neben dem Kriegsgefangenen und Ostarbeitslager ein eigenes Kommando des Konzentrationslagers Buchenwald. Das KZ-Kommando "Köln-Ford" kam am 12. August mit 50 Häftlingen und einer SS-Bewachung von 16 Mann an und wurde in einer Baracke in der Nähe des Werkes untergebracht.

Für die Häftlinge bezahlte Ford pro Tag 6 Reichsmark bei Facharbeitern und 4 Reichsmark bei Hilfsarbeitern an die SS. Maria Gazinski, der als KZ-Häftling bei Ford war und über diese Zeit während eines Besuches in Köln im Jahre 1989 berichtete, behielt als besonders schlimm die Ernährung in Erinnerung. Morgens gab es Kaffee und 200 Gramm Brot, abends Spinat und drei Kartoffeln oder eine Suppe aus Weissrübenblättern. Während der fünfzehnminütigen Mittagspause gab es kein Essen.

Wer krank wurde und damit nicht mehr zur Arbeit einsetzbar war, wurde nach Buchenwald zurückgeschickt und durch einen anderen Häftling ausgetauscht. Die SS führte ein strenges Regiment, doch Herrn Gazinski überlebte, weil er bereits langjährige Lagererfahrung hatte: "Wir haben uns immer korrekt verhalten, weil wir diese Disziplin hatten. Wir wussten, dass man das Leben für Kleinigkeiten verlieren kann...". Auf dem Westfriedhof sind mehrere im Lager der Ford-Werke gestorbene Menschen beerdigt.

Unter ihnen befinden sich auch drei wenige Monate alte Säuglinge. Ende Februar 1945 musste auch Ford die Produktion einstellen und die meisten Zwangsarbeiter wurden auf die rechte Rheinseite gebracht. Das KZ-Kommando kehrte am 27. Februar wegen Feindnähe nach Buchenwald zurück. Im Werl verblieben noch 290 ZwangsarbeiterInnen, die am 22. März 1945 von der Militärregierung in einem Lager für "Displaced Persons" untergebracht wurden.

III. Excellent condition

"Immer auf der Seite der Sieger" - so betitelten Reinhard Billstein und Eberhard Illner in dem Buch "You are now in Cologne. Compliments" den Abschnitt über Ford. Damit ist nicht nur die Tatsache treffend beschrieben, dass der Vorstandvorsitzende Robert H. Schmidt von der amerikanischen Militärverwaltung wenige Tage nach der Einnahme von Köln zum Treuhänder von Ford bestellt wurde.

Als die amerikanischen Truppen in Köln einrückten, fanden sie die Ford-Werke nahezu unzerstört vor: "The plant was undamaged by bombs or shell fire and is in excellent condition". Obwohl schon früh beim US Strategic Bombing Survey die Bedeutung der Kölner Ford-Werke für die deutsche Wehrmacht bekannt war, fanden erst am 15. und 18. Oktober 1944 Bombenangriffe auf das Werk statt.

Bei den "Präzisionsangriffen" trafen die 85 eingesetzten Bomber jedoch nicht die Werksanlagen, sondern das Zwangsarbeiterlager. Das Zielgebiet, so hiess es später offiziell dazu, sei fehlerhaft markiert gewesen. Francizek Wojcikowski, der als KZ-Häftling die Bombardierung erlebte, berichtete dagegen, dass die Flugzeuge sehr tief flogen und seiner Meinung nach das Werk nicht treffen wollten.

Nenneswerte Zerstörungen fanden erst durch deutschen Artilleriebeschuss von der rechten Rheinseite, der bis in den April hinein erfolgte und die amerikanischen Truppen aufhalten sollte, statt.

Doch die Werksleitung hatte schon vor dem Einrücken der Amerikaner einen Grossteil der Anlagen ausgelagert. An dem Tag, an dem Europa von den Nationalsozialisten befreit wurde, konnte der erste Lastwagen bei Ford vom Band rollen. Das Werk hatte den Krieg unbeschadet, seine Manager die Unterstützung der Nazis ungestraft überstanden.

ub