Flugblatt Mensch Müller

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17. September 1999

mensch müller an einem Sonntag morgen, irgendwo in der schweiz. möglicherweise in der nähe einer zu reichen stadt. die vögel zwitschern, die sonne scheint, es sieht so aus, als sei die verdiente wochenendruhe eingekehrt.

Kontroll Panel. 大蔵
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Kontroll Panel. 大蔵 Foto: Kontroll Panel. 大蔵 (PD)

17. September 1999
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Zuerst führt der spaziergang zwischen weissen fassaden von mehrfamilienhäusern, gepflegten gärten und wehenden schweizerfahnen hindurch. gedankenlos erreicht mensch müller das ende der strasse... plötzlich erblickt mensch müller an der südseite einer kleinen baracke eine teilweise verkohlte hauswand.

mensch müller hat dieses gebäude noch nie gesehen, obwohl er schon einige Jahrzehnte in der gegend wohnt. empört über die bewohnerinnen, da sie dem haus keine sorge tragen, biegt mensch müller wetternd in die nächste strasse ein.

scheinbar aber blieb sein gemotze nicht ungehört, denn eine stimme hinter ihm fragt: "kannst du denn nicht weiter denken?"

mensch müller dreht sich um, sucht nach der person, die ihn angesprochen hat, und findet niemanden. die stimme erneut:"ja dich habe ich gemeint!" mensch müller stellt nun fest, dass die verkohlte wand zu ihm spricht. die wand: "was motzt du über meine bewohnerinnen? ist ja offensichtlich, dass nicht sie mich angezündet haben. mensch, müller, das war ein gezielter angriff!" mensch müller: "ein gezielter angriff auf eine wand?" die wand: "die molotow-cocktails galten ja nicht mir, dass ziel waren meine bewohnerinnen. denn diese sind asylsuchende, und die die geworfen haben, sind faschisten."

mensch müller geht weiter. erschöpft von den anstrengenden gedankengängen beschliesst mensch müller den bus für die heimreise zu nehmen. platz genommen in einem viererabteil, setzt sich eine person mensch müller gegenüber hin.

kein mensch ist illegal! dieser spruch sticht mensch müller entgegen vom t-shirt der person.

essen ist nichts wert, wenn es um den bau staudammes, land für grosskonzerne oder sonstige wirtschaftinteressen geht." mensch müller: "und was hat das mit der schweiz zu tun?"

t-shirt: "zum einen gibt es schweizerische grosskonzerne, welche menschen von ihrem land zum anderen hat die schweiz eine die unter dem vorwand der entwickgewinnmaximierung betreibt. lieber zwanzigtausend kurden (gruss an die türkei: es gibt sie doch?) vertreiben, als ein paar tausend franken weniger für die aktionäre." mensch müller: "aber genau darum brauchen wir auch politiker wie christoph blocher, die für den mittelstand einstehen."

t-shirt: "ist ja lächerlich, als würde blocher gegen sich selbst arbeiten" mensch müller, bei seiner station angelangt, steigt aus. das t-shirt blieb zwangsweise zurück.

zuhause angekommen erschrickt mensch müller, denn jemand hat die graue fassade seines hauses bunter gemacht. da steht: faschos vertreiben, flüchtlinge bleiben!

mensch müller: "wenn ich dieses schwein erwische..."graffiti: "fragt sich, wer das grössere schwein ist!" mensch müller: "mach du nur deine dummen witze über mich, denn bald genug wirst du von hier verschwinden!"

graffiti: "Oh, mir macht das nicht viel aus. ich bin unsterblich solange es noch spraydosen gibt. aber apropos verschwinden, ja flüchtlinge verschwinden auch ganz plötzlich, wenn sie abgeschoben werden.man hört nichts mehr von ihnen und vergisst sie am liebsten ganz, ganz schnell. wenn ihr das, was euch nicht passe, nicht immer wegwischen könntet, müsstet ihr euch damit auseinandersetzen, und das wollt ihr ja nicht.

mensch müller: "was weisst du schon vom leben. die schweiz hat immer sehr viele flüchtlinge aufgenommen, viel mehr als andere länder." graffiti: "ja die schweiz hat liebend gerne flüchtlinge mit geld oder gutem ruf angenommen, flüchtlinge als image-pflege, doch darüber ging's nie hinaus." mensch müller: "ach, das einzige was ihr könnt, ist unser schönes heimatland schlecht zu malen." mensch müller wendet sich ab und will zur haustüre eintreten. mensch müller blickt sich um, sieht voller stolz im nachbarsgarten eine wehende schweizerfahne.

doch plötzlich sieht mensch müller in dem kreuz ein hakenkreuz. ein kurzes blinzeln, und alles ist wieder beim alten. ein "uff" ausstossend betritt mensch müller sein trautes heim.

wir wollen und können nicht so leben wie ihr. euer ewiges verdrängen
und vergessen, euer ewiges zusehen wie andere zugrunde gehen. darum soll für uns selbstverständlich werden, was für euch nur leere worthülsen sind...... solidarität, nächstenliebe und aufopferung für dritte! die schweiz - eine gesellschaft mit rückgrat?

Aktion Funke