Ein Plädoyer Der Moloch I

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12. März 1999

Der Kapitalismus, sozusagen der Wettbewerb oder der Moloch, wie du auch immer willst, ist ein grosses Medienereignis. Aber in einem weitaus primitiveren, profunderen, allgemeineren Sinn, als du dir das vorstellen könntest.

Grenzzaun zwischen den USA und Mexiko in der Nähe von El Paso.
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Grenzzaun zwischen den USA und Mexiko in der Nähe von El Paso. Foto: Phil Gingrey (PD)

12. März 1999
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Es wird von den Medien gemacht, denn ohne die Medien wüssten die Leute gar nicht, dass es da ist; keiner würde hingucken oder sich einen Scheiss darum kümmern. Aber sie haben es geschafft, es mit Hilfe der Medien zu einer derartigen Attraktion aufzubauschen. Es erzeugt eine Menge Informationsfluss - Filme, Nachrichtensendungen und all das... Sie erzeugen also ihr eigenes Medienereignis, damit sie eine Menge Kohle durch den Informationsfluss verdienen können. Aber nur teilweise. Selbstverständlich ist das eine extrem grobe und hölzerne Erklärung.

Eigentlich geht es viel tiefer. Du hast bestimmt schon von der Formulierung gehört, dass sich die Industrie von der Biomasse ernährt wie ein Wal, der Plankton aus dem Meer fischt. Irgendein Spinner hat diese Wörter mal ausgespuckt. Ich habe diese Gedanken weitergeführt und in anderen Wörter geben ich diese nun wieder.

Weisst du, ich denke, dass solch geflügelte Worte sich wie brandgefährliche Viren von einer Person zur nächsten verbreitet. Es handelt sich um Daten und Informationen.

Aber schweifen wir nicht ab. Eine der Funktionen des Moloch besteht darin, mehr Biomasse zu bringen. Europa und die USA zu ernähren/erneuern. Die meisten Länder sind stabil und müssen nur zusehen, dass weitere Babys gemacht werden.

Aber die EU und die USA sind wie zwei grosse, alte, scheppernde, rauchende Maschinen, die einfach über die Landschaft walzen und alles aufsaugen und verschlingen, was ihnen in den Weg gerät. Hinterlassen eine gewaltige Müllspur, zwölf Kilometer breit. Und sie brauchen immer mehr Treibstoff.

Ja genau, wie damals bei den Griechen auf Kreta, vor langer Zeit, wie eine Geschichte erzählt. Jedes Jahr mussten die Griechen ein paar Kinder auftreiben und als Tribut aufs Festland schicken. Der König schickte die Kinder ins Labyrinth und ein gemeiner Dinosaurier frass sie allesamt auf.

Ich meine so läuft's doch eigentlich immer. Die EU muss doch für den Rest der Welt aussehen wie ein riesiger gefrässiger Drache. Nur ist natürlich kein Zwang im Spiel. Diese Menschen geben ihre Kinder freiwillig her.

Sie alle schicken ihre Kinder in die Schule, fordern sie auf Monopoly zu spielen. Und dann werden sie aufgefressen. Die Industrie ernährt sich von ihnen und speit Bilder zurück, Filme und Fernsehsendungen über tausende von Kanälen überall auf der Welt, Bilder von Wohlstand und exotischen Dingen, die du dir niemals kaufen kannst. Und dann haben wir alle etwas, wovon wir träumen müssen, wonach wir streben sollen. Und das ist eine der Funktionen des Moloch. Er ist nicht mehr und nicht weniger als ein riesieger alter Pottwal.

Eine beschissene und primitive Realität. Es wird nicht wirklich jemand gefressen. Das sind doch alles nur leere Worthülsen. Wir werden abgeholt, aufgelistet, abgezählt, durchnummeriert und katalogisiert. Dann erhalten wir anständige Jobs, finden zu Gott, kaufen einen Kugel-Grill, werfen ein paar Pillen ein und leben glücklich bis ans Ende unserer Tage. Was soll daran nicht in Ordnung sein?

ub