Der heilige Geist gibt den Geist auf Portugal macht wieder von sich reden

Wirtschaft

„Die portugiesische Regierung erwägt Insidern zufolge, der angeschlagenen Banco Espirito Santo (BES) mit Steuergeld unter die Armee zu greifen. … Der Verlust der grössten an der Börse notierten portugiesischen Bank belief sich in den sechs Monaten auf 3,6 Milliarden Euro. Damit wurden alle Kapitalpuffer vernichtet, die Kernkapitalquote fiel unter den von der Notenbank vorgeschrieben Wert. … Am Mittwoch hatte die Bank für das erste Halbjahr den grössten Verlust verkündet, den jemals ein portugiesisches Bankhaus verzeichnet hatte.“ (Handelsblatt, 1.8.)

Filiale der Banco Espírito Santo (BES) an der Rua Augusta in Lissabon.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Filiale der Banco Espírito Santo (BES) an der Rua Augusta in Lissabon. Foto: Romazur (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

10. August 2014
0
0
5 min.
Drucken
Korrektur
Wie konnte es dazu kommen? Die Bank und Holding Espirito Santo – die Familie heisst wirklich so! – war einer der grossen Gewinner des Estado Novo Salazars. In der Interessensverflechtung von Staat und Wirtschaft dominierte das Unternehmen den Handel mit den Kolonien, die Lebensmittelindustrie, Handel und Versicherungswesen. Das ganze Firmenkonglomerat rund um die Bank war eine der Säulen, auf der der Estado Novo beruhte. Nach der Revolution von 1974 wurde ihre Stellung für die neue Regierung untragbar. Die Bank wurde verstaatlicht, der Geschäftsführer vor Gericht gestellt. Das Imperium wurde zerschlagen, die Unternehmerfamilie verliess das Land.

Dergleichen Schritte der portugiesischen Regierung waren nicht, oder nicht ausschliesslich ideologisch begründet oder inneren Machtkämpfen geschuldet. Dergleichen Staaten innerhalb des Staates, Monopolkapitale waren mit der angestrebten EG-Integration unvereinbar, wie auch die Jahre später in Spanien verfügte Auflösung und Teilverstaatlichung der Rumasa-Holding zeigt.

Die Familie Espirito Santo begann, mittels ihrer im Ausland verbliebenen Assets ein neues Imperium aufzubauen. Es kam zu einer Firmengründung in Luxemburg, dem Kauf von Banken in Florida, London und Paris. Als die portugiesische Regierung unter dem derzeitigen Präsidenten und damaligen Premierminister Cavaco Silva ab 1985 eine umfangreiche Re-Privatisierung einleitete, nahm die Familie Espirito Santo die Chance wahr, sich wieder in Portugal einzunisten. Ihre strategischen Partner dabei waren Credit Agricole und Chase Manhattan.

Nach ihrer Neustrukturierung in Portugal wurde die Bank BES (Banco Espirito Santo) zum Pionier des Hypothekarkredits, der Kreditkarten und des Leasing. Sie galt als effizienteste portugiesische Bank und unternahm 1993 einen erfolgreichen Börsengang in New York. Mit der EU-Integration, der Liberalisierung des Kreditwesens und der Einführung des Euro expandierte die Bank weiter. Als besonderer Wachstumsmarkt galt ihr Angola, das vor ungefähr einem Jahrzehnt aufgrund seiner Rohstoffe ein Hoffnungsmarkt für Spekulationen aller Art wurde, die zu einem guten Teil über die BES abgewickelt wurden.

Von der Krise 2008 wurde die BES natürlich auch betroffen. Sie reagierte mit Kapitalaufstockungen und Wertpapieremissionen. Staatliche Hilfe lehnte sie ab, weil sie dann behördlichen Prüfern Einsicht in ihre Bilanzen hätte gewähren müssen. 2011 war die BES eine der drei portugiesischen Banken, die sich weigerten, weiter Staatsanleihen aufzukaufen und damit die portugiesische Regierung nötigten, bei der EU um Kreditstützung, irreführenderweise „Rettungsschirm“ genannt, anzusuchen.

Es ist lustigerweise, oder vielleicht notwendigerweise gerade die in den Zeitungen vielbejubelte „Erholung“ Portugals, die offizielle Beendigung der Kreditstützung im Mai dieses Jahres, die die BES-Holding in Schwierigkeiten brachten. Auf einmal richtete sich der Blick des internationalen Finanzkapitals wieder auf Portugal, und es stellte sich heraus, dass viele der Kapitalaufstockungen der BES den Vorschriften der Finanzbranche widersprochen hatten.

Bereits 2013 hatte sich herausgestellt, dass ihre Tochterbank in Angola ein paar Milliarden Euro in den Sand gesetzt hatte. Der angolesische Kreditsektor konnte nur durch Garantien des Staates aufrechterhalten werden. Eine Verstaatlichung der angolesischen Tochterbank steht ins Haus.

Zu den Institutionen, die der BES in den letzten Jahren unter die Arme gegriffen haben, gehört die portugiesische Telefongesellschaft, die BES-Anleihen in der Höhe von 900 Millionen Euro gekauft hat. Ausserdem wurden in den vergangenen Jahren alle möglichen Schulden so „bewältigt“, dass Tochterunternehmen die Bank oder die Bank die Tochterunternehmen kreditierte. In diesem Hin- und Herschieben von Schuldtiteln und teilweise obskuren, halb geheimen Wertpapierausgaben sind ein paar Milliarden an Schulden aufgelaufen. Man vermutet, dass die derzeit offiziell gewordenen 3,6 Milliarden nur die Spitze des Eisbergs sind.

Die blöde Agenturmeldung (das HB schreibt auch nur mehr von Agenturen ab), dass die portugiesische Regierung erwägt, der Bank „mit Steuergeld unter die Armee zu greifen“, hats auch in sich. Die BES könnte Portugal in diesem Falle ein zweites Mal in die Zahlungsunfähigkeit schicken. Schon jetzt gehen die Zinsen für portugiesische Anleihen wieder in die Höhe. Die Einrichtung einer Bad Bank wird erwogen – auch die würde den portugiesischen Staatskredit belasten.

Die BES ist ein integraler Teil des portugiesischen Unternehmens-Panoramas. Viele Unternehmen sind entweder Schuldner der Bank oder Gläubiger eines ihrer Tochter-Unternehmen. Schon aus nationalem Interesse kann sich Portugal nicht leisten, die Bank pleite gehen zu lassen.

Auch die internationalen Verflechtungen haben es in sich. London, Paris und New York spüren die Beben, die derzeit von Portugal ausgehen, schon allein wegen der zahlreichen Beteiligungen, die entweder BES bei ausländischen Banken, oder diese bei der BES haben. Es ist ja ausserdem nicht so, dass die Praktiken und die Situation der BES so ein Ausnahmefall in der EU wären. Jede Menge andere Banken ist in ähnlicher Lage – ein kleiner Vertrauensverlust, zu genaues Nachschauen durch einen Prüfer, und schon kann das Ding kippen.

Vermutlich ist wieder einmal de EZB aufgerufen, hier irgendwie Geld und Garantien zu liefern – also den Euro-Kredit mit weiteren entwerteten Schuldtiteln zu belasten.

Vor zwei Monaten freuten sich alle: Portugal generiert Wachstum, die Arbeitslosenrate wurde auf 15% (!) reduziert, es geht bergauf! Aus der Traum, und die Propagandaabteilung der EU tut sich derzeit schwer.

Amelie Lanier