Glencore macht Kinder krank und hält Medien fern Glencores Hinterhof

Wirtschaft

Das Fernsehen hatte ein skandalöses Gebaren des Zuger Rohstoffkonzerns in Afrika aufgedeckt. Doch die Schweizer Presse schwieg.

Erzmühlen von Glencore in der Aufbereitungsanlage des Kupferbergwerks Mopani in Mufulira, Sambia.
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Erzmühlen von Glencore in der Aufbereitungsanlage des Kupferbergwerks Mopani in Mufulira, Sambia. Foto: photosmith2011 (CC BY-SA 2.0 cropped)

14. November 2013
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Das Schweizer Fernsehen hatte Mitte Oktober vor Ort in Afrika den Skandal eines Schweizer Konzerns aufgedeckt («Glencores Hinterhof»). Keine einzige Schweizer Zeitung hat das Thema bis heute aufgenommen. Infosperber fasst die wichtigsten Fakten zusammen und empfiehlt, den Reporter-Beitrag selber anzusehen.

Fakten aus dem Film von SRF-Reporter Res Gehriger vor Ort

Mufulira (=«Ort des Reichtums») ist eine Stadt in Sambia. Nirgendwo sonst in Afrika wird so viel Kupfer gefördert wie dort. Nach Schätzung der Weltbank bläst Glencores Kupferhütte jährlich zehnmal mehr Schwefeldioxid in die Umwelt wie die gesamte Schweiz: 140'000 Tonnen im Jahr. In nächster Nachbarschaft zur Kupferhütte, im Minenquartier von Mufulira, wohnen 30'000 Menschen. Die Arbeitersiedlung ist das Armenhaus der Stadt mit Kriminalität, Aids, Arbeitslosigkeit und Kinderarbeit. Viele Familien können sich das Schulgeld nicht leisten. Häuser drohen einzustürzen. Die Abgase der Kupferhütte zerfressen das Wellblech der Dächer. In der Regenzeit trägt feuchte Luft sauren Regen mit beissendem Gestank durchs Quartier.

Kinder und Erwachsene sind dem Schwefeldioxid und dem sauren Regen schutzlos ausgeliefert. «Das Asthma wird immer schlimmer, wenn Abgase in der Luft sind», erklärte Makasa Sichela, Chefarzt des öffentlichen Spitals. «Wir sehen Neugeborene und Kinder unter fünf Jahren, die mit Brustkorb-Infektionen und Atemnot zu uns kommen.» Für den Mediziner ist ein direkter Zusammenhang zwischen Fabrikabgasen und Erkrankungen gegeben. Der Schweizer Rohstoffkonzern bezeichnet Vorwürfe betreffend Gesundheitsschäden durch die Fabrikabgase in Mufulira einfach pauschal als «nicht fundiert».

Der in Zug domizilierte Rohstoffkonzern Glencore hat dem Schweizer Fernsehen verboten, auf dem Gelände der Kupferminen zu filmen, ja es auch nur zu betreten. Auch Interviews wollten die Glencore-Verantwortlichen weder in Sambia noch in Zug geben. Dafür lud Glencore den Fernseh-Roporter ein, in einem gesponsertes Vorzeige-Privatspital und einer gesponserten Vorzeige-Schulen in Sambia zu filmen – jedoch ohne Fragen zu stellen. Verhältnisse wie früher in der DDR. Das Spital , das Glencore dem SRF-Reporter als Beispiel für das gemeinnützige Engagement des Konzerns verkaufen wollte, entpuppte sich als eine Firmenklinik, die hohe Gebühren verlangt, die für den Grossteil der Bevölkerung unerschwinglich sind.

Der Börsengang von Glencore im 2011 hat eine Reihe von Glencore-Managern zu Multmilliardären gemacht. Als Glencore die Mopani-Kupfermine dem sambischen Staat abkaufte, lag der Kupferpreis unter 2.000 Dollar pro Tonne. Unterdessen ist er auf mehr als 8.000 Dollar gestiegen.

Von diesem Manna haben die schwarzen Einwohner des «Orts des Reichtums» nichts gespürt. Auch die Versprechen von Glencore, den Ausstoss von Schwefeldioxid zu reduzieren, hat der Konzern bis heute nicht erfüllt. Ein neuer Schmelzofen reduziert zwar die Schwefeldioxid-Abgase pro Tonne Kupfer um rund die Hälfte. Doch kann der Ofen dreimal so viel Kupfer verarbeiten wie der alte. Jedenfalls beteuerten Listar Nakasula, Sozialarbeiterin in Mufulira, sowie der Mopani-Angestellte Henry Katebe übereinstimmend, die Abgase hätten gegenüber früher sogar zugenommen.

Zusammen mit dem Xstrata-Schmelzofen hat Glencore eine Säurefabrik erstellt, welche einen Teil der SO2-Abgase in Schwefelsäure, H2SO4, umwandelt. Die Mopani-Mine verwendet diese Schwefelsäure in Mufulira für die sogenannte Haufenlaugung. Dabei wird Kupfererz über einer Plastikfolie zu einem Haufen augeschüttet und dann mit grossen Mengen Schwefelsäure besprüht, um das Kupfer herauszulösen. Diese Methode praktiziert Glencore in Mufulira in unmittelbarer Nähe eines Wohnquartiers.

Wie der Direktor der sambischen Umweltbehörde ZEMA, Jospeh Sakala, gegenüber dem SRF-Reporter erklärte, hat die Haufenlaugung dazu geführt, dass ein benachbartes Quartier saurem Nebel ausgesetzt war, was zu verschiedenen Gesundheitschäden (korrodierte Zähne, Atembeschwerden, Husten, AUgenentzündungen) führte: «Wir gingen hin, haben das verifiziert und festgestellt, dass die Klagen der Anwohner begründet waren.» Zema schloss die Anlage dieses Frühjahr (2012) vorübergehend, was für eine afrikanische Umweltbehörde ein sehr mutiges Vorgehen war.

Letzten Herbst arbeiteten 8500 Personen in der Kupfermine von Mufulira. Die Hälfte sind von der Glencore-Tochter Mopani angestellt, zu einem für die Gegend überdurchschnittlichen Mindestlohn von 500 Dollar im Monat. Die andere Hälfte der Arbeiter aber arbeiten für dritte Vertragsfirmen von Mopani zu viel tieferen Löhnen und unter schlechteren Sozialleistungen.

«Ich glaube nicht, dass die Einwohner irgendwo in Europa solche Zustände akzeptieren würden», erklärte der Chefarzt des öffentlichen Spitals. «Wenn etwas für Europa gut ist – weshalb ist es denn nicht auch gut für Afrika?» In Mufulira werden die Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation WHO um bis zu hundert Prozent überschritten, heisst es in einem Bericht der Weltbank. Diese Daten im Bericht der Weltbank wurden von Glencores Mopani-Mine selbst erhoben. Sie gelangten über die sambische Umweltbehörde an die Weltbank. Diese konzerneigenen Daten sind gemäss einem Glencore-Sprecher aber «nicht aussagekräftig, weil sie auf beschränktem Datenmaterial beruhen» würden. Glencore selbst weigert sich jedoch, Messdaten zu veröffentlichen. Unabhängige Dritte lässt der Konzern ohnehin nicht messen.

2012 gab Glencore in Baar ZG bekannt, ihre Tochtergesellschaft in Sambia habe im 2011 einen Umsatz von 1,2 Milliarden Dollar und einen Vorsteuer-Gewinn von 200 Millionen Dollar erzielt.

Glencore in Baar lässt ausrichten, der Konzern sei ein wichtiger Investor und Arbeitgeber in Entwicklungsländern. Nachhaltiges Handeln sei seine Maxime.

R.L. / Infosperber