Über Solar-Innovationen und Markthürden Autos made in Africa

Wirtschaft

Unbemerkt von der europäischen Öffentlichkeit gingen vor kurzem zwei Nachrichten durch afrikanische Medien: Ein ugandisches Unternehmen hat den ersten Solar-betriebenen Bus des Kontinents gebaut sowie ein Hybrid-Auto vorgestellt, das 2018 auf den Markt kommen soll.

Eingang zum Campus der Makerere Universität in Ugandas Hauptstadt Kampala. Hier werden Hybrid– und Solar-Modelle entwickelt.
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Eingang zum Campus der Makerere Universität in Ugandas Hauptstadt Kampala. Hier werden Hybrid– und Solar-Modelle entwickelt. Foto: Vebjorl (CC BY-SA 4.0 cropped)

7. Juni 2016
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Und fast zeitgleich startet ein ghanaischer Anbieter den Verkauf im Land produzierter Geländewagen und Pick-Ups. Schon seit zwei Jahren macht in Kenia ein Hersteller lokal produzierter Geländewagen von sich reden. Stellen diese Projekte das Aufkommen einer Autoindustrie in afrikanischen Staaten dar oder sind sie zu ambitioniert und die Hürden für einen Erfolg zu hoch?

Drei Unternehmen – drei Strategien

Interessanterweise sind die drei Auto-Unternehmen sehr unterschiedlicher Natur. Das ugandische Projekt fokussiert auf den Bau von Hybrid– und Solar-Modellen. Diese technisch anspruchsvollen Autos wurden in einem Projekt der ugandischen Makerere Universität von StudentInnen entwickelt und zeigen das Potenzial afrikanischer Universitäten. Die Autos sollen von einem Staatsunternehmen namens Kiira Motors produziert werden. Der ugandische Staat investierte dabei schon über 70 Millionen US-Dollar.

Die ghanaischen und kenianischen Autos hingegen gehen auf private Investitionen zurück und haben bisher wenig staatliche Unterstützung erfahren. Auch produzieren der ghanaische (Kantanka Cars) und der kenianische Hersteller (Mobius) zunächst keine Elektro- oder Hybrid-Autos, sondern solche mit normalen Antrieben. Mobius konzentriert sich sogar ausschliesslich auf den Bau eines kostengünstigen Geländewagens, der preislich mit 8-jährigen Gebrauchtwagen mithalten soll. Er ist dabei auf das Notwendigste reduziert und auf die oft schlechte Strasseninfrastruktur in vielen afrikanischen Ländern zugeschnitten.

Mobius versucht also nicht, internationale Hersteller zu kopieren. Stattdessen baut das Unternehmen ein Auto, das mit seinem (relativ) günstigen Preis, seiner hohen Geländegängigkeit und seiner einfachen Reparierbarkeit auf den afrikanischen Markt und die in ländlichen Gebieten oft „holprige“ Infrastruktur zugeschnitten ist. Doch warum bemühen sich die drei Länder um eine nationale Autoproduktion?

Autoproduktion schafft Arbeitsplätze und lokale Wertschöpfung

Der Aufbau einer nationalen Autoindustrie kann eine Vielzahl positiver Effekte haben. Die Produktion von Autos kann sichere Arbeitsplätze schaffen, die einen wichtigen Weg aus der Armut darstellen. Darüber hinaus ist die Autoproduktion mit vielen weiteren Industriezweigen verknüpft – beispielsweise der Produktion der Autoscheiben, der Sitze oder technischer Bestandteile wie der eingebauten Elektronik oder des Motors. Dadurch bestände die Aussicht, dass sich mittelfristig Produzenten für solche Bestandteile in den drei Ländern ansiedeln. Der Bau der einzelnen Komponenten würde noch mehr Arbeitsplätze schaffen. Somit käme es zu einem Anstieg der Wertschöpfung im Land. Um diese positiven Effekte jedoch realisieren zu können, müssen die Autos wettbewerbsfähig produziert werden. Sie müssen zu einem Preis angefertigt werden, der nicht über dem von importierten Autos liegt.

Bisher geringe Wertschöpfung im Land und alles in Handarbeit

Allen drei Herstellern ist jedoch gemein, dass aktuell nur ein geringer Teil der Wertschöpfung im Land stattfindet. Sowohl in Ghana als auch in Uganda werden viele der Einzelteile importiert und dann als fertiges Auto verkauft. Während der kenianische Hersteller Mobius von den drei Unternehmen noch am meisten Einzelteile im Land kauft, beträgt die lokale Wertschöpfung auch bei Mobius nur 35% der Gesamtkosten des Autos (1). Auch werden die Autos in allen drei Ländern in Handarbeit hergestellt. Bisher gibt es kaum automatisierte Arbeitsabläufe. Der geringe Anteil an lokaler Wettschöpfung und der Mangel an automatisierten Arbeitsabläufen belegen, dass die drei Hersteller noch vor hohen Hürden stehen.

Handarbeit, geringe Nachfrage, unzuverlässige Stromversorgung – das Problem der Wettbewerbsfähigkeit

Die Herstellung von Autos in Handarbeit stellt einen gravierenden Wettbewerbsnachteil dar. In der Zeit, in der ghanaische oder kenianische Mechaniker ein Auto in Handarbeit herstellen, fertigen ihre Konkurrenten aus Japan oder Südkorea dutzende, wenn nicht hunderte Autos. Gleichzeitig besteht in afrikanischen Ländern eine geringe Nachfrage nach Neuwagen und ein geringes Vertrauen in afrikanische Industriegüter. Es steht also in Frage, ob die Nachfrage ausreicht, so dass die drei genannten Produzenten überhaupt wettbewerbsfähig produzieren können, selbst wenn sie dazulernen und in eine industrielle Produktion investieren.

Ein drittes Problem stellt die unzuverlässige Stromversorgung dar. Sowohl in Uganda, als auch in Kenia und vor allem in Ghana liegen die betriebswirtschaftlichen Verluste durch Stromausfälle weit über dem weltweiten Durchschnitt. Selbst wenn sich die drei Auto-Unternehmen Generatoren zum Antrieb von automatisierten Produktionsprozessen leisten können, stellen diese Generatoren zusätzliche Kosten dar, die westliche oder fernöstliche Konkurrenten nicht zu tragen haben.

Staatliche Unterstützung notwendig, um gegen Toyota und Co zu bestehen

So positiv die Nachrichten über afrikanische Auto-Produzenten auf den ersten Blick klingen mögen, so hoch sind auch die Hürden für einen dauerhaften Erfolg. Um sich am Markt etablieren zu können, bedürfen die drei Hersteller staatlicher Unterstützung. Es muss eine verlässliche Energie-Infrastruktur aufgebaut werden und die Unternehmen könnten durch Steuererleichterungen unterstützt werden. Gleichzeitig könnten die Staaten für ihre Polizei und Behörden Autos der drei Unternehmen kaufen – wie es in Ghana angekündigt wurde. Das 1,3 Milliarden US-Dollar Steuergeschenk des US-Bundesstaats Nevada für das amerikanische Unternehmen Tesla Motors belegt, dass staatliche Hilfe für neue Wettbewerber auch im Heimatland des Kapitalismus vorkommt.

Es mag argumentiert werden, dass die staatliche Förderung solch ambitionierter Industrie-Unternehmungen eine Verschwendung knapper Mittel darstellt – schliesslich könnte das Geld auch in die Bildungs- und Gesundheitssysteme investiert werden. Dieses Argument ist teilweise richtig. Es dürfen nicht zu viele der knappen Finanzmittel in solch langfristige Projekte investiert werden, falls darunter wichtige staatliche Dienstleistungen zu leiden haben. Doch falls solche Investitionen in die nationale Produktion ernsthaft betrieben werden und auf einer genauen Analyse der Marktchancen beruhen, dann können sie sich in Zukunft bezahlt machen, da sie Arbeitsplätze schaffen und somit Einkommen ermöglichen, die einen Weg aus der Armut darstellen können.

Nico Beckert
zebralogs.wordpress.com

Fussnoten:

(1) Ich konnte leider keine genauen Daten für den nationalen Wertschöpfungsanteil in der deutschen oder tschechischen Auto-Industrie finden. Allerdings ist aufgrund der grossen Zulieferindustrien in diesen Staaten davon auszugehen, dass die im Land produzierten Teile einen weitaus höheren Anteil als lediglich 35% des Gesamtwerts des Endprodukts ausmachen.