Kapitalakkumulation und gute Kontakte Zürich: Krisenprofiteure von der Uni vertreiben!

Politik

Auch in diesem Semester finden an der Universität Zürich zahlreiche Referate und Workshops mit kapitalistischen Krisenverwalter und Krisenprofiteure statt; so etwa mit der Deutschen Bundesbank, mit dem Beratungsunternehmen Roland Berger Strategy Consultants oder mit dem Finanzverwalter BlackRock.

Hauptgebäude der Universität Zürich.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Hauptgebäude der Universität Zürich. Foto: Jürg-Peter Hug (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

11. März 2015
0
0
8 min.
Drucken
Korrektur
Am 9. März lädt das Schweizerische Institut für Auslandsforschung (SIAF) zu einem Vortrag mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bundesbank Jens Weidmann über die Zukunft des Euroraumes. Damit reiht sich Weidmann in eine lange Reihe von SIAF Vorträgen ein, in denen es wahlweise um die Propagierung neoliberaler Ausdehnungen – etwa mit IWF Vorsitzender Christine Lagarde – Bekräftigung von Privatisierungsmassnahmen - zu nennen wäre beispielsweise Nestlé CEO Brabeck – die Legitimierung spätkapitalistischer Kriegstendenzen – etwa mit dem neokonservativen Befürworter des Irakkrieges Robert Kagan – oder weiterer kapitalaffirmativer Politikmanöver geht. Doch Krisenverwalter und Krisenprofiteure haben weder an der Uni, noch sonst wo eine öffentliche Plattform verdient.

Zum Stelldichein mit der Deutschen Bundesbank

Die Deutsche Bundesbank trat in den vergangenen Jahren innerhalb der Europäischen Zentralbank (EZB) – welche wiederum gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Kommission Teil der mittlerweile umbenannten Troika ist – stets als führender Krisenverwalter auf. Verwalten heisst hierbei jedoch nicht, sich um die Folgen für die von nahen Staatsbankroten bedrohten und von Finanzkrisen betroffenen Menschen zu kümmern, sondern einzig dafür zu sorgen, dass es den führenden Unternehmen und dem Kapital weiterhin gut geht. So fordert innerhalb der Europäischen Union vor allem die Deutsche Bundesbank und die deutsche Regierung vielseitige Spar- und Flexibilisierungsmassnahmen und setzt sich hierbei immer wieder dafür ein, dass allfällige Hilfspakete an harte Bedingungen geknüpft werden. Unter dem Zauberwort „Strukturreformen“ sollen andere Staaten dazu gebracht werden, sich der finanzpolitischen Linie der hegemonialen mitteleuropäischen Staaten zu unterwerfen und ihre Märkte für Investitionen zu öffnen.

Freilich diese peripheren Staaten mit ihrem oftmals nationalistischen Protektionismus keine bessere Lösungen zu präsentieren hätten, als jene welche das Finanzregime aus Deutschland gerne vorgeben möchte. Das liegt nicht nur am fehlendem Wille oder falschen Einschätzungen, sondern auch daran dass gerade in der Krise Systemzwänge noch stärker auftreten als sonst. Und hier spielt auch die Deutsche Bundesbank gerne mit: Wer raus aus der Krise möchte, soll sich gefälligst den Spielregeln der Mächtigen anpassen. Zwar werden jene immer mal wieder neu verhandelt und erweitert, doch in ihrem Wesen bleiben sie stets dem gleichen Profitzwang unterworfen. Wohl wissend, dass nur ein gesellschaftlicher Bruch den Rahmen der verschiedenen kapitalistischer Krisenprogramme durchbrechen kann, ist es aber auch nicht an uns, die Wahl zwischen Neoliberalismus und anderer Formen kapitalistischer Akkumulationspolitik treffen zu müssen.

Und Weidmann selbst? Dieser vertritt nicht nur operativ, sondern auch ideologisch die Austeritätspolitik der vergangenen Jahre. Noch vor zwei Jahren liess Weidmann etwa bezüglich der Zukunftsperspektive der Jugend in Frankreich verlauten, dass „diese nur wettbewerbsfähige Unternehmen und eine gesunde Wirtschaftsstruktur bieten [können]. Eine Reformpause wäre deswegen nicht hilfreich.“ Mit ganz ähnlichen, kapitalapologetischen Worten richtete sich Weidmann vor wenigen Wochen auch an Griechenland, wo er die dortige Regierung scharf ermahnte, nicht von der Sparpolitik ihrer Vorgänger abzuweichen. So einfach es vom gutbezahlten Stuhl der Bundesbank aus ist, Verzicht für eine bessere Zukunft einzufordern, so realtitätsfremd ist dies angesichts der verehrenden Einschnitte der vergangenen Jahre. Was die von Arbeitslosigkeit, Armut und weiteren Folgen der Krise betroffenen Menschen brauchen, ist ein radikaler Bruch mit der europäischen Finanzpolitik und nicht noch mehr Austerität, Einsparungen und Flexibilisierungsprogramme.

Karriere über Mittag

Doch die Vorträge beim SIAF sind längst nicht die einzigen Veranstaltungen in diesem Semester, an welchen Krisenprofiteure ihre Weltsicht und ausbeuterische Praxis verbreiten dürfen. Eine ganz besondere Veranstaltungsreihe sind hierbei die Brown Bag Lunches des Institut für Banking und Finance. Dabei erhalten Firmen aus dem Finanzsektor die Möglichkeit sich selbst über die Mittagsstunden einem ausgewählten Publikum vorzustellen und hierbei nach potentiellen zukünftigen Mitarbeitern Ausschau zu halten. Eine solche Bewerbungspraxis, die explizit von der Universität Zürich als Karrierechance angepriesen wird, impliziert, dass ein jeder Studierender sich schon früh um seine Karriere kümmern müsse und es seine Aufgabe sei, sich entsprechenden Firmen über verschiedene Sozialanlässe in öffentlicher Konkurrenz zu weiteren potentiellen Mitbewerbern zur Verfügung zu stellen.

Menschen werden zu Humankapital degradiert und von entsprechenden Firmen anhand von Kategorien wie Effizienz und Leistung für ihre zukünftige Karriere ausgewählt. Abgesehen von der Kritik an diesem offiziell geförderten, universitären Viehmarkt wollen wir die Aufmerksamkeit in diesem Jahr auf zwei ganz besondere, an den Lunches anwesende Firmen lenken; Roland Berger Strategy Consultants und BlackRock, welche beide in den letzten Jahren als ebenso erfolgreiche Verwalter wie Profiteure der Krise aufgetreten sind.

Zum Lunch mit Roland Berger

Am Donnerstag dem 19.3. stellt sich Roland Berger Strategy Consultants vor. Es ist dies die Unternehmensberaterfirma von Roland Berger, der 2006 noch von der deutschen Gruppe „die Überflüssigen“ zum Ausbeuter des Jahres gekürt wurde. Dies weil Roland Berger und seine Mitarbeiter seit 2005 damit beschäftigt sind, die deutschen Jobcenter (ehemals Arbeitsgemeinschaft; diejenige Institution, bei der Arbeitslose in Deutschland vorsprechen, nachfragen und Schlange stehen müssen) in ihren Arbeitsabläufen unter dem Stichwort der Effizient zu rationalisieren und den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren. Was für die Betroffenen bedeutet, dass sich jene dem neuen Regime unterwerfen müssen, mehr Kontrolle über sich ergehen lassen dürfen, auf eigene Forderungen verzichten sollen und jene, welche sich in der Leistungsgesellschaft nicht „vermitteln“ lassen, möglichst schnell aus dem Bezugssystem ausgegliedert werden sollen.

Unfreiwillig auf den Punkt – und daher für einmal zitierwürdig – brachte dies vor einigen Jahren das Springer Medium Bild, als diese eine wohlwollende „Reportage“ über die härtesten und durch Roland Berger umstrukturierten Jobcenters Deutschlands publizierte: „Sie sprechen pro Monat 1000 Sanktionen aus, kürzen, streichen, klagen, kontrollieren – und sind Deutschlands bestes Jobcenter!“ Wenn die „besten“ Jobcenter also jene sind, die dank Roland Berger am meisten „kürzen und streichen“, dann spricht dies nicht nur Bände über die gesellschaftspolitische Vorstellung des entsprechenden Journalisten, sondern bedeutet auch ganz real für die Betroffenen eine ungleich verschärfte Prekarisierung in einer sowieso schon prekären Lebenslage.

Zum Praktikum bei BlackRock

Eine Woche später, am 26.3., lädt mit BlackRock Inc. gleich der nächste Krisenakteur wohlwollende Studierende zum Mittagsessen ein. BlackRock, mittlerweile Arbeitsgeber des ehemaligen Nationalbankchefs Philipp Hildebrand, ist der weltweit grösste Vermögensverwalter und verwaltet mit einem Kundenvermögen im Wert 3.6 Billionen Dollar mehr als das fünffache des schweizerischen BIP. Kein Wunder hält das Unternehmen auch zahlreiche Beteiligungen an illustren Firmen wie Nestlé, der Novartis oder Glencore und ist damit auch schon im krisenfernen Alltag Angriffsfläche genug. Doch nicht nur Private vertrauen BlackRock ihr Vermögen an, auch die EZB engagierte das Unternehmen im vergangenen Jahr als Folge der anhaltenden Krise als zusätzlichen Berater. Ebenso die Schweizerische Nationalbank BlackRock unter der Ära Hildebrand einen Auftrag erteilte.

Zudem besitzt das amerikanische Unternehmen enge Verbindungen zur amerikanischen Regierung und wurde von dieser auch damit beauftragt nach der Finanzkrise von 2008 den eigenen Finanzmarkt „aufzuräumen“ und so etwa Banken nach faulen Krediten zu durchforsten. Ganz offensichtlich profitiert in einer solchen Verbindung von Staatsinteressen und Kapitalinteresse die wirtschaftliche Seite, kann BlackRock so doch immer wieder entsprechend bei den Regierung lobbyieren und auf politische und rechtliche Zugeständnisse für ihre eigenen Unternehmen hoffen.

Auch andernorts trat BlackRock schon als Profiteur der Krise auf. So etwa in den vergangenen Jahren in Griechenland, wo das Unternehmen unter der Hoffnung, dass die europäisch Union die griechische Regierung stützen würde, tatkräftig Staatsanleihen aufkaufte, um daraufhin aus den immensen Zinssätzen hohe Profite ziehen zu können. Gleichzeitig konnte die BlackRock Tochterfirma Artume SA die griechische Vorgängerregierung davon überzeugen, Land in Athen umzuzäunen; mit dem Plan dort, auf dank der Krise mittlerweile günstigem Land, ein gigantisches Shoppingcenter zu errichten. Wobei die kommenden Profite daraus selbstverständlich wiederum in die Tasche von BlackRock zurückfliessen werden.

Die Krise erscheint für BlackRock folglich als zusätzliche Möglichkeit zur noch schnelleren Kapitalakkumulation und die guten Kontakte zu den verschiedenen Regierungen leisten hierbei ihren Helferdienst, freilich das Geschäft auch innerhalb der langfristigen, krisenresistenteren Anlagen nicht lobenswerter oder ausbeutungsfreier erscheint. Denn ob Krise oder Alltag; bei den einzig auf Profit ausgerichteten Geschäften von BlackRock bleiben jene Menschen auf der Strecke, die durch ihre Arbeitskraft letztlich dafür sorgen, dass das Unternehmen überhaupt Vermögen zu verwalten hat.

Auf die Strasse in Frankfurt!

Während also in den kommenden Wochen illustre Gäste aus der Finanzwelt die Uni beehren werden, gibt es am 18.3. in Frankfurt die Möglichkeit jener Welt selbst einen Besuch abzustatten. Unter dem Label „Blockupy“ soll die Eröffnung des neuen Hauptsitzes der Europäischen Zentralbank verhindert und gestört werden. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen und rufen auch alle Studierenden dazu auf, sich am 18.3. frei zu nehmen, sich nach Frankfurt zu begeben und gemeinsam am kapitalistischen Alltag zu rütteln.

uni von unten

Weitere Infos:

https://blockupy.org/ oder https://unigoesblockupy.wordpress.com/