Was hat es mit der «Friedensbewegung» auf sich? Brauner Sumpf vereint

Politik

Die Friedensbewegung. Was will sie, wo kommt sie her? Eine Zusammenfassung der aktuellen Informationen.

Alternative für Deutschland, Infostand in der Innenstadt von Bocholt.
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Alternative für Deutschland, Infostand in der Innenstadt von Bocholt. Foto: Ziko van Dijk (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

5. Mai 2014
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Wir alle sind in den letzten Tagen über die "Montagsdemos der Friedensbewegung" gestolpert. Ob auf der Strasse, auf Facebook, Twitter, Youtube oder in den Kommentarspalten von Blogs. Immer wieder war zu lesen, dass die "manipulierte Presse", Banken und die FED uns kontrollieren und uns in einen neuen Krieg führen wollen. Es ist auch immer zu lesen, dass man sich von allen politischen Richtungen, sowohl von links als auch von rechts auf jeden Fall distanziere. Es ginge allein darum, für den Frieden zu demonstrieren.

Wofür gleich nochmal?

Beworben werden die Demos auf Facebook.com als "AUFRUF ZUM FRIEDLICHEN WIDERSTAND! FÜR FRIEDEN! IN EUROPA! AUF DER WELT! FÜR EINE EHRLICHE PRESSE! & GEGEN DIE TÖDLICHE POLITIK DER FEDERAL RESERVE (einer privaten bank)!". Was steckt dahinter? Zerlegen wir den Aufruf in mundgerechte Happen, kommen wir dem Zweck der Veranstaltung Schritt für Schritt näher.

"Aufruf zum friedlichen Widerstand" - Dazu muss nichts gesagt werden, das erklärt sich von selbst. "Für Frieden! In Europa! Auf der Welt!" - Die erste Forderung. Die Initiatoren wünschen sich den Frieden. Ein lobenswertes und ehrenhaftes Anliegen, das möchte ich als Autor an dieser Stelle festhalten.

"Für eine ehrliche Presse!" - Auch das ist wünschenswert. Ich muss zugeben, dass ich bei z.B. der "Tagesschau" oder der "Heute Show" selbst immer wieder das Gefühl habe, dass die Autoren nicht sehr neutral über die russische Politik oder die Vorkommnisse in der Ukraine/Krim berichten. Da kann man sich schon fragen ob das noch mit rechten Dingen zugeht. Schiesse man sich auf dieses Thema ein und nähme man keine anderen öffentlich rechtlichen Quellen zur Hand, könnte man tatsächlich anhand einiger Aussagen an eine unterwanderte Medienlandschaft glauben. Es wären aber sehr schlechte "Manipulatoren", wenn sie nur einen Teil unterwandern. So hat zum Beispiel der Jugendsender des RBB, "Radio Fritz", im sog. "Blue Moon" eine ganze Sendung dem Thema "Gibt es einen neuen kalten Krieg? (Blue Moon vom 25. März 2014) verschrieben. Dort konnten Zuhörer jeden Alters zwei Stunden lang miteinander und mit dem Moderator Hendrik Schröder diskutieren. Auch im "Deutschlandfunk" steht das Thema Ukraine und Krimkrise auf der Tagesordnung. Hier gilt auch, dass Zuhörer in vielen Sendeformaten mit diskutieren und/oder ihre persönliche Meinung kundtun dürfen.

"Gegen die tödliche Politik der Federal Reserve (einer privaten Bank)!" - Da wird es wirklich interessant. Die Federal Reserve (FED) ist um es kurz zu fassen die Zentralbank der USA. Wie nahezu jede Bank hat auch diese Bank ihre Leichen im Keller. So wird ihr unter anderem eine Mitschuld an der Grossen Depression und der immer noch tobenden Wirtschaftskrise zugeschrieben. Relevant ist aber hier nicht das Banksystem an sich, zu dem unter den Lesern bestimmt unterschiedlichste Meinungen grassieren, sondern der kleine Nebensatz (einer privaten Bank). Im übrigen ist in dem Aufruf nur dieser Nebensatz klein und in Klammern geschrieben. Warum ist dieser aber so wichtig? Wenn von einer privaten Bank gesprochen wird, dann ist davon auszugehen, dass Privatpersonen in dieser Bank schalten und walten, wie es ihnen gefällt.

Dies ist in der FED aber nicht ganz so einfach. Es handelt sich bei der FED nämlich keinesfalls um eine Privatbank. Es handelt sich um eine staatliche Bank in privater Hand. Sie wird als Aktiengesellschaft geführt. Jedoch haben hier, im Gegensatz zu anderen Aktiengesellschaften, die Aktionäre kein Mitspracherecht über die Gremien der Geldpolitik. Diese sind staatlich geregelt. Auch die Dividende ist festgelegt und Überschüsse fliessen in den Staatshaushalt zurück. So ist das spekulieren mit den Geldern recht schwierig. Warum also ist dieser Punkt so wichtig? Weil ein Zusammenhang zwischen Krieg, Medienmanipulation und der FED geschaffen werden soll. Ab hier: Willkommen in der Welt der Verschwörungstheorien...

Fazit: Überladener Forderungswulst mit teilweise schönen Anregungen, jedoch ohne klar definierten Inhalt.

Wer organisiert das denn alles?

Wahrgenommen haben viele diese Veranstaltungen wohl oder übel über den Spamangriff auf die Kommentarspalten der öffentlich rechtlichen Medien in sozialen Netzwerken. Immer wieder wurde gefordert, dass über die "Montagsdemonstrationen" berichtet werden soll. Tatsächlich handelt es sich bei diesen regelmässigen Spam Attacken um koordinierte Angriffe auf die Informationsfreiheit. Unter jedem Artikel und/oder Kommentar der öffentlich rechtlichen Medien ist in x-facher Ausführung zu lesen, dass die Bevölkerung aufwachen solle und man endlich über die Montagsdemos berichten möge. Aber wie sind diese Leute auf die Idee gekommen, die Aufmerksamkeit anderer auf so perfide Art und Weise zu erschleichen und sich zwischen die Mitmenschen und die Medien zu drängen? Ein angeblich vom Hackerkollektiv Anonymous erstelltes Video machte auf dem Portal Youtube die Runde.

"Anonymous - Nachricht an die deutsche Bevölkerung" - In diesem Video werden zunächst Politikeraussagen aus dem Zusammenhang gerissen und falschinterprätiert. Es wird aus der Bundesrepublik Deutschland die BRDGmbH konstruiert. Es wird behauptet, Deutschland wäre offensichtlich kein Staat sondern eine Firma, die sich lohnen muss und dies sei auch rechtlich so geregelt. Es werden bekennende Antifaschisten wie Bertold Brecht und Dr. Gregor Gysi für diese krude Argumentation missbraucht und ihre Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen. Als bekämpfenswert wird dort dargestellt, dass die deutsche Geschichte gefälscht wäre ("Holocaustlüge?"), die Schule nur die Funktion der Indoktrination habe, Feminismus, "Chemtrails", die "CO2 Lüge" (Damit ist nicht gemeint, dass es keinen Klimawandel gibt. Damit ist gemeint, dass der Mensch keinen Einfluss darauf hat), eine "unbegrenzte Masseneinwanderung" und "Multikultiwahnsinn". Ausserdem werden noch andere Themen wie Tierrechte, Bioprodukte und Entmilitarisierung als erstrebenswert dargestellt. Wie eine solche Welt funktionieren will und wie sich die Personen, die ein paar Bilder mit dem Moviemaker zusammengetackert haben das Ganze vorstellen ist eine Sache für sich, findet aber in diesem Artikel keinen Platz.

Dieses Video wurde am 24. März 2014 auf der Facebook Seite Anonymous.Kollektiv veröffentlicht. Zeitgleich wurde es auch auf Youtube geladen. Das Kollektiv Anonymous geniesst vor allem in der Netzkultur bei vielen Menschen höchstes Vertrauen, da sie immer wieder durch gewagte Aktionen auf sich aufmerksam machen und dabei verschiedene Aktionsformen nutzen um etwas zu bewegen. Die Seite Anonymous.Kollektiv wurde aber bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr von einem Kollektiv sondern einer Einzelperson, die auf intrigante Art und Weise den alleinigen Adminstatus ergaunerte, betrieben. Relevant waren in diesem Zusammenhang vor allem die "Likes" auf der Seite. Dadurch konnte der jetzige Betreiber Mario Rönsch Geschäftsführer der Firma FanDealer schnell viele Menschen ansprechen. Bei manchen ist wohl diese Mischung aus rechtsesoterischen Verschwörungstheorien und Volksverhetzung hängen geblieben und die haben es sich auf die Fahnen geschrieben die konservative Revolution einzuleiten.

Eine weitere wichtige Rolle spielt der ehemalige Moderator des RBB Ken "KenFM" Jebsen. Sein ehemaliger Arbeitgeber entliess ihn 2011 weil er den Holocaust geleugnet haben soll und sich in einer Email antisemitisch äusserte. Seine fesselnden Reden klingen für den unkritischen Zuhörer schlüssig und wohl durchdacht. Nur bei genauem Zuhören merkt man, dass Ken trotz 40 Minuten Rede nichts sagt. Zumindest nicht viel. Er verliert kein gutes Wort an der sogenannten "linken Presse". Genau definiert er nicht was die "linke Presse" ausmacht, es ist aber davon auszugehen, dass er sämtliche etablierten und somit auch manipulierten Medien meint. Er betont zwar immer wieder, dass es weder Links noch Rechts gibt, aber seiner Aussage nach ist Links erstmal falsch...

Initiator der Versammlungen in Berlin ist der Eventmanager Lars Märholz. Er distanziert sich zwar verbal immer wieder von den Vorwürfen rechtspopulistische Meinungsmache zu betreiben, doch ist dies äusserst fraglich. Er gibt zum Beispiel der FED die Schuld an allen Kriegen der letzten 100 Jahre. Darunter fällt auch der zweite Weltkrieg. Hitler wird damit die Schuld an diesem Krieg genommen und die FED wird somit indirekt für sämmtliche Verbrechen der NS Zeit verantwortlich gemacht. Auch sein Umfeld ist äusserst fragwürdig und beherbergt neben Verschwörungstheoretikern aller Art unter Anderem sogenannte Reichsbürger, also geschichtsrevisionistischen Menschen, die die Kapitulation Deutschlands nicht anerkennen und die BRD für einen nicht legitimen Staat auf dem Grund des deutschen Reiches betrachten.

Fazit: Eine Mischung aus kruden Verschwörungstheorien, volksverhetzenden Äusserungen und rechtspopulistischem Wischiwaschi lassen die Veranstaltung auf mich äusserst ausladend wirken.

Wie man sich bettet... Unterstützerkreise der "Friedensbewegung"

Als Unterstützer und Fürsprecher sind quer durch den rechtskonservativen Sumpf alle möglichen Gruppierungen zu finden. Auf einige möchte ich hier eingehen.

Das Magazin "Compact" das immer wieder mit sexistischen, homophoben und pseudowissenschaftlichen Artikeln für Aufsehen sorgt äussert sich in höchstem Masse positiv über die Demonstrationen.

Die Partei AfD (Alternative für Deutschland) ruft seine Mitglieder auf an den Demonstrationen teilzunehmen und organisiert auch Reisegruppen zu den Veranstaltungsorten. Für Themen wie Homophobie, Sozialdarwinismus und eine Verstärkung der EU Aussengrenzen hat die AfD immer ein offenes Ohr. Zwar grenzt sie sich ganz klar von rechts ab, aber das hindert die Partei nicht daran Mitglieder in NPD Schulungen zum " richtigen Umgang" mit vermeintlichen "Antifas" zu schicken oder sich allgemein rechtsnationalistisch zu äussern.

Auch die NPD ist ganz fleissig dabei ihre Mitglieder auf die Demonstrationen zu schicken. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man diese Partei nicht näher vorstellen muss. Volksverhetzung und Rassismus gehören in dieser Partei zum guten Ton.

Fazit: Ich möchte mich mit niemandem von den oben genannten Gruppen sehen lassen. Nicht nur teile ich ihre Vorstellung einer besseren Welt nicht, auch glaube ich nicht im Geringsten, dass auch nur einer dieser Unterstützer ernstaft Frieden fordert.

Was sagen denn die Anderen?

Auch wenn man nicht immer auf die Meinung anderer hören sollte gibt es doch Quellen, deren Meinung ich respektiere und die meiner Meinung nach die Kompetenz aufweisen sich zu diesem Thema zu äussern. Die Montagsdemonstrationen waren nach dem Mauerfall vor allem Demonstrationen gegen Sozialabbau und "Hartz IV". Die Organisatoren des Bündnisses "Weg mit Hartz" haben sich von den "Friedensaktivisten" distanziert und vor "nationalistischen und rassistischen" Tendenzen gewarnt.

Auch das Netzwerk "Attac" warnt vor den rechten Tendenzen in der "Friedensbewegung". So sollen sich Teile der "Friedensbewegung" sogar an der NSDAP orientieren.

Was lernen wir daraus?

Je mehr man sich mit dem Thema auseinandersetzt, desto unglaubwürdiger wird die Behauptung man hätte mit Nazis nichts am Hut. Oberflächlich tritt diese Bewegung zwar tatsächlich bürgernah und offen auf, ein etwas genauerer Blick aber genügt um festzustellen woher der Wind wirklich weht.

Red Pepper