Pilotprojekt mit Bodycams der Stadtpolizei Zürich «Schützen wir die Polizei!»

Politik

18. Mai 2017

Was der Liedermacher Georg Kreisler in seinem Song «Schützen wir die Polizei!» einst aufs Korn genommen hat, nimmt die Stadtpolizei Zürich ernst. Seit Anfang Februar 2017 führt sie ein Pilotprojekt durch: Mit Bodycams sollen verbale und tätliche Übergriffe auf Polizistinnen und Polizisten verhindert werden.

Bild von einem Pressetermin der Deutschen Bahn AG im Juli 2016 in Berlin zur Präsentation von Body-Cam-Varianten.
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Bild von einem Pressetermin der Deutschen Bahn AG im Juli 2016 in Berlin zur Präsentation von Body-Cam-Varianten. Foto: freiheitsfoo (CC BY-SA 4.0 contrast - cropped)

18. Mai 2017
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Während in den USA Körperkameras vor allem eingesetzt werden, um polizeiliche Übergriffe zu dokumentieren und zu verhindern, läuft die Debatte in Europa unter umgekehrten Vorzeichen: Nicht in erster Linie Polizeigewalt, sondern Gewalt gegen Polizisten_innen begründet den Einsatz der Kameras. So auch in der Schweiz. Sicherheitspolitiker_innen wollen vermehrt Tätlichkeiten gegenüber Polizistinnen und Polizisten im Einsatz festgestellt haben, daher herrsche, wie es im «Strategischen Plan des Polizeidepartements 2016» der Stadt Zürich heisst, Handlungsbedarf.

Wie und wann gefilmt werden darf – ein Versuch

Erste Versuche, Bodycams in der Polizeiarbeit einzusetzen, scheiterten 2015 in Rüschlikon (ZH) an Bedenken des Datenschutzes. Daraus hat das Sicherheitsdepartement der Stadt Zürich unter Führung von Richard Wolff (AL) gelernt. Zwar gibt es keine spezifische rechtliche Grundlage für den Einsatz von Bodycams, per Erlass wird aber Art. 11 Abs. 1 der städtischen Datenschutzverordnung ausgeschöpft. Dieser erlaubt im Rahmen von reglementierten Pilotversuchen die «Bearbeitung besonderer Personendaten». Die Eckpunkte des Reglements sehen den Einsatz von Kameras beim Anhalten und Kontrollieren von Privatpersonen wie folgt vor:
  • Polizeiangehörige, die Bodycams tragen, sind gekennzeichnet; sie gewährleisten, dass die gefilmten Personen eine laufende Aufzeichnung erkennen können; verdeckte Kameras sind unzulässig.
  • Der Einsatz der Bodycams erfolgt, wenn eine strafbare Handlung angenommen wird und physische oder verbale Gewalt bevorsteht.
  • Die Aufzeichnung wird angekündigt.
  • Eine betroffene Person kann die Aufzeichnung verlangen, wenn sie ein nicht korrektes Verhalten der Polizei annimmt.
  • Nach 100 Tagen werden die Daten gelöscht. Die Stadtpolizei stellt sicher, dass die Aufzeichnungen bis zur Löschung unverändert verfügbar sind; Zugriffe werden protokolliert.
Die genaue Dauer des Versuchs ist offen, binnen zwei Jahren soll aber ein evaluierender Bericht vorgelegt werden. In vier Dienststellen kommen je zwei Körperkameras zum Einsatz. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet und ausgewertet, um danach über den weiteren Einsatz der Bodycams entscheiden zu können – auf einer Rechtsgrundlage, die erst noch geschaffen werden muss.

Kritik an Bodycams

Der Versuch ist umstritten. Sozialdemokratische und grüne Stadtparlamentarier üben datenschutzrechtliche Kritik am Projekt. Doch auch seitens der Polizei steht man dem neuen Arbeitsgerät skeptisch gegenüber. Polizist_ innen wollen bei der Verrichtung ihrer Arbeit nicht ständig überwacht werden und befürchten durch den Einsatz der Kameras einen Vertrauensverlust in der Bevölkerung.

Auch hinsichtlich seiner Regulierung wirft der Einsatz von Körperkameras Fragen auf. Zwar heisst es, wie oben erwähnt, dass die filmenden Polizist_innen gekennzeichnet sein und die Aufnahmen angekündigt werden müssen. Doch sind die Kameras mit ständig laufenden Ringspeichern ausgestattet, wobei die Aufzeichnungen normalerweise alle 30 bis 120 Sekunden überschrieben werden.

Wenn ein Einsatz aufgezeichnet wird, heisst das also eigentlich, dass die entsprechenden Daten nicht mehr überschrieben werden. Betroffene werden aber bereits vor der Ankündigung durch die Beamt_innen gefilmt. Das Reglement sieht ausserdem eine weitere Einschränkung der Ankündigungspflicht vor: Wenn nach Ansicht der Beamt_innen strafbare Handlungen bereits im Gange sind, kann auf die Ankündigung verzichtet werden. Das Reglement sieht auch die Prävention gegen polizeiliche Übergriffe vor, indem kontrollierte Personen verlangen können, dass die Bodycams eingeschaltet werden. Allerdings wird dieses Recht durch die schwammige Formulierung eingeschränkt, dass «bei offensichtlichem Missbrauch» kein Anspruch bestehe, den Start der Aufzeichnung zu verlangen. Willkürlichem Verhalten stehen die Türen somit offen.

Wer hat Zugriff auf die Daten?

Kritikwürdig ist auch die Art, wie die Daten aufbewahrt werden sollen: Sie bleiben in der Hand einer potenziellen Konfliktpartei, denn die Stadtpolizei selbst kann die Daten zu Ermittlungsverfahren aufbewahren. Sie kann einerseits einzelne Sequenzen aus den Aufzeichnungen herauskopieren, soll aber andererseits sicherstellen, dass die Daten bis zur Löschung unverändert verfügbar sind und Zugriffe protokolliert werden. Nach 100 Tagen werden die Daten von der Stadtpolizei gelöscht. Damit entsteht eine weitere immense Datensammlung, deren konkrete Verwendung noch offen ist. Wie die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, werden Daten, sind sie einmal vorhanden, auch genutzt – Begehrlichkeiten entstehen mit dem Angebot.

Ganz grundsätzlich stellt sich die Frage nach dem «Gewinn» der Methode. Im Reglement ist die Rede von der Erhebung objektiver Daten. Ton- und Filmaufnahmen sind aber nicht objektiv, denn sie werden aus der Perspektive der Polizei aufgenommen.

Auch ihre präventive Wirkung steht in Zweifel. Eine länderübergreifende Studie, die den Einsatz von Bodycams untersucht hat, kommt zum Schluss, dass Bodycams nicht unbedingt präventiv wirken, sondern im Gegenteil Gewalt provozieren können. Dies gilt sowohl für Polizist_innen – man erinnere sich an den traurigen Fall von Ray Tensing, der im Juli 2015 in Ohio (USA) vor laufender Kamera Samuel DuBose erschoss – als auch für die kontrollierten Personen, die sich von Bodycams provoziert fühlen können. Die Ausstattung der Corps mit Bodycams, schliesst die Studie, sei nicht nur sehr teuer, sondern auch nicht unbedingt zielführend: sprich gewaltverhindernd.

augenauf Zürich