Wie Basler Guggen und Schweizer Medien gegen die Vernunft Front machen Der Wille zum Rassismus

Politik

Kürzlich marschierten Hunderte Traditionsfanatiker*innen durch Basel – für ihr vermeintliches Recht rassistisch zu sein. Den für die Schweiz neuartigen rechten Marsch ausgelöst hatte eine öffentliche Kritik an der rassistischen Symbolik einiger Basler Fasnachtsgruppen. Zeit für eine Nachbetrachtung.

Basler Fasnacht 05: Negro Rhygass (Guggekonzäärt).
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Basler Fasnacht 05: Negro Rhygass (Guggekonzäärt). Foto: Roland Zumbühl (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

10. September 2018
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Fassen wir zusammen: Die Begriffe «Neger» und «Mohr»1 sind rassistisch. Als weisse Person mit Blackface zu Guggenmusik zu tanzen, ist rassistisch. Die Darstellung eines schwarzen «Wilden» mit dicken Lippen, halb nackt und mit Knochen im Haar, ist rassistisch. Genau so wie die Namen der zwei Guggenmusiken, die das «N-» und das «M-Wort» enthalten – unabhängig von den Intentionen der Fasnächtler*innen. Punkt. Beide Begriffe wurden und werden als entmenschlichende Bezeichnungen für Schwarze verwendet. Ausbeutung, Sklaverei und rassistische Diskriminierung gehören auch zur Schweiz – und zur Stadt Basel. Ebenso die kleinen Basler Guggen, die es vor sechzig Jahren als gute Idee befanden, sich «N-Rhygass» oder «Guggemusig M-kopf» zu nennen.

Kleine Chronik der Basler Ereignisse

Nach der Empörung eines Lesereporters wird die Facebookseite der «N-Rhygass» gesperrt. Beschwerden gehen bei der Beratungsstelle «Stopp Rassismus» ein. Eine Online-Petition wird lanciert. Sie fordert zu Beginn die Aufhebung dieser Clique sowie deren «N-Fests». Adressatinnen der Petition sind die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus und die Basler Kantonspolizei.

Der Basler Dachverband der Guggen, das Fasnachts-Comité, hält sich mit Stellungnahmen zurück. Einige Fasnächtler*innen solidarisieren sich mit den kritisierten Cliquen. Auch in bürgerlichen Medien wird explizit und implizit Position für die kritisierten Cliquen bezogen. Ein Kollektiv verschiedener antirassistischer Strukturen veröffentlicht ein Statement zur Unterstützung des Rassismusvorwurfs. In kritischeren Medien dauert es etwas länger, bis erste Berichte und Kommentare erscheinen. Unterdessen wird zu einem Solidaritätsmarsch mit den Guggen und der Fasnacht im Allgemeinen aufgerufen. Das Motto: «Fasnächtler müssen zusammenhalten».

Am Freitag, 17. August marschieren rund 800 Personen vom De-Wette-Park los. Dieser ach so unpolitische Umzug wurde nur von einer Polizistin begleitet. Obwohl eine Gruppe klar erkenntlicher Neonazis mitlief und etliche aggressive und teils betrunkene Männer auszumachen waren. Kurz wird der Marsch auf der Wettsteinbrücke von etwa fünfzig Antirassist*innen blockiert. Diese sehr dringende Intervention brachte die Rechten derart in Rage, dass sich einige von ihnen auf einen Angriff vorbereiteten.

Das verleitete die Polizei dazu, Verstärkung anzufordern, aber im Gegensatz zu den dutzenden bereits im Keim mit Gummischrot und Tränengas aufgelösten linken Demos, schaute die Polizei den Rechtsextremen schlicht zu. Die TagesWoche versuchte nach dem Marsch und den offen zu Tage getretenen gesellschaftlichen Spaltungen eine konstruktive Podiumsdiskussion zu Rassismus und Sexismus auf die Beine zu stellen. Die zwei Vertreter*innen von «Black She», einem Deutschschweizer Netzwerk Schwarzer Frauen, schlugen sich wacker und konnten sogar einzelne Aha-Momente bei ihren Gegner*innen für sich verbuchen.

Das Elend der medialen «Debatte»

Zumeist aber kamen in den Schweizer Medien nicht von Rassismus Betroffene zu Wort, sondern irgendwelche Klugscheisser, die meinen, uns mit ihren Weis(s)heiten beglücken zu müssen. «Die Fasnacht», jammerte etwa die immer reaktionärere NZZ, habe «einen gesellschaftspolitischen Stellenwert, indem sie Mächtige kritisiert, Strömungen aufs Korn nimmt und dabei möglichst niemanden schont.» Das erfordere «Freiheit, eine gewisse Respektlosigkeit und die Lust, Grenzen auszuloten, ohne den Anstand zu verlieren.»

Was die NZZ offenbar nicht begreifen will, ist, dass die nicht aufgeht, wenn sich «die Privilegierten» zusammenrotten. Wenn sie aufmarschieren, um ihre vermeintliche Freiheit zu verteidigen. Die Freiheit nämlich, sich über diskriminierte Minderheiten lustig zu machen. Ihre sogenannte «Satire» verfestigt hier diskriminierende Verhältnisse und schafft es nicht, diese aufzulösen. Das befreiende Moment von Satire (oder von Humor) funktioniert nicht, wenn sie von «oben» nach «unten» zielt. Humor und Satire funktionieren dann, wenn sie von unten nach oben zielen, so wie beispielsweise am Antirassistischen Humorfestival «laugh up, stand up».

Die NZZ führt weiter aus, dass das Publikum in den meisten Fällen rassistische Ausreisser und dergleichen durch ausbleibenden Applaus bestrafe, sich rassistische «Ausreisser» dementsprechend selber regulieren würden. Aber gerade dies ist ja während dem rechten Solidaritätsmarsch für die kritisierten Guggen nicht geschehen! Es hörte und schaute ein breites Publikum zu und viele befanden das Spektakel überhaupt nicht für lustig oder angebracht. Denn wenn diese Guggen ihre Symbolik in den öffentlichen Raum hinaustragen, beschränkt sich das Publikum nicht nur auf jene, die sich in die Gesellschaft der Festbänkler*innen getrauen. Ausserdem nützt es wenig, hier die Macht des Publikums hochzuhalten. Denn, wie in der laufenden «Debatte» ersichtlich wird, können sich nur Personen als Publikum konstituieren, die nicht rassifiziert werden.

Die «20Minuten» zieht bereits im Titel das Fazit: «Fasnächtler erkennen in den Namen der N-Rhygass und M-kopf-Gugge nichts Rassistisches» und sieht keinen Grund darin, diese unumstösslich scheinende Aussage journalistisch zu hinterfragen. Das SRF wiederum interviewte den liberalen Basler Historiker und «Rassismus-Experten» Georg Kreis. Als ehemaliger Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) hat er den Anspruch, dass sich die Gesellschaft rassistischer Symbolik bewusst werde. Gleichzeitig delegitimiert er diesen Anspruch – nicht zum ersten Mal – indem er erklärt, man dürfe «die ganze Geschichte auf keinen Fall dramatisieren». Die EKR geht zwar teilweise durchaus selbstkritisch vor, aber hier erinnern Kreis' Argumente doch eher an eine alt-weiss-liberal verstaubte Weltanschauung.

Während das SRF von einem «Drama» spricht, schreibt die rechte Basler Zeitung (BAZ) von einer «Hysterie» der aufflammenden Kritik. Dass die BAZ angesichts des Hashtags «#jesuisnegro»2 nicht von «Hysterie» schreibt, spricht für sich. Es könnte darauf verwiesen werden, dass sich viele durch die Kritik an ihrem Marsch dazu bewogen fühlten, nun noch ausfallender zu werden. Oder überspitzt die Angst, ob der antirassistischen Kritik gleich die ganze Fasnacht zu verlieren, nicht die tatsächliche Situation? Ausserdem war Hitler keine Boyband; von «Hitlerfans» zu schreiben, liebe «20Minuten», ist absolut geschmacklos.

In den Kommentarspalten wiederum wird sich gewindet und gedrückt, um den Rassismus aus dem rassistischen Namen der Guggen weg zu argumentieren. Mehrere Kommentierende unter verschiedensten Artikeln weisen darauf hin, dass «negro» auf Spanisch «schwarz» bedeute und deshalb nicht rassistisch sei. Ganz egal, dass «n» im Spanischen ebenfalls abwertend verwendet wird. Die Gugge «N-Rhygasse» selbst vermerkt auf ihrer Website, dass das Vereinsemblem auf den Flugzeugabsturz Walter Mittelholzers, den Swissair-Mitbegründer, «in Afrika» zurückgehe, und deshalb «einen kleinen M mit Pauke» darstelle. Nix mit Spanisch also. Mittelholzer übrigens, trug durch seine «Afrikareisen» und die rassistischen Darstellungen Schwarzer Menschen in seinen Fotografien massgeblich zu den herrschenden, diskriminierenden Bildern bei. Diese Bilder wiederum wurden, wie von Jovita Dos Santos Pinto im Podiumsgespräch der TagesWoche angemerkt, viel zu unkritisch in der Fotografiesammlung der ETH verewigt.

Die Fasnacht und mit ihr Assoziiertes hat übrigens nicht zum ersten Mal ein Problem mit Rassismus (und Nazis). Zahlreiche Vereine und Guggen aus verschiedenen Orten wurden bereits auf ihre rassistischen Symbole, Namen und Handlungen aufmerksam gemacht, etwa aufgrund rassistischer Darstellungen Schwarzer Menschen, die Insekten essen oder wegen Witzen über ertrinkende Flüchtende. Und übrigens: Guggen wie die «Schlitzäugler» (!) aus Dierikon hätten sich ebenfalls besser schon gestern hinterfragt. Auch der Auftritt offen Rechtsgesinnter ist nichts Neues, marschierte doch an der Fasnacht in Basel 2017 eine Gruppe der faschistischen PNOS auf.

Traditionskäulerei als Reduit

Aber Moment, ganz vergessen, die Gugge hat ja Tradition, also kann diese doch nicht rassistisch sein. Die Interessensgemeinschaft der fasnächtlicher Guggen-Musiken Basels beklagt sich darüber, dass durch Empörte, die sich nicht über die Geschichte der Guggen informieren, keine vernünftige Diskussionskultur ermöglicht werde. Doch auch wenn wir nun diese Traditionen historisch ergründen, bleiben sie noch immer rassistisch. Das Traditionsargument wurde sicher auch dann angeführt, als Dorfgemeinschaften ihr vergnügliches Beisammensein nicht mehr an Hexenprozessen ausführen konnten. Als Frauen plötzlich ihre politischen Rechte erhielten. Und vielleicht sogar, als das Rad erfunden wurde.

Das Argument der Tradition bleibt deshalb völlig inhaltsleer, wird aber stets von neuem bemüht, ein argumentativer Rückzug, wenn alles andere nicht mehr zieht. Der Aufschrei der Fasnächtler*innen zeigt übrigens schön auf, wie Traditionen verwendet werden können, um eine lokalpatriotische Einigkeit zu beschwören. In diesem Fall eine Gemeinschaft, in welcher Menschen, die von Rassismus betroffen sind, keinen Platz haben und ganz sicher nicht, wenn sie sich an diesem Rassismus stören.

Miriam Damari
ajour-mag.ch

Fussnoten:

[1] Weil diese Begriffe rassistisch sind und weil viele Menschen und Kollektive von Menschen, die von diesen Rassismen betroffen sein können, dies wünschen, werde ich im Folgenden diese Begriffe nur in gekürzter Form wiedergeben. Wer die ausgeschriebenen Begriffe trotzdem bereits vermisst, kann sie in den zahlreich verlinkten Artikeln nachlesen, wo sie einem oft genung entgegenschreien.

[2] Nach Diskussionen im Kollektiv habe ich beschlossen den Begriff hier auszuschreiben, um einerseits die Absurdität dieses Hashtags zu unterstreichen und andererseits, weil nicht allen klar sein dürfte, wofür das «N» in diesem Kontext steht.