Warnung vor «Message Control» Der Kampf der FPÖ gegen die Pressefreiheit

Politik

5. Oktober 2018

Der Druck auf Österreichs Medien steigt. Taktgeberin ist die rechtsradikale FPÖ, doch die ganze Regierung will «Message Control».

Herbert Kickl, österreichischer Politiker (FPÖ). Seit Dezember 2017 Bundesminister für Inneres der Republik Österreich. Hier am 15. Februar 2018 während seines Antrittsbesuchs im Bayerischen Innenministerium.
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Herbert Kickl, österreichischer Politiker (FPÖ). Seit Dezember 2017 Bundesminister für Inneres der Republik Österreich. Hier am 15. Februar 2018 während seines Antrittsbesuchs im Bayerischen Innenministerium. Foto: Michael Lucan (CC BY-SA 3.0 de cropped)

5. Oktober 2018
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Es ist ein komfortabler Platz: Österreich liegt in der jährlich publizierten Rangliste der Pressefreiheit im Jahr 2018 auf Platz 11 von insgesamt 180 Staaten. Trotzdem zeigte sich die österreichische Sektion von Reporter ohne Grenzen bei der Präsentation der neusten Zahlen im vergangenen April besorgt über die Lage der Medien in der Alpenrepublik. Dies wegen direkter Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten vor allem durch Politikerinnen und Politiker der rechtsradikalen Regierungspartei FPÖ.

«Attacken nicht nur gegen Medien an sich, sondern gegen einzelne Journalistinnen und Journalisten persönlich haben zugenommen. Eine sorgenvolle Entwicklung, gerade in Zusammenhang mit dem Vormarsch autoritärer Personen in Österreich und seinen Nachbarländern», bilanziert Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich. «Dieses Vorgehen dient, genauso wie wiederholte Drohungen von Einsparungen und Entlassungen im öffentlichen Rundfunk, der Einschüchterung von Journalisten. Ein Vorgehen, das einer Demokratie nicht angemessen ist», befand Möhring.

Faktische Informationssperre

Jüngstes Beispiel: Das von Herbert Kickl (FPÖ) geleitete Innenministerium hat faktisch eine Informationssperre für kritische Medien erlassen. Der Polizei wird in einem ursprünglich vertraulichen E-Mail «vorgeschlagen», die Kommunikation insbesondere mit den Zeitungen Standard, Kurier und Falter auf das nötigste rechtlich vorgesehene Mass zu beschränken. Das Ministerium hat auch Wünsche: So sollen Sexualdelikte durch die Polizei verstärkt thematisiert werden, wobei auch Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsstatus von Verdächtigen ausdrücklich genannt werden sollen.

«Hier droht nichts Geringeres als ein Kippen der exekutiven Öffentlichkeitsarbeit ins Hetzerische», kommentiert der Standard. Für ein friedliches Miteinander in der von Migration geprägten österreichischen Gesellschaft sei «die systematische Nennung der Staatsbürgerschaft und des Aufenthaltsstatus mutmasslicher Täter schädlich.» Die Herkunft eines Tatverdächtigen ist in der Tat nur dann relevant, wenn es für die Fahndung oder für das Verständnis des Falles wichtig ist.

Angriffe nehmen zu

Selbst wenn Österreichs Bundespräsident Alexander van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz sich deutlich von diesem Vorgang distanzieren, und selbst wenn Innenminister Herbert Kickl nach massiver Kritik zurückbuchstabiert und die Verantwortung für das kritisierte E-Mail auf einen Mitarbeiter seines Ministeriums schiebt: Dass die FPÖ Mühe hat mit der liberalen, pluralistischen Demokratie im Allgemeinen und mit der Pressefreiheit im Besonderen, ist längst bekannt. Die FPÖ hat auch nach dem Eintritt in die Koalitionsregierung mit der ÖVP im Dezember 2017 ihre Angriffe auf die Medien nicht eingestellt: «Ganz im Gegenteil. Sie sind teilweise noch angriffiger und pauschaler geworden», sagte der österreichische Kommunikationswissenschaftler Jakob-Moritz Eberl schon im Mai dieses Jahres in einem Interview mit dem Kurier.

«Einer liberalen Demokratie unwürdig»

Der FPÖ-Politiker Norbert Steger, seit Mai 2018 Vorsitzender des Stiftungsrates des Österreichischen Rundfunks (ORF), drohte beispielweise, ORF-Korrespondenten zu kündigen, weil sie ihm zu «einseitig» über die ungarische Wahl berichtet hätten. Für Eberl ist das ein klares Zeichen dafür, «dass sich bei der FPÖ die Angriffe gegen die Pressefreiheit fortsetzen. Dabei hat sich die Berichterstattung des ORF meines Wissens wenig von jener in anderen westeuropäischen Staaten unterschieden. Korruption, eine antisemitische Wahlkampagne oder eine Einschränkung des Rechtsstaats und der Medienfreiheit sollten Journalisten unabhängig der Couleur kritisieren. Diese Drohungen der FPÖ sind gefährlich und einer liberalen Demokratie unwürdig. In diesem Punkt hat sich die FPÖ für eine Medienpolitik im Zeichen Ungarns oder Russlands entschieden.»

FPÖ-Innenminister spricht von «Lügensender»

Die FPÖ hatte schon immer ein problematisches Verhältnis zur Pressefreiheit (Infosperber berichtete darüber bereits im Dezember 2017). Die Angriffe gegen die Medien im Allgemeinen und den ORF im Speziellen haben eine lange Tradition. Bereits der frühere, inzwischen verstorbene Vorsitzende Jörg Haider hatte seine liebe Mühe mit kritischer Berichterstattung.

So wollte er 1993 etwa dafür sorgen, dass in «Redaktionsstuben weniger gelogen wird». Parteichef Strache wiederum forderte im Jahr 2016 den Rücktritt zweier ORF-Journalisten wegen einer Recherche zum Israel-Besuch des damaligen FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer. Immer wieder gifteln FPÖ-Politiker gegen den ORF. Der frühere FPÖ-Generalsekretär und heutige österreichische Innenminister Herbert Kickl etwa bezeichnete den ORF als «Lügensender». Gegen das Wiener Stadtmagazin Falter ging die Partei gerichtlich vor, weil das linksliberale Blatt über einen Korruptionsverdacht rund um die FPÖ berichtete.

Österreichs Oberster Gerichtshof wies die Klage unter Hinweis auf die Pressefreiheit dann allerdings ab. Besonders problematisch an der Sache ist der Umstand, dass die FPÖ nun für ihren Kampf gegen unabhängige Medien die offiziellen Kanäle der österreichischen Regierung einsetzt.

Warnung vor «Message Control»

Die E-Mail-Affäre ist nur der jüngste Versuch, die politische Berichterstattung zu manipulieren. «Seit Monaten schon steigt der Druck auf österreichische Journalisten – und das nicht nur aus FPÖ-geführten Ministerien. 'Message Control' ist der euphemistische Begriff für die PR-Strategie der österreichischen Regierung», schreibt die Süddeutsche Zeitung. Der österreichische Presserat gab deshalb im August 2018 die Empfehlung ab, jede Pressemitteilung der Regierung mit Vorsicht zu behandeln und auf Richtigkeit zu überprüfen. An sich eine Selbstverständlichkeit – aber dass das in dieser Form in Erinnerung gerufen werden muss, zeigt, wie dramatisch der Presserat die Lage einschätzt.

Originalton Presserat: «Informationen von Regierungsstellen sind nicht immer ausgewogen und sollten von Medien nur nach eingehender Recherche und Überprüfung übernommen werden. Der Senat 1 des Presserats betont, dass es zu den wesentlichen Aufgaben von Journalistinnen und Journalisten gehört, Regierungsinformationen zu hinterfragen und auf ihre Korrektheit zu prüfen.» Und weiter: «Der Senat fordert die Medien dazu auf, ihre wichtige Kontrollfunktion 'als vierte Gewalt im Staat' wahrzunehmen und auch Regierungsinformationen nicht unreflektiert zu übernehmen. Durch eine entsprechend tiefgehende Recherche und die Befragung unabhängiger Experten kann Versuchen von 'Message Control' von Vornherein wirksam entgegengewirkt werden.»

Bereits im Februar 2018 warnte der Presserat: «Auch in Österreich haben vor allem die FPÖ als Oppositionspartei und ihr nahestehende Medien oftmals JournalistInnen pauschal als 'Gesindel' und Medien als 'Lügenpresse' abqualifiziert. Seit FPÖ-Politiker Teil der Bundesregierung sind, haben diese Angriffe auf unabhängige JournalistInnen drastisch zugenommen. Verschiedene Beispiele zeigen, dass Politiker ihre Macht und den Umstand, dass ihren Aussagen (auch in den sozialen Netzwerken) viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, dazu nutzen, einzelne JournalistInnen herauszugreifen und gezielt zu diskreditieren.»

Jürg Müller-Muralt / Infosperber