Einige Klarstellungen über Katalonien 2017 Spanien: Nach dem Katalonien-Referendum

Politik

5. Oktober 2017

Wer eine Abstimmung über die Frage organisiert, ob sich eine Region zum eigenen Staat ausruft, bestreitet damit in denkbar prinzipieller Weise die Herrschaft des bisherigen Staates über Land und Leute.

Katalonien-Referendum in Maresme, Oktober 2017.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Katalonien-Referendum in Maresme, Oktober 2017. Foto: Alberto-g-rovi (CC BY 3.0 cropped)

5. Oktober 2017
2
0
4 min.
Drucken
Korrektur
I. Es handelt sich damit um einen grundsätzlichen Angriff gegen die staatliche Souveränität, was die Exekutive der spanischen Regierung auch genauso beantwortet. Überall wo, gegen den erklärten Willen der Zentralregierung und verboten vom spanischen Verfassungsgericht, Wahlurnen aufgestellt werden, tritt die Polizei in Form der „guardia civil“ am Wahlabend auf und macht Schluss mit dieser Abstimmung, die als das gewertet wird, was sie sein will: Ein Angriff gegen das herrschende Gewaltmonopol welcher zuvor von den demokratischen Organen der spanischen Regierung verboten wurde. Damit legt die spanische Zentralregierung ziemlich deutlich Zeugnis darüber ab, dass es der Staat ist, der bestimmt, wer zu seinem Volk gehört.

II. „El pueblo“ dient dabei alle paar Jahre als Berufungsinstanz für die eingerichtete Herrschaft, indem die eingereichten Wahlzettel zur „Volksstimme“ zusammenaddiert werden, und dann die Parteien untereinander ausmachen, in welcher Konstellation die nächsten Jahre regiert wird. Umgekehrt wird aber jede noch so grosse Zusammenrottung von Katalanen noch von der spanischen Regierung als Separatisten erkannt, die sich völlig zu Unrecht auf das Volk berufen. Dem praktischen Versuch, die eigenen Bestrebungen zum Kleinstaat mit einem Volksentscheid als „Volkswillen“ zu deklarieren, werden dabei gar nicht erst zugelassen: Immerhin ist es der spanische Staat selbst, der entscheidet, was das Volk will, in dem es alle paar Jahre Wahlen abhält und so seine Regierung legitimiert.

III. Das Volk ist dabei das Menschenmaterial, auf welches sich nicht nur der spanische Staat, sondern auch die katalanischen Parteien und Gruppen beziehen, welche sich von der spanischen Nation lösen wollen. In Anschlag genommen wird es der Sache nach daher natürlich von beiden Seiten: Der Regierungschef Kataloniens liest aus den Papierzetteln, die von rund 42 Prozent überhaupt bemalt und von wiederrum 80% dieses Teils mit „Ja“ angekreuzt wurde, das Recht heraus, einen unabhängigen Staat zu gründen. Die spanische Zentralregierung wiederrum erkennt das Referendum gar nicht an – „Es hat in Katalonien kein Referendum gegeben“ – und verweist auf das Gericht, welches das Referendum zuvor für illegal und damit für undemokratisch erklärt habe.

IV. Die linken Kommentatoren in Deutschland legen dabei vor allem Zeugnis ab über ihre Sicht auf die Lage. Anstatt auch nur zu Versuchen zu beschreiben, was dort passiert, scheint für sie vor allem klar zu sein, was dort nicht passiert: Mit Demokratie auf jeden Fall habe dieses „undemokratische Vorgehen des spanischen Staates“ mit Sicherheit nichts zu tun. Damit zeigen diese linken Kreise einmal mehr, dass wirklich keine Massnahme eines demokratischen Staates es schafft, ihren Idealismus zu blamieren, sondern dass sie umgekehrt eher bereit sind noch jeder Demokratie diesen scheinbaren Ehrentitel abzuerkennen. Exemplarisch sei hier nur Jan Schwab angeführt, der konsequent von „post-franquistische Repression“ spricht, wo die ‚Guardia Civil' massenweise katalanische Patrioten wegräumt. Diese Gewalt der demokratischen Regierung kann sich Schwab offensichtlich nur als Abweichung des bürgerlichen Staates von sich selbst erklären, der sein faschistisches Erbe nie überwunden hat. Wie genau solle wohl ein demokratischer Staat auf eine verbotene Abstimmung reagieren, welche seine Hoheit infrage stellt?

V. ‚Solidarisch' solle sich der gemeine Linke dabei mit dem katalanischen Nationalismus aber nicht nur erklären, weil dieser von einem „demokratischen Massenaufstand“ betrieben werde gegen seine undemokratische Unterdrückung. Dazu noch einmal Jan Schwab: „Es geht also um mehr in Katalonien. Nationale, demokratische und soziale Frage fliessen dort gerade zusammen. Insbesondere zur sozialen und demokratischen Frage sollten wir uns als internationale Linke verhalten, auch wenn wir dem nationalen Teil der Agenda, dem Separatismus und einigen Strömungen in der katalanischen Bewegung kritisch gegenüberstehen.“

Ausgerechnet also, dass hier die nationale mit der sozialen Frage vermischt wird; gerade also, dass sich hier massenweisse Bürger ihre Beschädigung nicht etwa aus ihrer Klassenlage erklären, sondern darüber, dass sie von Politikern des falschen Volkes regiert werden; ausgerechnet also, dass sich hier ein „Volk“ aufstellen will, dass „klassenübergreifend“ behauptet, ein gemeinsames Interesse zu haben, egal ob katalanische Putzfrau oder Eigentümer; ausgerechnet also, dass hier einmal mehr der nationalistische Schluss aus der sozialen Misere gezogen wird, soll dazu führen, dass unsere Solidarität als Linke das „mindeste, was zur Zeit geboten wäre“ sei.

Berthold Beimler