Solidarität mit indymedia.linksunten Kein Kuscheln mit dem Gewaltapparat

Politik

1. November 2018

Seit mehr als einem Jahr ist ein linkspluralistisches Onlinemagazin verboten. Nicht in der Türkei, in Kuba, Russland oder Venezuela. In Deutschland ist die Online-Plattform indymedia.linksunten seit Ende August 2017 abgeschaltet.

Karikatur von Timo Essner über das Verbot und die Schliessung der Internet-Plattform «linksunten.indymedia.org» durch den Bundesinnenminister Thomas De Maizière.
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Karikatur von Timo Essner über das Verbot und die Schliessung der Internet-Plattform «linksunten.indymedia.org» durch den Bundesinnenminister Thomas De Maizière. Foto: Timo Essner (CC BY-SA 2.0 cropped)

1. November 2018
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Korrektur
Die staatliche Massnahme war erklärtermassen eine Reaktion auf die teilweise militanten Proteste gegen den G20-Event in Hamburg im letzten Jahr. Danach wurden zahlreiche linke oder alternative Zentren und Einrichtungen von Medien und PolitikerInnen an den Pranger gestellt. Nur stellte sich heraus, dass die meisten rechtlich nicht so einfach abzuräumen sind.

Daher war das Linksunten-Verbot auch ein Symbol der Politik, sie reden nicht nur über Repression, sie handeln auch. Im Übrigen würde ich auch nicht das Vorurteil bedienen, dass die Repression immer schlimmer wird. Das ist keine lineare Entwicklung. Es sei nur daran erinnert, dass während der Anti-AKW-Proteste immer wieder Publikationen dieser Bewegung beschlagnahmt und verboten wurden. Damals gab es auch Razzien in Infoläden und Asten, die die Publikationen ausgelegt und unterstützt haben, aber auch in Druckereien, wo sie hergestellt wurden.

Heute wird eben für ein Onlinemagazin ein Verein konstruiert, der dann verboten wird. Endgültig über die Rechtmässigkeit des Verbots ist noch nicht entschieden, die Prozesse stehen noch aus. Doch das Verbot war sofort vollziehbar und so ist in Deutschland seit über einem Jahr ein Organ des linken Medienpluralismus abgeschaltet, das in der Hochzeit der globalisierungskritischen Bewegung entstanden ist.

Bereits im Juli 2001 anlässlich des G8-Gipfels in Genua gab es einen massiven Repressionsschlag der italienischen Staatsapparate gegen Indymedia-AktivistInnen in der Diaz-Schule. Es gab Massenfestnahmen und zahlreiche Menschen wurden von der Polizei misshandelt und schwer verletzt. Damals solidarisierten sich weltweit viele Menschen und Organisationen mit Indymedia. In vielen Ländern gab es Proteste vor italienischen Botschaften und Konsulaten. Auf jeden Angriff auf Indymedia-Einrichtungen und AktivistInnen folgte damals eine transnationale Solidarität. Doch eine solche Solidarität blieb beim indymedia.linksunten-Verbot weitgehend aus, in Deutschland und international.

Das Schweigen der Prantls und Roths dieser Republik

Auch von den linksliberalen und gewerkschaftlichen Spektren in Deutschland gab es kaum Solidarität. Wäre eine kritische Online-Plattform in Venezuela, Russland oder Kuba abgeschaltet worden, wäre die Zahl der KritikerInnen hierzulande vermutlich gross, die Pressefreiheit anmahnen würden. Doch, wenn in Deutschland eine linke Onlineplattform abgeschaltet wird, schweigen die Heribert Prantls und Claudia Roths dieser Republik, die sonst dauerempört sind über all die Übel dieser Welt. Das liegt auch an die Einteilung in MedienaktivistInnen und „richtige JournalistInnen“.

So mussten die KollegInnen, die bei den G20-Protesten in Hamburg die Akkreditierung verloren haben oder gar nicht bekamen, immer betonen, dass sie ‚richtige' JournalistInnen sind, damit sie als Opfer von staatlicher Repression anerkannt wurden. Gerade die linksliberale Kritik verlangt „richtige“, d.h. durch Staatsapparate beglaubigte und durch Presseausweise legitimierte JournalistInnen. Wer dies nicht ist, hat oft wenige Chancen, Gegenstand linksliberaler Solidarität zu werden, wenn er nicht in Kuba, Venezuela oder Russland aktiv ist. Viele der in diesen Ländern verfolgten JournalistInnen sind MedienaktivisInnen.

In die Kritik würde ich auch die Deutsche Journalist*innenunion (DJU) bei ver.di mit einbeziehen, die DGB-gewerkschaftliche Interessenvertretung von Journalist*innen. Dazu wurde auf dem letzten JournalistInnentag der DJU ein Kritikpapier unter dem Titel „Kein Kuscheln mit dem Gewaltapparat“ verteilt, das auf labournet.de nachlesbar ist [1]. Es geht dort besonders um das Schweigen der Medien in Bezug auf das Linksunten-Verbot, aber auch in Bezug auf andere Staatsrepression nach dem G20-Gipfel. Es ist meines Wissens das einzige Kritikpapier, das diesen Aspekt ohne moralisierende Anklage beleuchtete.

Zum indymedia.linksunten-Verbot heisst es dort: „Schwer von Begriff ist der Grossteil der deutschen Presse auch in Sachen indymedia.linksunten-Verbot. Das Innenministerium konstruiert einen inoffiziellen Verein hinter diesem Portal und verbietet den – das kann es mit jedem Internetauftritt machen, denn das Vereinsgesetz erlaubt das! Indymedia ist ein Medium. Es stellt eine Plattform zum Zweck der Publizistik zur Verfügung. indymedia.linksunten hat im Lauf der Jahre schon mit Enthüllungen von sich reden gemacht. Für ein Online-Medium gilt das Telemediengesetz, das besagt, dass das Medium auf rechtswidrige Inhalte hingewiesen werden muss, bevor sie ihm zur Last gelegt werden können. Das ist nicht geschehen.“

Die Staatsinstanzen sind im Fall von indymedia.linksunten gar nicht erst in Erklärungsnöte gekommen, weil die Proteste gegen das Verbot so klein geblieben sind. Das ist kein gutes Zeichen, wenn man bedenkt, dass in Zukunft die Grenzen der Legalität noch enger gezogen werden könnten.

Peter Nowak / Graswurzelrevolution Oktober 2018, www.graswurzel.net

Fussnoten:

[1] https://www.labournet.de/wp-content/uploads/2018/01/dju_tag2018.pdf