Anmerkungen zum Rücktritt eines Hoffnungsträgers Holm bleibt Bewegung

Politik

Seine Ernennung war die mutigste und wichtigste Personalentscheidung der rot-rot-grünen Koalition in Berlin. Ein linker Überraschungscoup, der das Zeichen setzte: Jetzt wird sich etwas in der Mietenpolitik der Hauptstadt ändern!

Andrej Holm (links im Bild) geht nach seinem Rücktritt wieder dahin, wo er herkommt. In die stadtpolitische Bewegung.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Andrej Holm (links im Bild) geht nach seinem Rücktritt wieder dahin, wo er herkommt. In die stadtpolitische Bewegung. Foto: Heinrich-Böll-Stiftung (CC BY-SA 2.0 cropped)

24. Januar 2017
0
0
5 min.
Drucken
Korrektur
Ein Coup, der das Gefühl beflügelte, dass endlich mal ein glaubwürdiger Vertreter der sozialen Bewegungen auf eine wichtige Position berufen wurde. Ein Hoffnungsträger für alle Menschen, die eine gerechte und lebenswerte Stadt wollen. Und gleichzeitig ein rotes Tuch für skrupellose Investoren, Miethaie und all anderen, die von hohen Mieten, dem Gemauschel der Baubranche und der Gentrifizierung profitieren.

Jetzt hat Andrej Holm seinen Rücktritt erklärt. Eine soziale Wohnungspolitik sei mit SPD und Grünen nicht zu machen, schreibt Holm in einer Pressemitteilung mit der Überschrift “Ein Rücktritt ist kein Rückzug aus der Stadtpolitik”:

«In den letzten Tagen haben mir SPD und Grüne deutlich gemacht, dass sie mich als Staatssekretär politisch nicht unterstützen. Herr Müller von der SPD forderte öffentlich meine Entlassung. Damit wurde eine mögliche Zusammenarbeit in einer Koalition aufgekündigt. Die Koalition selbst steht an einem Scheideweg.

Heute ziehe ich eine Reissleine. Den versprochenen Aufbruch in eine andere Stadtpolitik hat diese Koalition bisher nicht ernsthaft begonnen – das allein mit meiner Personalie zu begründen, wäre absurd. [..]

Als ich dieses Amt vor fünf Wochen antrat, wollte ich ein bitter nötiges Reformprogramm für die Berliner Wohnungspolitik durchsetzen. Denn eines ist klar: Diese Stadt braucht eine Politik für die Mieterinnen und Mieter. Es muss Schluss sein mit einer Politik, die weiter die Profitinteressen der Immobilienbranche an erste Stelle setzt. Für diese Aufgabe bin ich mit den Hoffnungen, dem Vertrauen und der Unterstützung von vielen Berliner Stadtteil- und Mieteninitiativen, von kritischen WissenschaftlerInnen und der Partei DIE LINKE angetreten. Im Koalitionsvertrag war vereinbart, dass dieses Programm nicht nur gemeinsam mit diesen Kräften, sondern auch mit B90/Die Grünen und der SPD gestaltet werden wird.»

Dass sich am Ende die Gegner Holms durchgesetzt haben zeigt, dass mit der Berliner SPD und mit grossen Teilen der Grünen ein wirklicher Wechsel nicht zu machen ist. Die Geschwindigkeit mit der Ramona Pop und ihre Grünen von Holm abrückten, war phänomenal wie kurzsichtig zugleich. Hätten sich die Grünen von Anfang an hinter Holm gestellt, wäre dieser heute noch im Amt.

Beschämenderweise ist die Koalition auf eine hasserfüllte Kampagne angesprungen, die von einem rechten Mistgabelmob gestartet und permanent angeheizt sowie von ein paar schäumenden Hauptstadtblättern weitergekocht wurde. Dass es lächerlich war, einem 18-jährigen seine Beteiligung an der Stasi vorzuwerfen, war schnell den meisten klar. 27 Jahre später. Bei jemanden, der offen mit seiner Vergangenheit umging und sich von der DDR distanzierte. Damit liess sich Holm nicht wegputschen.

Der Beton-SPD war alles recht, um Holm zu stürzen

Man stürzte sich deshalb auf den vermeintlichen Fehler beim Einstellungsfragebogen an der Humboldt-Universität, um die Glaubwürdigkeit von Holm zu untergraben. Hätte dieses Spiel nicht funktioniert, wäre als nächstes seine Nähe zur linken ausserparlamentarischen Bewegung herausgekramt worden. Angeblich drohte der SPD-Innensenator Geisel sogar damit. Der Beton-SPD schien alles Recht, um den unbequemen Staatssekretär loszuwerden und den Status Quo bei den Hochpreismieten zu erhalten.

Mehr als 15.000 Menschen haben eine Petition für Andrej Holm unterschrieben. Der Mann hat starken Rückhalt aus der Stadtgesellschaft und bei politischen Initiativen in der ganzen Stadt. Er wird als Verbündeter gesehen für eine gerechte Stadt. Für preiswerten Wohnraum und eine vernünftige Mietenpolitik. Diese Chance auf einen echten Politikwechsel, der bei den Menschen auch praktisch ankommt, hat Rot-Rot-Grün ohne Not verspielt.

Zu Holms Plänen gehörten, wie der Freitag schreibt:

«„eine ganz klare Priorisierung von sozialen Funktionen des Wohnens gegenüber privaten Profiten oder privaten Interessen“ [..], eine Überarbeitung des Zweckentfremdungsverbots, „sodass es tatsächlich hilft“, und seine Erweiterung von Ferienwohnungen auf spekulativen Leerstand. Eine Ausweitung der Milieuschutz-Satzungen, stärkere Nutzung des Vorkaufsrechts, Eigenkapitalaufstockung und mehr Grundstücke für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, 400.000 statt heute 300.000 landeseigene Wohnungen, Sicherung von 100.000 Sozialwohnungen, „Mitsprachemöglichkeiten der Bewohnerschaft wie im dänischen Genossenschaftswesen“.»

Holm selbst zählt folgende Ziele seiner Politik in seiner Presseerklärung auf:
  • eine Reform der AV Wohnen, so dass in Zukunft Hartz-IV-EmpfängerInnen nicht mehr durch Mieterhöhungen aus ihren Wohnungen vertrieben werden können,
  • eine Reform des sozialen Wohnungsbaus, so dass dieser seiner Aufgabe wieder gerecht wird,
  • eine soziale Neuausrichtung der landeseigenen Wohnungsunternehmen und mehr Mitbestimmung für die MieterInnen,
  • wirksame Massnahmen gegen die steigenden Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt,
  • einen Stopp der Verdrängung einkommensschwacher Bewohner.
Es wird sich zeigen, wieviele der guten stadt- und wohnungspolitischen Ansätze im Koalitionsvertrag diese Regierung ohne Andrej Holm überhaupt umsetzen wird. Ihre Glaubwürdigkeit auf diesem Feld hat die Regierung mit seinem Rauswurf schon jetzt verloren.

Andrej Holm geht jetzt wieder dahin, woher er herkommt. In die stadtpolitische Bewegung. Sie hat seine Nominierung erst möglich gemacht. In seinem Rücktrittsschreiben lud er folgerichtig zu einer grossen Versammlung ein, um über seinen Rücktritt und die Zukunft der Stadt zu sprechen. Und um dieser Regierung weiter Druck auf der Strasse zu machen. Das ist gut so, denn es wird bitter nötig sein.

Mikael in den Fahrt
metronaut.de

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC 2.0) Lizenz.