Arbeiterkampf in England Vor 25 Jahren: Britischer Bergarbeiterstreik

Politik

18. April 2009

Im März 1984 begann der grosse britische Bergarbeiter/innen/streik. Er sollte ein ganzes Jahr lang dauern und sehr wesentlich über die weitere Klassenkampfentwicklung in Grossbritannien und Westeuropa entscheiden. Dieser gigantische Arbeitskampf brachte für die Lohnabhängigen eine Reihe bitterer Lehren, die es für bevorstehende Auseinandersetzungen zu lernen gilt.

Demonstration während des britischen Bergarbeiterstreiks 1984 in London.
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Demonstration während des britischen Bergarbeiterstreiks 1984 in London. Foto: Nick (CC BY 2.0)Richard Newall (CC BY-SA 2.0)Richard Newall

18. April 2009
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Der "Great Miner's Strike" von 1984/85 war der wichtigste Klassenkonflikt in Grossbritannien in den 1980er Jahren, ein Kampf, der lange Zeit darüber hinaus erhebliche Folgen für die Arbeiter/innen/klasse und -bewegung haben sollte.

Ein Jahr lang streikten etwa 170.000 Bergarbeiter/innen (fast ausschliesslich Männer), unterstützt von den Frauen der Bergbaugemeinden. Die Medien verleumdeten sie als undemokratische Schläger. Die Tories (die von Margaret Thatcher geführte Konservative Partei) versuchten sie auszuhungern, indem sie alle Formen von Sozialleistungen strichen.

Die Polizei attackierte die Streikposten in paramilitärischer Weise und agierte in den Bergbaugebieten wie eine Besatzungsarmee. Sie bekam Sonderrechte wie die Umleitung von Autos und Bussen Hunderte Kilometer von ihren Zielorten entfernt oder die Einschüchterung von Busunternehmen, damit sie Verträge mit den Bergarbeiter/inne/n ablehnen.

Unterstützt wurde die Polizei vom Staatsanwalt, dem konservativen Abgeordneten Michael Havers. Die Gerichte stahlen den Streikfond und inhaftierten massenhaft Streikende. Die Geheimdienste infiltrierten die Bewegung und hörten ihre Telefone ab. Thatcher bezeichnete die Bergarbeiter/innen als "inneren Feind".

Der Bergarbeiter/innen/streik 1984/85 war ein Bürger/innen/krieg, in dem 11.312 Bergarbeiter/innen verhaftet, über 200 längerfristig eingesperrt und 966 wegen ihrer Rolle im Streik entlassen wurden. Über 3.000 Streikende wurden verwundet und zwei an der Streikpostenkette von der Polizei ermordet: David Jones und Joe Green. Der Einsatz von 20.000 Polizisten gegen die Streikenden im ganzen Land verschlang 500.000 Pfund pro Tag. All die Massnahmen zur Niederwerfung der Streikenden kostete die Regierung über drei Mrd. Pfund, mehr als der Malvinas-Krieg gegen Argentinien 1982.

Die Streikenden und ihre Familien organisierten zwölf Monate lang ihr Überleben ohne Löhne und Beihilfen. Sie organisierten fliegende Streikposten (Flying pickets), kämpfen heftigste Schlachten mit einer militarisierten Polizei und sogar Militärs in Polizeiuniformen, nahmen an Treffen von Tausenden anderen Gewerkschafter/inne/n teil, um Solidarität zu gewinnen. Die Frauen der Bergbaugemeinden formierten eine Frauenmassenbewegung.

Inspiriert vom Kampf der Bergarbeiter(frauen) verschrieben sich Hunderttausende Aktivist/inn/en der Gewerkschaften und der politischen Arbeiter/innen/bewegung, der Immigrant/inn/en-Communities, der Frauen- und der Lesben/Schwulen-Bewegung der Unterstützung für den Bergarbeiter/innen/streik. Dennoch wurden der Streik und damit die Avantgarde der britischen Arbeiter/innen/klasse besiegt. Die Labour-Rechte argumentierte danach, dass Streiks eben überholt seien. Die Niederlage der Bergarbeiter/innen bedeutete eine strategische Niederlage für die gesamte Arbeiter/innen/klasse. In den Jahren danach wurde ein Sektor nach dem anderen besiegt, darunter die stärksten verbliebenen Teile wie die Drucker/innen 1986 und die Hafenarbeiter/innen 1989.

Die Gewerkschaftsmitgliedschaft brach dramatisch ein. In ganzen Industrien wurden Gewerkschaften nicht mehr anerkannt. Mit einer in der Arbeiter/innen/klasse verankerten revolutionären Führung wäre ein Sieg im Bergarbeiter/innen/streik zweifellos möglich gewesen. Wie wir sehen werden sind weder die Führung der Bergarbeitergewerkschaft NUM (National Union of Mineworkers) um Arthur Scargill noch die verschiedenen linken Organisationen dieser Verantwortung gerecht geworden.

Anders als die meisten Gewerkschaftsbürokrat/inn/en war Arthur Scargill ein wirklicher Kämpfer. Er hatte nie irgendwelche Absichten eines Ausverkaufs. Er stand für ein kämpferisches Gewerkschafter/innen/tum, stützte seine Politik aber stark auf Manöver innerhalb des linken Flügels der Gewerkschaftsbürokratie und hatte den syndikalistischen Glauben, dass militante Streikposten der NUM allein den Staat besiegen können. Er teilte das klassisch stalinistische Broad-Left-Konzept: den bürokratischen Apparat übernehmen statt ihn in die Kontrolle durch die Basis aufzulösen.

Ausserdem scheute Scargill die offene politische Auseinandersetzung mit den rechten, streikfeindlichen Bürokrat/inn/en in den anderen Gewerkschaften und dem Dachverband TUC, was für die Ausweitung des Streiks fatal war. Und zu einem Bruch mit der Labour Party, die sich in den Kämpfen auf die Seite der Polizei stellte, war er ebenfalls nicht bereit. Thatcher hat den Konflikt mit der NUM von langer Hand geplant und konnte sich auf ausgefeilte Strategiepapiere stützen. Ein Papier von Keith Joseph hatte den programmatischen Titel "Die Lösung des Gewerkschaftsproblems ist der Schlüssel für den Aufschwung Grossbritanniens" und brachte die schärfsten Anti-Gewerkschaftsgesetze in westlichen imperialistischen Ländern. Der Ridley-Plan sah vor, dass die verschiedenen Sektoren der Arbeiter/innen/klasse getrennt und einer nach dem anderen angegriffen werden.
Demonstration während des britischen Bergarbeiterstreiks 1984 in London.

Bild: Das Kokswerk von Orgreave am Rande von Sheffield, wo es zu wochenlangen Auseinandersetzungen zwischen den Streikenden und der britischen Polizei kam. / Richard Newall (CC BY-SA 2.0)

Die Themen der Angriffe sollten demnach rein sektoral sein, das Schlachtfeld jeweils gut vorbereitet werden. Das bedeutete die Anhäufung von Reserven, um Streiks ins Leere laufen zu lassen, und besonders die Spaltung der Arbeiter/innen/klasse durch vorübergehende Zugeständnisse an manche Sektoren, um die anderen in Ruhe und isoliert bekämpfen zu können. Im Kern des Ridley-Planes stand die Zerstörung der NUM, was – zu Recht – als strategischer Sieg über die gesamte Arbeiter/innen/klasse betrachtet wurde.

Seit 1979 gaben die Tories riesige Summen aus, um systematisch gigantische Kohle-Lager anzulegen. Gleichzeitig wurde die Nuklearenergieproduktion vorangetrieben.

Die Polizei wurde zu einer Streitmacht zum Brechen von Streiks reorganisiert und entsprechend hochgerüstet. 1983 wurde schliesslich Ian MacGregor, ein amerikanischer Industrieller und persönlicher Freund von Thatcher zum Vorsitzenden von British Coal gemacht und mit der Privatisierung beauftragt. Auf Grundlage der Anti-Gewerkschaftsgesetze konnten den Automobilarbeiter/inne/n 1979, den Stahlarbeiter/inne/n 1980, den Eisenbahner/inne/n 1982 und den Drucker/inne/n 1983 – jeweils erfolgreich isoliert – erste Niederlagen beigebracht werden.

1981 hatte die Regierung schon mal testweise einen Vorstoss gegen die Bergarbeiter/innen unternommen und die Schliessung von zwei Gruben angekündigt.

Angesichts unmittelbar darauf anrollender Streik, noch geringen Kohlelagerbeständen und einer noch nicht ausreichend bereiten Polizei, hatte Thatcher einen taktischen Rückzug angeordnet.

Im selben Jahr war Scargill, bis dahin Vorsitzender der militanten Bergarbeiter/innen in South Yorkshire, mit 70% der Stimmen zum Vorsitzenden der NUM gewählt worden. Kämpferische Bergarbeiter/innen um Scargill hatten in South Yorkshire seit 1969/70 von der Gewerkschaftsführung unabhängige Organisationsstrukturen aufgebaut. Beim grossen Bergarbeiter/innen/streik von 1972 übernahmen in Yorkshire Koordinationskomitees aus Bezirksdelegierten die Streikführung.

Tausende fliegende Streikposten, waren, von Scargill dirigiert, in Bussen, Kleinbussen und Autos unterwegs und legten Bergwerke, Kraftwerke und Häfen lahm.

Unterstützt wurden sie von den Hafenarbeiter/inne/n und Eisenbahner/inne/n. Scargill hatte mit seinen Leuten ganz entscheidend zum Sturz der konservativen Regierung von Edward Heath beigetragen und war für die Tories der Staatsfeind Nummer 1. Die Mehrheit der Gewerkschaftsführung hasste ihn ebenfalls. Scargill freilich war überzeugt, dass die Bergarbeiter/innen allein – in einer Art Neuauflage der glorreichen Tage von 1974 – die Thatcher-Regierung stürzen könnten.

Am 1. März 1984 wurden die ersten Grubenschliessungen angekündigt: 25 Bergwerke und 25.000 Arbeitsplätze. Insgesamt sollten nach dem Plan von MacGregor 70 angeblich "unrentable" Minen zugemacht werden, was den Verlust von etwa 70.000 Arbeitsplätzen bedeutete. Innerhalb weniger Tage waren alle Bergwerke in Yorkshire im Streik, bald darauf folgten Schottland, Südwales, Kent, North Derbyshire und der Nordosten.

In den Midlands (Nottingham, Leicester) war die Situation hingegen schwierig: Die dortige rechte NUM-Führung um Ray Chadburn und Jack Jones, die von der Regierung umworben wurde, verlangte eine Urabstimmung, um so den Streikbeginn hinauszuzögern. Damit hätte der Streik – ganz im Sinne von Thatcher – an Dynamik verloren und bis zur Abstimmung wären bereits einige Minen geschlossen gewesen. Die NUM-Führung um Scargill, Peter Heathfield und Mick McGahey machte nun den ersten bedeutenden Fehler, verzichtete auf einen offenen Kampf gegen Chadburn und Jones, verabsäumte die Ausrufung eines landesweiten Streiks und erklärte stattdessen, dass die einzelnen Regionen über den Streik entscheiden sollten.

Das "legalisierte" die Anti-Streik-Kampagne der rechten Bürokraten und führte dazu, dass viele Bergarbeiter/innen in den Midlands anfänglich gar nicht dachten, dass sie Streikbruch betrieben, weil ihre regionale Führung ja nicht zum Ausstand aufgerufen hatte. Ein sofortiger Aufruf zu landesweiten Streik hätte sich auch in den Midlands zumindest auf eine grosse Minderheit stützen können. Und darüber hinaus war die Loyalität zur NUM extrem gross und das Motto "Never cross a picket line" (Überschreite niemals eine Streikpostenkette) für nahezu alle Bergarbeiter/innen eine Frage der Ehre, sodass wohl auch in den Midlands eine grosse Mehrheit die Arbeit eingestellt hätte. Ausserdem waren die harten Streikbrecher/innen um die regierungsfreundliche NUM-Bürokratie in den Midlands anfänglich noch schlecht organisiert.

Diese Chance wurde aber vertan, weil sich Scargill an den heiligen Grundsatz der Gewerkschaftsbürokratie hielt, sich niemals in die Einflusszone anderer einzumischen.

Angesichts der Sabotage von Jones und Chadburn beschloss eine nationale Delegiertenkonferenz der NUM am 19. April endlich den landesweiten Streik, der damit auch für die Midlands galt. Die NUM-Führung war aber erneut zögerlich und verabsäumte es, die nun offenen und mit Regierungsgeldern finanzierten Streikbrecher/innen um Jones und Chadburn aus der NUM auszuschliessen. Damit wurde den Streikbrecher/inne/n weiter Zeit für ihre Aktivitäten gegeben; sie formierten schliesslich die Union of Democratic Mineworkers (UDM), deren einziger Zweck der Streikbruch war.

Nachdem der NUM also kein flächendeckender Streik gelungen war und die Regierung neben ihren riesigen Reserven nun auch über eine Zufuhr von Kohle aus den Midlands verfügte, bestand die einzige Chance für die Streikenden in der Solidarität der Arbeiter/innen in den Kraftwerken, im Transport und der Schwerindustrie. Wenn die Tories die vorhandene Kohle nicht verwenden konnten, war ein Sieg immer noch möglich.

Der TUC hatte 1982 die Lokomotivführer/innen und 1983 die Drucker/innen zu einem Ausverkauf ihrer jeweiligen Streiks genötigt. The Economist, das Zentralorgan der britischen Kapitalist/inn/en, schrieb auch ganz offen, dass eine "Vermittlung" durch den TUC "das zweitbeste Ergebnis" sei, wenn es nicht gelingen sollte, Scargill eine völlige Niederlage beizubringen. Deshalb wollte Scargill jede Einmischung des TUC in den Bergarbeiter/innen/streik verhindern. Die grosse Mehrheit der Streikenden unterstützte diese Linie. Es war sicherlich richtig, den TUC-Bürokrat/inn/en jede Entscheidungsmöglichkeit über den Streik zu verweigern.

Allerdings ging bei Scargill damit der Verzicht einher, vom TUC Solidaritätsaktionen zu verlangen, alle Gewerkschaftsführer/innen dazu zu zwingen, Farbe zu bekennen – und bei verbaler "Solidarität" dann nicht nur Geld, sondern konkrete Aktionen einzufordern. Bei den Beschäftigten in der Kraftwerken, den Eisenbahner/inne/n und den Stahlarbeiter/inne/n gab es ohnehin branchenspezifische Konfliktstoffe und damit gute Ansatzpunkte. Kämpferische Aktivist/inn/en in diesen Industrien nahmen auch erhebliche Risiken auf sich, indem sie etwa lokale Konflikte aus Solidarität mit der NUM eskalierten.

Viele andere Arbeiter/innen in diesen Branchen sympathisierten mit den Bergarbeiter/inne/n, zögerten aber, weil sie keine Anweisungen von ihren Gewerkschaften hatten. Scargill hoffte, über Abkommen mit den Spitzen dieser Gewerkschaften zu einem Boykott des Transportes und der Verarbeitung von Streikbrecher/innen-Kohle zu kommen. Die "linke" Stahl-Gewerkschaft ISTC erklärte zwar feierlich ihre Unterstützung für die Bergarbeiter/innen, ihr rechter Vorsitzender Bill Sirs kündigte aber an, dass die Stahlproduktion jedenfalls aufrecht erhalten werde, auch unter Benutzung von Streikbrecher/innen-Kohle.
Die Orgreave Coking Plant in Sheffield.

Bild: Die Orgreave Coking Plant in Sheffield. / Richard Newall (CC BY-SA 2.0)

Statt die vielen solidarischen und kämpferischen Stahlarbeiter/innen zu einer Rebellion gegen Sirs aufzurufen, war Scargill wiederum zu keinem öffentlichen Kampf gegen Sirs bereit. Im Gegenteil wurden in Yorkshire, Schottland und Südwales von der NUM sogar Abkommen geschlossen, die die dortigen Stahlwerke vom Aufruf auf den Boykott von Kohle ausnahmen. Von den (in diesem Fall stalinistischen) lokalen Gewerkschaftsreformist/inn/en wurde das mit der "industriellen Zukunft Schottlands" legitimiert.

Etwas besser sah es im Transport aus. Aktivist/inn/en der Eisenbahner/innen und Schiffsarbeiter/innen sorgten dafür, dass kaum Kohle transportiert wurde. Eine besonders heroische Rolle spielten die Eisenbahner/innen in Leicestershire, dem Kerngebiet der Streikbrecher/innen: Trotz Einschüchterungs- und Bestechungsversuchen, Drohungen und staatlicher Verfolgungen standen die Eisenbahner/innen dieses Gebietes den ganzen Streik hindurch fest hinter der NUM. Keine Streikbrecher/innen/kohle wurde bewegt.

Dieses glänzende Beispiel proletarischer Solidarität zwang die Regierung zum Einsatz Tausender LKW und erhöhte so die Kosten der Regierung für den Streik erheblich. Im Gegensatz zu den vielen Aktivist/inn/en bei der Eisenbahn spielte die angeblich "linke" Bürokratie der Eisenbahn-Gewerkschaft um Ray Buckton eine beschämende Rolle. Sie druckste herum, dass es von der NUM keine Anfrage für Hilfe gäbe.

Schliesslich machte sie mit der Regierung einen Deal: Die Eisenbahner/innen bekamen eine etwas überdurchschnittliche Lohnerhöhung, die von allen als Bestechung durch die Tories erkannt wurde, und dafür verweigerten die Führer der Eisenbahner-Gewerkschaft einen Streikaufruf. Wie verheerend und kurzsichtig diese Politik selbst von einem bornierten Eisenbahner/innen-Standpunkt aus war, sollte wenige Jahre später deutlich werden, als die Thatcher-Regierung British Rail in eine Reihe von privaten Teilgesellschaften zerschlug.

Angesichts der partiell fortgesetzten Kohleförderung und der begrenzten aktiven Solidarität anderer Sektoren der Arbeiter/innen/bewegung setzte Scargill nun darauf, die Kokswerke zum Stilllstand zu bringen, die die Stahlindustrie versorgten. So kam es zur legendären "Battle of Orgreave" bei einem Kokswerk ausserhalb von Sheffield. Tausende junge Bergarbeiter/innen, unter der direkten Anleitung von Scargill, der selbst in den Kämpfen verletzt und festgenommen wurde, warfen sich wieder und immer wieder gegen die massierte Polizei, die in zehn Reihen und unterstützt von schwer bewaffneten Greiftrupps und berittenen Einheiten, vor dem Werk konzentriert war.

Die Polizeigewalt in Orgreave übertraf alles, was die Arbeiter/innen/bewegung in den Jahrzehnten davor erlebt hatte.

Dennoch kamen vier Wochen lang im Mai und Juni 1984 tausende Bergarbeiter/innen und ihre Unterstützer/innen immer wieder nach Orgreave. "Weder Verletzungen noch Verhaftungen konnten sie abhalten. Ihre physische Tapferkeit war atemberaubend. Auf Scargills Signal wurde der Ruf ‚here we go' immer lauter und ging in einen Sturmangriff auf die Polizeiketten über. Immer wieder zurückgeschlagen, blutüberströmt von Platzwunden an den Köpfen, sammelten sich die Bergarbeiter immer wieder und versuchten es erneut.

Keiner blieb zurück. Keiner zögerte", berichtete der trotzkistische Aktivist Mark Hoskisson, der selbst in der Solidaritätsbewegung aktiv war.

Trotz des Heroismus der Bergarbeiter/innen von Yorkshire fehlten Voraussetzungen für einen Sieg in Orgreave. Erstens wäre eine Vorbereitung auf die neue Realität der staatlichen Gewalt notwendig gewesen. Die Polizei war nicht länger eine Truppe, die sich mit den Streikposten auf ein Schieben und Schubsen einliess und gegen die sich Scargill in den frühen 1970ern mit seinen entschlossenen Bergarbeiter/inne/n erfolgreich durchsetzen konnte. Sie war in eine paramilitärische Formation mit dem offenen Ziel, massenhafte Streikposten zu zerschlagen, umgewandelt worden.

Die Streikenden konnten sie nicht mehr so einfach aufgrund ihrer zahlenmässigen Überlegenheit und ihrer physischen Stärke vertreiben. Bergarbeiter/innen in T-Shirts und Jeans standen Polizeiformationen mit Schlagstöcken, gepolsterten Schutzausrüstungen, Schilden etc. gegenüber. Als Gegenmittel gegen die polizeiliche Bürger/innen/kriegsarmee wäre die Ausbildung von organisierten und entsprechend ausgerüsteten Verteidigungseinheiten der Streikenden nötig gewesen. Scargill aber hatte auf die erfolgreiche Militanz der frühen 1970er vertraut. Das führte nun in Orgreave täglich zu einer riesigen Zahl von Verletzten und Verhafteten.

Scargill freilich hatte eine seiner eigenen Lektionen von 1972 nicht gelernt. Auch in Saltley Gate, wo Scargill damals schliesslich den entscheidenden Sieg errang, hatte es die Polizei geschafft, die Bergarbeiter/innen zehn Tage lang an einer Besetzung des Werkes zu hindern. Auch damals waren die Bergarbeiter/innen immer wieder von der Polizei vertrieben und etliche verletzt worden.

Dann aber traten im nahe gelegenen Birmingham 40.000 Metallarbeiter/innen in den Streik und 10.000 marschierten nach Saltley und brachten den Durchbruch. Dem Polizeichef blieb nichts anderes übrig, als das Saltley-Gate-Kokswerk zu schliessen. Die Regierung hatte keine Möglichkeit mehr, Stromausfälle zu verhindern. Die Industriellen sahen ihre Fabriken ins Chaos stürzen und setzten die Regierung soweit unter Druck, dass sie den Bergarbeiter/inne/n nachgab.
Die Orgreave Coking Plant in Sheffield.

Bild: Orgreave Coking Plant in Sheffield. / Richard Newall (CC BY-SA 2.0 cropped)

Orgreave liegt am Rande von Sheffield. Die stalinistische Communist Party kontrollierte in der Stadt in fast jeder Fabrik die Shop Steward Committees (Betriebsräte). Es gab in Sheffield eine lebendige Kampftradition und sicherlich ein Solidaritätsgefühl mit den Bergarbeiter/inne/n, die in unmittelbarer Nähe tagtäglich von den Polizeischlägern terrorisiert wurden.

Die Communist Party blockierte aber entschlossen alle Initiativen in Richtung Solidaritätsstreik.

Und Scargill, der ein politisches Naheverhältnis zu dieser Partei hatte, versäumte es, in die Stadt zu kommen und selbst zu einem Streik aufzurufen. Während der vier Wochen langen Schlacht in Orgreave gab es in Sheffield keine grossen Kundgebungen. Die Bergarbeiter/innen blieben allein, scheiterten mit der Schliessung des Kokswerkes und die Stahlproduktion ging weiter.

Mit dieser Niederlage gerieten die Bergarbeiter/innen von Yorkshire, die Avantgarde des Streiks, in die Defensive. Es begann eine Invasion der Bergarbeiter/innen/orte selbst und eine echte Besetzung durch eine militarisierte Polizeimacht. Das Ziel war die Einschüchterung der Bergarbeiter/innen, ihrer Familien und Unterstützer/innen. Damit scheiterte der Staat, denn die Besetzung stiess auf anhaltenden und entschlossenen physischen Widerstand. Dennoch war der Kampf der NUM nun in der Defensive.

Während der Schlacht von Orgreave hatten die Bürokrat/inn/en der Eisenbahngewerkschaften, Buckton und Jimmy Knapp, ihren Deal mit der Regierung über die Bühne gebracht. Eine Lohnerhöhung von 5,6%, die leicht über der Inflationsrate lag, wurde als "Sieg" verkauft. Die Erhöhung war zudem noch an Produktivitätssteigerungen gebunden, die 38.000 Jobs in der Bahn-Branche bedrohten. Der Ridley-Plan, während des NUM-Streiks andere Gewerkschaften auszukaufen, funktionierte nur zu gut.

Obwohl die Basis der Eisenbahngewerkschaft ausgesprochen wütend war, sagte Scargill nichts über diesen Ausverkauf. Die Basisaktivist/inn/en der NUM wurden nach all diesen Entwicklungen immer offener für Vorschläge von linksradikalen Gruppen, die für einen Generalstreik eintraten. Viele Bergarbeiter/innen und Aktivistinnen der Women against Pit Closures (Frauen gegen Grubenschliessungen) wurden nun selbst zu Agitator/inn/en in der Arbeiter/innen/klasse. Erfolgreich waren sie besonders bei den Hafenarbeiter/inne/n. In einem Flugblatt der Bergarbeiter/innen in Kent hiess es: "Von Bergarbeitern der Basis an Docker der Basis: Startet jetzt die zweite Front!" Unter dem Druck der Hafenarbeiter/innen-Basis sah sich der Vorsitzende der Hafenarbeiter/innen/gewerkschaft Ron Todd am 9. Juli gezwungen, einen landesweiten Hafenstreik auszurufen.

Dieser Streik hatte das Potential, die Dynamik des gesamten Kampfes mit der Thatcher-Regierung noch einmal zu drehen. In Kombination mit dem partiellen Streik bei der Eisenbahn konnten nun gute Teile der Kohle und des Stahls nicht mehr transportiert werden. Die Arbeitsniederlegung in den Häfen kam ironischerweise genau zu dem Zeitpunkt, als die Mehrheit der NUM-Führung bereits nach einem Deal mit der Regierung suchte. Scargill war zwar dagegen, aber die versöhnlicheren Bürokraten in der NUM untergruben seine Position systematisch. Der Dock-Streik half ihm nun, eine Ablehnung eines Deals mit der Regierung durchzusetzen.

Die zweite Front war nun eröffnet und die britischen Kapitalist/inn/en gerieten in wilde Panik. Nach der Aussage eines Beraters erlitt die "Eiserne Lady" Margaret Thatcher, als sie die Nachricht vom Ausbruch des Hafenstreiks erhalten hatte, einen Zusammenbruch und brach in Tränen aus. In den Tagen darauf bekannte sie bereits gegenüber Berater/inne/n, dass das Spiel verloren sei und dass sie wohl das gleiche Schicksal haben werden wie der von den Bergarbeiter/inne/n aus dem Amt gejagte konservative Premier Heath. Die herrschende Klasse war gespalten.

Eisenbahner/innen verdoppelten ihre Streikaufrufe. In den Miners Support Committees im ganzen Land wurde über die Ausweitung der Aktionen gesprochen. Generalstreik und vollständiger Sieg gegen die Tory-Offensive standen auf der Tagesordnung. Dann aber kam die Führung der Hafenarbeiter/innen/gewerkschaft TGWU, verhandelte mit der Regierung das Ende des Streiks und rettete Thatcher aus dem Desaster. Die TGWU-Führung verlangte nicht einmal irgendeine feste Zusage, dass das "Dock Labour Scheme", die geregelten Arbeitsbedingungen in den Häfen, bewahrt würde.

Sie erhielt keine Versprechen, dass in den Häfen kein Erz und keine von Streikbrecher/inne/n produzierte Kohle entladen würde. Die TGWU-Führung beendete am 21. Juli den Streik, weil sie mehr Angst vor einem gemeinsamen Kampf ihrer Basis mit den Bergarbeiter/inne/n, der nicht gewerkschaftlich organisierte Häfen zu schliessen begann und den sie ausser Kontrolle verlieren könnte, hatten als vor den Tories.

Die kämpferischen Hafenarbeiter/innen waren vom Deal ihrer Führung entsetzt und nahmen diesen beschämenden Verrat nicht so einfach hin. Sie begannen sich neu zu formieren, und als in Hunterston tatsächlich Streikbrecher/innen eingesetzt wurden, um Streikbrecher/innen-Kohle zu entladen, wurde die TGWU-Führung derart unter Druck gesetzt, dass sie am 23. August einen neuerlichen Streik ausrufen musste. Er dauerte bis zum 18. September. Erneut traten Todd&Co. auf den Plan, verhandelten einen lokalen Deal, der die Entladung von Streikbrecher/innen-Kohle erlaubte, und brachen den Streik ab.

Die kämpferischen Aktivisten der TGWU waren nicht stark genug, das zu verhindern oder einen dritten Streik zu erzwingen. Und Scargill wiederholte seinen bisherigen Fehler: Er denunzierte nicht den Verrat der TGWU-Führung, er appellierte nicht über deren Köpfe hinweg direkt an die Hafenarbeiter/innen. Er verband nicht den Kampf gegen die Grubenschliessungen mit dem Kampf für die Erhaltung des Dock Labour Scheme. In der bürokratischen Logik gefangen war er zu einem Bruch mit den Klassenverrätern der TGWU-Führung nicht in der Lage und sagte im Radio, dass Ron Todd "weiss, was er tut". In gewisser Weise stimmte das wohl auch.

In der entscheidenden Phase des Kampfes der Bergarbeiter/innen, im Juli 1984, als auch die Hafenarbeiter/innen im Streik waren, gelang es der Regierung noch ein weiterer Erfolg im Sinne des Ridley-Planes. Der Stadtrat von Liverpool, der von der Militant-Tendenz geführt wurde (ein Strömung mit trotzkistischem Anspruch in der Labour Party, britische Vorläuferorganisation von SAV/SLP und Funke), befand sich seit einiger Zeit im Konflikt mit der Thatcher-Regierung um staatliche Zuschüsse für die Stadtverwaltung.

Nun machte die Regierung einige Zugeständnisse in dieser Frage, um eine Ausweitung des Konfliktes mit den Berg- und Hafenarbeiter/innen aus einen Generalstreik in Liverpool zu verhindern. Militant liess sich auf einen entsprechenden Deal ein, ermöglichte es der Regierung, sich in Liverpool freizukaufen und fiel den Bergarbeiter/innen so in den Rücken. Qualitativ bestand zwischen dem Agieren von Militant und dem der "linken" Führungen bei den Eisenbahner/inne/n und den Hafenarbeiter/inne/n kein Unterschied.
Die Orgreave Coking Plant in Sheffield.

Bild: Orgreave Coking Plant in Sheffield. / Richard Newall (CC BY-SA 2.0 cropped)

Die klassenkämpferischen Aktivist/inn/en in verschiedensten Gewerkschaften waren nicht organisiert genug, um mit einer Basisbewegung den Verrat der Führung beziehungsweise die unzureichende politische Linie von Scargill zu überwinden.

Nach dem Streikabbruch der TGWU standen die Bergarbeiter/innen die nun folgenden letzten sechs Monate ihres Kampfes mit dem Rücken zur Wand.

Statt gegen die Gewerkschaftsbürokratie zu mobilisieren, liess sich Scargill nun auf einen Deal mit der TUC-Führung ein, der die Kontrolle über die materielle Solidarität faktisch in die Hände des TUC-Vorsitzenden Len Murray und dann, ab dem TUC-Kongress 1984, seinem Nachfolger Norman Willis legte.Dessen rechte Clique kündigte offen an, dass sie die Bergarbeiter/innen nicht unterstützen würden. Die gemässigte Rechte stimmte lediglich einer unspezifischen finanziellen Unterstützung zu. Was Scargill als Erfolg feierte, hiess real: Sozialhilfe für die Bergarbeiter/innen/familien, aber keine aktive Solidarität. Der Zugriff auf die materielle Unterstützung gab dem TUC auch Einfluss auf den Streik insgesamt, denn nach sieben Monaten Arbeitskampf waren die Streikenden finanziell ausgehungert und wurde die Geldfrage immer wichtiger.

Ab September 1984 hätte nur noch ein Generalstreik die Bergarbeiter/innen retten können. Die NUM-Vertreter führten am TUC-Kongress aber keinen Kampf dafür. So konnte die TUC-Führung an einem Deal mit dem National Coal Board (NCB) basteln. Die Labour-Führung übertraf in ihrem Verrat noch die TUC-Bürokrat/inn/en. Am TUC-Kongress sprach auch Labour-Führer Neil Kinnock. Er verurteilte dabei die "Gewalt der Streikposten" und reproduzierte damit die Propaganda von Regierung und bürgerlichen Medien. Gleichzeitig verlor Kinnock kein Wort über die Polizeigewalt, über die Einschränkung demokratischer Rechte oder die staatlichen Einschüchterungen gegenüber den Streikenden und ihre Familien.

In diese Phase fiel eine Urabstimmung der Steigergewerkschaft NACODS, in der sich 82,5% des für die Sicherheit des Bergbaus zuständigen Personals für Streik aussprachen. Die Führungen von NACODS und TUC waren ebenso schockiert wie die Regierung, denn ein NACODS-Streiks hätte den Kohleabbau komplett unterbunden. Noch einmal fürchtete Thatcher die Niederlage gegen die Arbeiter/innen/klasse, aber die Bürokrat/inn/en von TUC und NACODS eilten ihr zu Hilfe.

Ende Oktober wurden eine jämmerliche Vereinbarung abgeschlossen, die – unter lokaler untergeordneter Einbeziehung der Gewerkschaften – die Durchführung des Schliessungsprogramms vorsah. Der NACODS-Streik war somit vorbei, bevor er begonnen hatte.

Von November 1984 an war die NUM nun völlig auf sich allein gestellt. Kinnock sprach sich sogar gegen eine Generalamnestie für die Bergarbeiter/innen aus. Die regierungstreuen Gerichte verhängten eine Geldbusse in der Höhe von 200.000 Pfund gegen die NUM und Scargill. In den letzten Monaten des Streiks stand immer mehr das Sammeln von Geld im Vordergrund. Kampf ums Überleben ersetzte immer mehr den Kampf für Solidaritätsaktionen. Das NCB arbeitete, teilweise erfolgreich, mit Bestechungen für eine "Rückkehr zur Arbeit". Die weniger kämpferischen Teile der NUM bekamen jetzt die Oberhand und orientierten nachdrücklich auf einen Kompromiss mit dem NCB. Einige geringfügige Zugeständnisse des NCB schienen auch möglich, aber Thatcher intervenierte persönlich, um das zu verhindern. Sie wies MacGregor an, keinerlei Abstriche zu machen, denn sie sah nun die Chance, die NUM vollständig zu besiegen.

Nach dem Ende des Docker/innen-Streiks und dem NACODS-Fiasko und nachdem die Beschäftigten der Kraftwerke von den rechten Bürokrat/inn/en ihrer Gewerkschaft angewiesen worden waren, Streikbrecher/innen/kohle zu verwenden, verhärtete sich die Position der Thatcher-Regierung weiter.

Die rechte Führung der Metaller/innen-Gewerkschaft hatte gerade in der Automobilindustrie einen Ausverkauf verhandelt, der eine weitere wichtige Gruppe der Arbeiter/innen/klasse aus dem Kampf nahm. Im Oktober 1984 installierte Thatcher die schärfsten Antigewerkschaftsgesetze und die Gerichte erklärten landesweite Streiks für illegal. Als der TUC nicht einmal dagegen etwas unternahm, wusste Thatcher, dass der Gewerkschaftsdachverband keinen Finger rühren würde, um den Bergarbeiter/inne/n zu helfen. Ende Januar 1985 wies sie MacGregor an, die bedingungslose Kapitulation der NUM zu verlangen.

Scargill rief nun, viel zu spät, zu einem Generalstreik auf. Es entstand auch eine Basisbewegung, die für die Fortsetzung der Massenstreikposten, einen direkteren Einfluss der Basis auf die Verhandlungen und dafür eintrat, dass es keine Rückkehr zur Arbeit gab, bevor nicht alle verfolgten Bergarbeiter/innen wieder eingestellt worden sind. Dennoch setzten sich in der NUM nun die "gemässigten" Kräfte durch. Am 3. März 1985 stimmten auf der nationalen Delegiertenkonferenz der NUM 91 für die Fortsetzung des Streik und 98 für die Rückkehr zur Arbeit ohne Vereinbarung. Nach einem Jahr Klassenkrieg hatten die Bergarbeiter/innen und ihre Familien verloren.

Scargill sprach nach dem Streikende von einem "moralischen Sieg". Tatsächlich war der Kampf der britischen Bergarbeiter/innen und Women against Pit Closures ein Beispiel für heroischen Mut und beeindruckende Klassensolidarität. Dennoch wäre es sinnlos, sich über das Ausmass der Niederlage etwas vorzumachen:

Die NUM hatte zwanzig Jahre später nur mehr 3.000 Mitglieder, der Schrecken der herrschenden Klasse war nachhaltig geschwächt worden.

Die Niederlage der Bergarbeiter/innen 1984/85 bedeutete eine strategische Niederlage für die gesamte britische Arbeiter/innen/klasse. Durch das Scheitern dieses wichtigsten Arbeitskampfes in Jahrzehnten wurde die britische Arbeiter/innen/bewegung weit zurückgeworfen und hat sich bis heute nicht davon erholt. Durch die Entwicklung des Bergarbeiter/innen/streiks, der ein solch riesiges Potential zum Sturz der Thatcher-Regierung hatte, wurde auf bittere Weise demonstriert, wie sehr der Klasse eine revolutionäre Führung fehlt.

Im Juli 1984 war der Kampf zwischen der Thatcher-Regierung und der britischen Arbeiter/innen/klasse auf des Messers Schneide gestanden, und die Frage der Stunde war gewesen, ob eine Ausweitung des Kampfes auf mehrere Kampffronten gelingen würde. Die bürgerlichen Strateg/inn/en des Klassenkampfes hatten das klar verstanden. Von den Führungen der Labour-Party und des TUC war nichts anderes als Kapitulation zu erwarten. Aber auch die "linken" Gewerkschaftsführungen (Eisenbahn, Stahl...) und subjektiv marxistische Organisationen, die die Arbeiter/innen/bewegung wichtiger Städte dominierten (die stalinistische Communist Party in Sheffield oder Militant in Liverpool), wurden ihrem Anspruch einer klassenkämpferischen Führung des britischen Proletariats nicht gerecht.

Dass im Juli 1984 die Verbreiterung der Kampffront gegen den Frontalangriff der Bourgeoisie auf das schwere Bataillon der britischen Arbeiter/innen/klasse, die NUM, nicht gelang, war nicht nur für die Bergarbeiter/innen fatal, sondern für das gesamte britische Proletariat. Die Niederlage der NUM bedeutete eine strategische Niederlage für die gesamte Klasse. In den Jahren nach dem Sieg über die NUM führte die Tory-Regierung Angriffe auf einen Sektor der Arbeiter/innen/bewegung nach dem anderen.

Auch die Teile, die 1984 vor dem Hintergrund des Streiks in den Zechen Deals mit der Regierung als "Siege" feierten, wurden nun einer nach dem anderen in die Knie gezwungen; ihre Kampfbedingungen waren jeweils schlechter als 1984, denn nun waren die Bergleute bereits besiegt und zu keiner Solidarität mehr in der Lage. Der Kampf der britischen Bergarbeiter/innen war ein heroischer, eine der grossen Klassenschlachten des europäischen Proletariats in den letzten Jahrzehnten. Mit einer richtigen politischen Linie wäre dieser Kampf durchaus zu gewinnen gewesen, was für die ganze Durchsetzung des Neoliberalismus in Europa ein wesentlicher Rückschlag gewesen wäre

Für uns gilt es heute, aus diesem grossen Kampf unserer britischen Klassenbrüder und -schwestern zu lernen, um in bevorstehenden Auseinandersetzung Fehler nicht zu wiederholen.

RSO