Der globale Kapitalismus ist ein selbstzerstörerisches System effizienter Ressourcenverschwendung Klimaschutzziele: Automatisches Subjekt

Politik

Was tun, wenn die selbstgesteckten Klimaschutzziele immer wieder nicht realisiert werden können?

Skyline von Bremerhaven.
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Skyline von Bremerhaven. Foto: Vulkano (CC BY-SA 2.0 cropped)

5. Mai 2014
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Auch hierbei weiss die pragmatische bürgerliche Realpolitik Rat: Man gibt die Postulierung verbindlicher Klimaschutzziele einfach auf. Diesen Weg schlug etwa die Regierung in Tokio im November 2013 ein. Sie gab damit ihre 2009 festgelegte Vorgabe, den CO2-Ausstoss bis 2020 um 25 Prozent gegenüber dem Referenzwert von 1990 zu senken, auf und bezeichnete diese als »nicht realisierbar« und »völlig gegenstandslos«. Der GAU im Reaktorkomplex von Fukushima 2011 zwinge Japan dazu, vermehrt auf fossile Energieträger zu setzen, so ein verbreiteter Erklärungsansatz für diesen klimapolitischen Rückzieher. In Europa agiert man hingegen etwas feinfühliger. Die EU-Kommission einigte sich im Januar 2014 nach dem üblichen Tauziehen auf einen Kompromissvorschlag, der die Reduzierung der CO2-Emissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 1990 vorsieht. Doch sollen viele der damit einhergehenden Ziele, wie die Erhöhung des Anteils regenerativer Energien, ab 2020 auf der Basis der Freiwilligkeit erreicht werden.

Schon längst gilt die Klimapolitik als eine lästige Pflichtübung, die zumeist als eine Hürde bei der sich intensivierenden Standortkonkurrenz betrachtet wird. Paradigmatisch für dieses Denken sind etwa die Äusserungen des österreichischen Wirtschaftsministers Reinhold Mitterlehner anlässlich des europäischen Klimakompromisses im April 2013. Demnach sei »Energiepolitik auch Standortpolitik«. Industrien und damit Arbeitsplätze würden bei allzu strengen Rahmenbedingungen aus Europa abwandern, warnte Mitterlehner. Schliesslich kann allen – inzwischen unverbindlichen – Klimaschutzzielen zum Trotz auf der entscheidenden, globalen Ebene keine Rede von einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen sein. Prognosen des Global Carbon Project vom November letzten Jahres zufolge – einer Einrichtung, die alljährlich diesbezügliche Daten aus Forschungsinstituten zusammenträgt – wurde auch 2013 ein neuer Rekordwert bei den CO2-Emissionen erzielt, die rund 2,1 Prozent über denen von 2012 gelegen haben dürften. Das Scheitern der globalen kapitalistischen Klimapolitik wird mit dem Blick auf längere Zeiträume erst voll ersichtlich: Gegenüber 1990 sind die weltweiten Emissionen durch fossile Brennstoffe um 61 Prozent gestiegen.

An diesen Zahlen blamieren sich auch die Vertreter der unter dem Stichwort »Energiewende« eingeführten pseudoökologischen Ideologie, die in der deutschen Öffentlichkeit in Reaktion auf die Umweltkrise etabliert wurde. Glaubt man den hiesigen Medien und Politikern, so würden ausgerechnet die Gesetzmässigkeiten der kapitalistischen Marktwirtschaft die Lösung für all die ökologischen Verwerfungen liefern, die diese selbst produziert. Es wird die Errichtung eines ökologischen Kapitalismus, einer nachhaltigen, »grünen« Marktwirtschaft gepredigt. Diese soll vermittelst einer umfassenden strukturellen Transformation dieses Gesellschaftssystems, des »Green New Deal«, vollzogen werden. Der Ideologie eines »grünen« Kapitalismus fällt somit angesichts der ökologischen Krisenerscheinungen künftig eine zentrale Rolle bei der Legitimierung der kapitalistischen Produktionsweise zu. Der massenmedial propagierte Irrglaube an einen ökologisch »nachhaltigen« Kapitalismus wandelt das weitverbreitete dumpfe Gefühl, dass »es so nicht mehr weitergehen kann«, in ein Bekenntnis zum Verbleiben in eben dieser Tretmühle. Die Ahnung, dass eine solche Produktionsweise global an ihre ökologischen Grenzen stösst, kann somit ohne weiteres in ein Plädoyer für einen »grünen Kapitalismus« verbogen werden.

Es sind nicht nur die empirischen, offen auf der Hand liegenden Zahlen zu den global beständig wachsenden CO2-Emissionen, wie etwa die neuerdings von der EU-Kommission veröffentlichten, die diese Ideologie widerlegen. Viele der gefeierten ökologischen Zukunftsindustrien befinden sich ebenfalls in einer fundamentalen Krise. Nahezu die gesamte deutsche Photovoltaikbranche ist inzwischen kollabiert, während die Windkraftanlagenherstellung stagniert.

Ressourcen und Kapital

Dabei sind es nicht nur die üblichen Lobbyinteressen etablierter Industrieunternehmen – wie etwa der Energiemultis oder der Autokonzerne –, die eine globale Energiewende verhindern, die diesem Namen auch gerecht würde. Das innerste Wesen des Kapitalverhältnisses bringt zwangsläufig ein ökologisch schlicht selbstzerstörerisches Wirtschaftssystem hervor. Es soll somit dargelegt werden, dass eine ökologisch nachhaltige Lebensweise und eine solche Zivilisation im Rahmen dieser Produktionsweise schlicht unmöglich sind. Ein ökologischer Kapitalismus stellt somit einen Widerspruch in sich dar. Damit ist im Umkehrschluss auch klar, dass die Beibehaltung der kapitalistischen Wirtschaftsweise zwangsläufig die natürlichen Grundlagen der menschlichen Zivilisation zerstören wird.

Das kapitalistische »Business as usual« gleicht demnach einem Prozess der Verbrennung von immer mehr Ressourcen. Das Kapital muss seinem ureigensten Antriebsgesetz folgend immer grössere Mengen an Energie und Rohstoffen »verfeuern«. Solange, bis er an die »äussere Schranke« stösst, die in der Endlichkeit der Ressourcen unseres Planeten besteht. Dieser permanente Wachstumszwang dieses Wirtschaftssystems resultiert aus dem Wesen des Kapitals selbst.

Als Kapital fungiert Geld, das durch einen permanenten Investitionskreislauf vermehrt, also »akkumuliert« oder »verwertet« werden soll. Das Wirtschaftswachstum ist hierbei nur der volkswirtschaftlich sichtbare Ausdruck dieses Vorgangs. Die Akkumulationsbewegung ist aber an eine »stoffliche Grundlage« gebunden. Spätestens seit dem Ausbruch der Finanzkrise ist klar geworden, dass dieser Prozess der Kapitalakkumulation an die Warenproduktion gekoppelt ist – und nicht etwa auf den Finanzmärkten aufgrund reiner Spekulationsprozesse dauerhaft aufrechterhalten werden kann. Vielmehr stellen Spekulationsblasen und dadurch aufgeblähte Finanzmärkte die Folgen einer kriselnden Warenproduktion dar.

Kapitalistischer, sich in Warenfülle äussernder »Reichtum« muss tatsächlich produziert werden: Der Kapitalist investiert sein als Kapital fungierendes Geld in Rohstoffe, Arbeitskräfte und Energie, um in Fabriken hieraus neue Güter zu produzieren, die mit Gewinn verkauft werden. Das hierdurch vergrösserte Kapital wird in diesem uferlosen Verwertungsprozess in noch mehr Energie, Rohstoffe etc. investiert, um wiederum noch mehr herzustellen. Dieser potentiell endlose Kernprozess kapitalistischer Produktion hat die Selbstverwertung, also das unaufhörliche Wachstum des Kapitals zum Ziel – niemand investiert sein Geld, um danach weniger oder genauso viel zu erhalten. So müssen auch die Aufwendungen – Rohstoffe und Energie – für diesen Verwertungsprozess permanent erhöht werden.

Das Kapital strebt somit nach einer möglichst hohen »Selbstvermehrung«; es ist Geld, das zu mehr Geld werden will. Dieser »hohle«, selbstbezügliche Prozess ist allen gesellschaftlichen oder ökologischen Folgen seiner beständig anwachsenden Verwertungstätigkeit gegenüber blind. Karl Marx hat bekanntlich für diese gesamtgesellschaftliche Eigendynamik des Kapitalverhältnisses den Begriff des »automatischen Subjekts« eingeführt. Automatisch, also selbstbezüglich, weil es, obwohl von den nach grösstmöglicher Kapitalverwertung strebenden Marktsubjekten – wenn auch unbewusst »hinter ihrem Rücken« – hervorgebracht, der Gesellschaft als eine fremde, tendenziell instabile Macht, als ein oftmals krisengeschüttelter »Sachzwang« gegenübertritt.

Die zusehends schwindenden Ressourcen unserer Welt verlangen vom Kapital immer grössere Anstrengungen, seine sich notwendig ständig erweiternde Verwertung zu realisieren. Beide ökologischen Krisenprozesse – die Ressourcen- wie die Klimakrise – werden durch diesen Verwertungsprozess des Kapitals, das auf nationaler oder globaler Ebene wie ein automatisch nach Maximalprofit strebendes »Subjekt« agiert, entscheidend befördert. Dieser »Weltgeist« des Kapitals, vor dessen irrationalen Imperativen höchstmöglicher Selbstverwertung sogar die mächtigsten Kapitalisten zu Kreuze kriechen müssen, gleicht somit einem schwarzen Loch, das die Ressourcen und Energieträger der Welt verschlingt, um sein wucherungsartiges Wertwachstum zu perpetuieren.

Das Kapital ist somit aufgrund dieser Notwendigkeit permanenter Expansion das logische Gegenteil einer ressourcenschonenden Wirtschaftsweise, die notwendig wäre, um ein Überleben der menschlichen Zivilisation zu sichern. Das Kapital kennt auch keine menschlichen Bedürfnisse, sondern nur die zahlungskräftige »Nachfrage« derjenigen Menschen, die noch nicht aus seinem Verwertungsprozess herausgeschleudert wurden – und die in den Massenmedien einem konsumterroristischen Dauerbombardement ausgesetzt sind. Und deswegen herrscht in den Hungergebieten der »Dritten Welt« selbstverständlich keine Marktnachfrage nach Lebensmitteln, während zugleich rund die Hälfte davon weltweit auf dem Müllhaufen landet.

Kapitalistische Produktivitätsfalle

Dieser autodestruktive Verbrennungsprozess der Lebensgrundlagen der menschlichen Zivilisation, der mit der Verwertungsbewegung des »automatischen Subjekts« zwangsläufig einhergeht, wird gerade in der gegenwärtigen Weltkrise des Kapitals durch Produktivitätssteigerungen zusätzlich angefacht. Die Verwertungsbewegung des »automatischen Subjekts« ist durch einen »prozessierenden Widerspruch« (Marx) gekennzeichnet. Rationalität ist in der kapitalistischen Warenproduktion einem irrationalen Selbstzweck – dem der grösstmöglichen Akkumulation abstrakten Reichtums – unterworfen. Jedes Marktsubjekt strebt durch eine möglichst rationell organisierte Warenproduktion danach, möglichst hohe Profite zu realisieren und so Konkurrenzvorteile gegenüber den Mitbewerbern zu erzielen. Dies vollzieht sich durch Rationalisierungsmassnahmen, bei denen der Anteil der Lohnarbeit am Produktionsprozess in etablierten Industriezweigen sukzessive verringert wird. Die Innovationen und Rationalisierungsmassnahmen, die ein Kapitalist eingeführt hatte, um einen Konkurrenzvorteil zu erringen, werden ja aufgrund der allgemein herrschenden Konkurrenz irgendwann von den verbleibenden Marktsubjekten übernommen – bei gesunkener Gesamtbeschäftigung im betroffenen Industriezweig.

Diese Entwicklung kennzeichnet einen fundamentalen Widerspruch jener Produktionsweise. Die Lohnarbeit bildet die Substanz des Kapitals – doch zugleich ist das Kapital bemüht, durch Rationalisierungsmassnahmen die Lohnarbeit aus dem Produktionsprozess zu verdrängen. Marx hat für diesen autodestruktiven Prozess die besagte geniale Bezeichnung des »prozessierenden Widerspruchs« eingeführt. Dieser Widerspruch kapitalistischer Warenproduktion, bei dem das Kapital mit der Lohnarbeit seine eigene Substanz durch Rationalisierungsschübe minimiert, ist nur im »Prozessieren«, also in fortlaufender Expansion und Weiterentwicklung neuer Verwertungsfelder der Warenproduktion, aufrechtzuerhalten. Derselbe wissenschaftlich-technische Fortschritt, der durch Rationalisierungsmassnahmen zum Abschmelzen der Masse verausgabter Lohnarbeit in etablierten Industriezweigen führt, liess auch neue Branchen oder Fertigungsmethoden entstehen.

Dieser »prozessierende Widerspruch« ist somit die Grundlage des »Strukturwandels« der kapitalistischen Industriegesellschaften, bei dem »alte« Industriezweige durch neue ersetzt wurden, die wiederum massenhaft Lohnarbeit verwerteten. Doch genau dies funktioniert – nach dem Auslaufen des fordistischen Nachkriegsbooms in den 1970er Jahren – zusehends nicht mehr, nachdem die Lohnarbeit aufgrund der Rationalisierungsschübe der mikroelektronischen Revolution innerhalb der Produktion immer stärker reduziert wird. Das System erstickt förmlich an seiner Produktivität, es befindet sich in einer Falle, bei der die Rationalisierung der Warenproduktion so weit getrieben wurde, dass all die Warenberge, die eine Industrie ausspeit, nur noch dank der – nun an ihre Grenzen stossenden – Kredit- und Blasenbildung des wuchernden Finanzsektors »auf Pump« abgesetzt werden können.

Diese spätkapitalistische Produktivitätsfalle lässt auch die ökologische Krise vollends eskalieren, wie anhand einer einfachen diesbezüglichen Analyse ersichtlich werden wird. Die permanenten Steigerungen der Produktivität nötigen den Spätkapitalismus dazu, die Verschwendung von Ressourcen und Rohstoffen massiv auszuweiten, ins Extrem zu treiben. Im Rahmen der Kapitalverwertung sind nämlich alle ökologischen Ressourcen und Rohstoffe nur als Träger von Wert – also abstrakt menschlicher Arbeit – von Belang. Je höher aber die Steigerung der Produktivität, desto weniger abstrakte Arbeit ist in einem gegebenen Quantum Ware verdinglicht: Wenn ein Fahrzeughersteller die Produktivität um zehn Prozent bei der Einführung eines neuen Fahrzeugmodells erhöht – was durchaus branchenüblich ist –, dann muss er auch zehn Prozent mehr Autos umsetzen, um bei gleichem Produktpreis die gleiche Wertmasse zu verwerten – oder jeden zehnten Arbeiter entlassen.

Um den Verwertungsprozess des Kapitals im gewohnten Umfang aufrechtzuerhalten, müssen daher bei steigender Produktivität entsprechend mehr Waren produziert und abgesetzt werden. Eine Steigerung der Produktivität um 50 Prozent bedeutet, dass der Warenausstoss – und somit auch der Ressourcenverbrauch! – um 50 Prozent erhöht werden muss. Deswegen gilt: Je grösser die Produktivität der globalen Industriemaschinerie, desto stärker wird auch ihr Ressourcenhunger, da die Wertmasse pro produzierter Einheit tendenziell abnimmt. Ein Versuch, in der kapitalistischen Weltwirtschaft eine ressourcenschonende Produktionsweise einzuführen, ist somit unmöglich – er käme einer Kapitalvernichtung gleich.

Die Produktivitätssteigerung, die eigentlich zur Realisierung einer ressourcenschonenden Wirtschaftsweise unabdingbar ist, wirkt im Kapitalismus als ein Brandbeschleuniger, da hier eine blinde, funktionalistische Rationalität dem irrationalen und an seinen eskalierenden Widersprüchen zugrunde gehenden Selbstzweck uferloser Kapitalverwertung dienen muss. Aus diesem durch Rationalisierungsschübe ins Extrem getriebenen Verwertungszwang ergibt sich die besagte Tendenz zur immer beschleunigteren effizienten Ressourcenverschwendung.

Ein Paradebeispiel für diese Tendenz liefert die US-amerikanische Maisindustrie, die seit der sogenannten grünen Revolution in den 1970ern die US-Verbraucher mit Maissirup beglückt. Dieses gesundheitsschädliche Fruktosekonzentrat hat den gewöhnlichen Zucker weitgehend verdrängt. Der Filmemacher Curt Ellis hat in seinem Dokumentarfilm »King Corn« die Geschichte und die Folgen der Industrialisierung der US-amerikanischen Maisbranche beleuchtet. Er schilderte die Einführung des Süssungsmittels in einem Interview folgendermassen: »In den 1970ern wurde diese enorme Steigerung der Maiserträge erreicht, und nun tauchten überall im Mittleren Westen diese gigantischen Maisberge auf. Deswegen schien alles hilfreich, um diese Maismengen verwenden zu können – wie eben der Maissirup, der sich nun in Tausenden Produkten wiederfindet. Er ist überall, er ist in deiner Spaghettisosse oder in einem Laib Brot – in Produkten, in denen er vor einer Generation noch nicht zu finden war.«

Produktivitätssteigerungen in der kapitalistischen Agrarindustrie führen somit nicht zu einer Schonung der begrenzten natürlichen Ressourcen, sondern zum Bemühen, auf Biegen und Brechen neue Nachfragefelder zu schaffen, um den Verwertungsprozess aufrechtzuerhalten – und wenn es der menschliche Körper sein muss, der als Maissirupmüllhalde missbraucht wird. Das Kapital fungiert somit als eine Weltvernichtungsmaschine, es stösst an seine äusseren, ökologischen Grenzen – die endliche Welt wird von der uferlosen und selbstbezüglichen Verwertungsbewegung des Kapitals buchstäblich verbrannt.

Jenseits des Kapitals

Dieser wachsende Widerspruch zwischen Produktivkräften und kapitalistischen Produktionsverhältnissen erklärt auch die zunehmenden Tendenzen zur geplanten Obsoleszenz beim Warendesign. Hierunter ist der beabsichtigte Verschleiss zu verstehen, der bei der Konzeption eines Produkts für einen relativ frühen Zeitraum vorgesehen wird. Es werden Sollbruchstellen eingebaut. Je schneller ein Produkt nach dem Ablauf der Garantie kaputtgeht, desto schneller stellt sich die entsprechende Marktnachfrage ein, die zur Realisierung der Kapitalverwertung notwendig ist. Der Spätkapitalismus produziert somit buchstäblich für die Müllhalde, um hierdurch der stockenden Verwertungsmaschine neue Nachfrage zu verschaffen.

Dabei sind die materiellen und technischen Bedingungen einer ökologischen Wende gegeben. Das enorme Produktivitätspotential, das im Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise die Umweltzerstörung nur noch weiter beschleunigt, könnte jenseits des Kapitalverhältnisses zur Errichtung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise beitragen. Erst wenn die gesellschaftliche Reproduktion nicht mehr dem Selbstzweck der Kapitalverwertung untergeordnet ist, sondern direkt der Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse dient, kann eine ökologisch nachhaltige Wirtschaftsweise errichtet werden.

Beim Kampf gegen den drohenden ökologischen Kollaps geht es somit nicht um einen reaktionären Antiproduktivismus, um eine Rückkehr zu vormodernen Produktionsweisen. Vielmehr müssen die produktiven Potenzen und technischen Möglichkeiten, die der Kapitalismus hervorgebracht hat, in einem ungeheuren transformatorischen Akt jenseits des Kapitalverhältnisses zum Aufbau einer nachhaltigen Gesellschaftsformation verwendet werden. Die Produktivitätsfortschritte, die derzeit nur die kapitalistische Verbrennung der globalen Ressourcen beschleunigen, würden dann tatsächlich deren Schonung ermöglichen. Es geht letztendlich um die Befreiung der Produktivkräfte aus den Fesseln der kapitalistischen Produktionsverhältnisse. Die Überwindung des in seiner Krise regelrecht Amok laufenden Kapitalverhältnisses stellt somit eine Überlebensfrage der Menschheit dar. Die antikapitalistische Linke muss bei ihrer diesbezüglichen Argumentation nicht so sehr an die Moral der Menschen appellieren, sondern an ihren Überlebensinstinkt.

Tomasz Konicz
streifzuege.org