Eine Glitzerwelt für die Reichen Nigerias Auf Sand gebaut: Eko Atlantic City

Politik

Eko Atlantic City soll die nachhaltigste Stadt Afrikas werden. Bereits 2016 sollen 250.000 Menschen auf der künstlich angelegten Insel leben. Leisten können sich das allerdings nur die Reichen.

Die Skelette der Eko Atlantic City-Wolkenkratzern an der Küste vor Victoria Island in Lagos.
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Die Skelette der Eko Atlantic City-Wolkenkratzern an der Küste vor Victoria Island in Lagos. Foto: Heinrich-Böll-Stiftung (CC BY-SA 2.0 cropped)

21. Dezember 2015
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Mit Hochdruck wird vor den Toren der Megacity Lagos an einer neuen Stadt mit Geschäftshäusern, Luxusappartements und Shopping-Boulevards gebaut. Noch sind erst die Skelette von zwei Wolkenkratzern an der Küste vor Victoria Island zu sehen, doch bald sollen schon mehrere Dutzend in den Himmel hinaufragen und die Silhouette von Lagos für immer verändern. Eine Viertelmillion Menschen soll bereits im Jahr 2016 auf der künstlich angelegten Insel leben, weitere 150.000 dort arbeiten.

Eko Atlantic City heisst das Bauprojekt, beim dem die nachhaltigste Stadt auf dem afrikanischen Kontinent entstehen soll: eine Geschäftsmetropole mit Finanzdistrikt, die dem Klimawandel und dem steigenden Meeresspiegel trotzen und ein Musterbeispiel an grüner Bauweise und Energieeffizienz werden soll. Im Gegensatz zum restlichen Teil von Lagos gäbe es in der neuen Stadt eine durchgehende Energie- und Trinkwasserversorgung, ein intaktes Nahverkehrsnetz, üppige Grünanlagen sowie eine eigene Polizei für das Extra an Sicherheit und Komfort.

Dieser Blick auf Eko Atlantic City ist aber nur ein Teil der Geschichte über die geplante moderne Stadt im Ballungsraum von Lagos. Als „Hong Kong Afrikas“, florierendes Wirtschaftszentrum und Sitz der neuen Börse Nigerias, wird sie von den Bauplanern und in den Vermarktungsbroschüren privater Investoren angepriesen.[1] Tatsächlich aber wird die neue Luxusstadt nur den reichen Nigerianerinnen und Nigerianern vorbehalten sein und die Kluft zwischen Arm und Reich verbreitern. Und ob Eko Atlantic City wirklich so ökologisch und nachhaltig realisiert wird, wie der Name es vermuten lässt, das muss sich noch zeigen. Denn mit Ökologie hat der Name „Eko“ nämlich nichts zu tun. Bevor Lagos seinen jetzigen Namen erhielt, hiess es Eko – was in der Sprache der Yorube „Maniokplantage“ heisst. Sich daran zu erinnern, war ein cleverer Zug der Marketingexperten.

Eine Glitzerwelt für die Reichen Nigerias

Von Anfang an sorgte das Bauvorhaben für Kontroversen in der Bevölkerung. Die Menschen befürchten, dass die Regierung nicht wirklich imstande sein wird, ein so ambitioniertes Bauvorhaben auch professionell umzusetzen oder daraus resultierende Probleme zu lösen. Viele bezweifeln, dass die Küste überhaupt bebaut und der Atlantische Ozean effektiv zurückgedrängt werden kann. Insbesondere dort, wo der Glaube an die spirituellen Kräfte des Meeres in der Bevölkerung noch existiert, wachsen mit dem Fortschritt am Bau auch die Sorgen: „Was passiert, wenn das Meer wütend wird?“, fragen sich manche und hoffen, „der Zorn des Wassers möge sie nicht treffen“.

Selbst Experten stellen in Frage, ob solch ein Projekt in einem Land erfolgreich realisiert werden kann, in dem es noch nicht einmal einen effektiven Katastrophenschutz bei Überschwemmungen gibt. „Die Vorstellung, dass wir die Natur besiegen könnten, ist naiv und sinnlos“, sagt Alan Owen, Leiter des Centre for Understanding Sustainable Practice (CUSP) an der Robert Gordon Universität in Aberdeen.[2] Der Maschinenbauingenieur hat in vielen Ländern Asiens gearbeitet, die von Küstenerosion und Überschwemmungen betroffen sind, Studien durchgeführt und die Folgen des Tsunamis in Indonesien analysiert. Er ist überzeugt, dass es langfristig kostengünstiger und sicherer wäre, ausserhalb von Überschwemmungsgebieten bzw. Gebieten mit starker Küstenerosion zu bauen.

Die Planer der Eko Atlantic City beunruhigen diese Warnungen von Experten allerdings nicht. Sie sind stolz auf ihr wahrlich gewaltiges Projekt: Durch die Aufspülung von Sandmassen aus dem Meer werden an der Küste von Victoria Island, dem wirtschaftlichen Handelszentrum von Lagos, neun Quadratkilometer Bauland gewonnen. Schätzungen zufolge werden bis zum Ende der Bauarbeiten 140 Millionen Tonnen Sand auf das Terrain gepumpt. Im Februar 2013 waren so bereits fünf Millionen Quadratmeter Landfläche für Baumassnahmen vorbereitet worden.

Die Bauplaner betonen immer wieder, dass die ursprüngliche Idee für Eko Atlantic City gewesen sei, den Folgen der Küstenerosion sowie Überschwemmungen im bisherigen Luxusviertel Victoria Island entgegenzuwirken. Tatsächlich haben andauernde, schwere Überflutungen in den letzten zehn Jahren die Wirtschaftsleistung dieses Stadtteils erheblich verschlechtert. Da sich die Strassen und Abwasserkanäle in einem miserablen Zustand befinden, kam es bei Überschwemmungen immer wieder zu schweren Verkehrsstaus, die es vielen Menschen unmöglich machte, zu ihrer Arbeitsstelle zu fahren oder nach einem langen Arbeitstag nach Hause zu kommen. Einige Unternehmen verliessen deshalb mit ihren Hauptniederlassungen das Geschäftsviertel.

Als Antwort auf diese Entwicklung schlugen ausländische Experten im Jahr 2003 vor, einen Schutzwall zu errichten. Doch das mit neun Billionen US-Dollar budgetierte, kostspielige Projekt konnte damals nicht finanziert werden. Damals stellten die Experten anhand einer Karte aus dem Jahr 1905 auch fest, dass die Küste vor Lagos einst zwei Kilometer weiter ins Meer ragte. Das liess den Schluss zu, dass mindestens ein Kilometer Sandstrand im Laufe von 100 Jahren weggespült worden war. Auf dieser Datenbasis führte das Privatunternehmen South EnergyX Ltd seine Verhandlungen mit der Regierung über den Bau und die Finanzierung des Projektes – und erhielt letztlich den Zuschlag. Das neu erschlossene Bauland sollte das Unternehmen gewinnbringend verkaufen können. So startete das Bauvorhaben Eko Atlantic City im Februar 2008, ohne dass eine für die Baugenehmigung erforderliche Umweltstudie eingereicht wurde. Tatsächlich lag das Gutachten erst viele Jahre später, 2011, vor. Die Baugenehmigung für das Projekt wurde schliesslich 2013 erteilt – fünf Jahre nach Baubeginn!

Was den Entscheidern an Verantwortungsgefühl fehlte, scheinen sie mit einem gigantischen Bollwerk am Strand von Victoria Island wettmachen zu wollen. Tatsächlich wird die „Grosse Mauer von Lagos“ („The Great Wall“) als das „Rückgrat“ von Eko Atlantic City bezeichnet: Für den 8,5 Kilometer langen Seewall werden 100.000 Betonklötze mit einem Gewicht von je fünf Tonnen aufeinander gestapelt. Er soll sogar extremen Stürmen gewachsen sein und den stärksten Flutwellen widerstehen – selbst jenen, die, statistisch gesehen, nur einmal alle tausend Jahre über den Atlantik fegen.

Profitgier anstelle nachhaltiger Baurichtlinien

Von Anfang an wurde Eko Atlantic City als modernes, nachhaltiges und fortschrittliches Bauvorhaben vermarktet. Das Marketingbüro lobt die Absichten der Bauherren, die sich dazu verpflichtet hätten, „den CO2-Fussabdruck von Eko Atlantic auf ein Minimum zu reduzieren – mit Hilfe von umweltfreundlichen und effizienten Baumethoden sowie lokalen Baumaterialien“.[3] Versprochen wird auch ein flächendeckendes öffentliches Strassenverkehrsnetz, Kanale als öffentliche Wasserwege und Hubschrauberlandeplätze. Diese Bekundungen nachhaltigen Bauens sind die einzigen, die den Hochglanzbroschüren zu entnehmen sind. Die günstigen Aussichten für die Wirtschaft sind dagegen ausführlicher beschrieben: Von grossen Profiten für ausländische Investoren und Käufer ist die Rede und von rentablen Möglichkeiten „das Potenzial Afrikas ernten“ zu können – eine Formulierung, die stark an die Westernmentalität des 19. Jahrhunderts erinnert – und fehl am Platz ist.

Es gibt leider keine verbindlichen Richtlinien, nachhaltige Strategien in die Bauplanung zu integrieren, die sich den vorherrschenden ökologischen und soziokulturellen Herausforderungen in Lagos stellen könnten, wie etwa der Luftverschmutzung oder dem fehlendem Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen. Prüft man die gegenwärtigen Bestimmungen für Grundstücke im neuen Stadtzentrum genauer, wird abermals deutlich, dass grünen Baurichtlinien kein grosses Gewicht beigemessen wird und die wenigen zudem sehr allgemein formuliert sind. Zwar wurde festgelegt, dass jedes Grundstück über eine Grünfläche verfügen soll, doch viele Themen werden gar nicht erst erwähnt: etwa Analysen zur Bodenbeschaffenheit, Kontrollen von Sturmwassermengen, die Vermeidung von Luft- und Wasserverschmutzung sowie Lärmbelastungen, Einschränkungen des Lichteinfalls oder die Emissionen durch die Bautätigkeit. Es bleibt der Eindruck, dass die spärlich definierten Nachhaltigkeitskonzepte und flüchtigen Zugeständnisse dazu dienen, grösstmögliche Profite zu ermöglichen.

Dass die Zweifel an Eko Atlantic City nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch bei Experten aus der Bauindustrie vorhanden sind, brachte eine Umfrage im Jahr 2013 zutage. Als Reaktion darauf wurde eine Kampagne mit dem Titel „Code Green“, bestehend aus jungen Architekten und Stadtplanern, ins Leben gerufen. Deren Ziel war es, einen Alternativvorschlag mit nachhaltigen Massgaben für den Bau zu entwickeln und damit gleichzeitig ein Regelwerk für zukünftige Bauvorhaben zu verfassen. Wohlwissend, dass es den Befürwortern des Projekts nur um die Profite ging, entschied das „Code Green“-Gremium dennoch, die Initiative an den Interessen der Investoren auszurichten. Es legte fest, dass eine nachhaltige Ausrichtung des Bauprojekts wirtschaftliche Aspekte integrieren müsse und ökologische sowie soziokulturelle Kriterien in einer aufstrebenden Wirtschaft wie Lagos im Moment nur am Rande bedacht werden können.

Neue Bautechniken für ein Mammutprojekt

Die Überlegungen begannen mit den ersten Hürden – etwa damit, wie die Finanzierung gesichert werden kann. Viele nigerianische Banken vergeben Baukredite zu Zinssätzen von 18 bis 30 Prozent im Jahr, bei einer Laufzeit von zwei Jahren für Hochhausbau-Projekte.[4] Die Schwierigkeit besteht deshalb darin, schneller und gleichzeitig nachhaltiger zu bauen. Um die Bauzeit beträchtlich zu verkürzen, zieht man vorgefertigte Gebäudeteile in Betracht. Diese Systeme sollen über umweltverträgliche Baukomponenten verfügen, die auf die örtlichen klimatischen Anforderungen angepasst werden können.

So produziert etwa ein chinesischer Baukonzern komplette Gebäudeelemente eines Wolkenkratzers in seiner Fabrik vor, die dann später in den Bau integriert werden könnten. Dies reduziert den zeitlichen Aufwand und soll auch die Umweltbelastung erheblich senken. Um so auch in Eko Atlantic City zu bauen, wäre es nötig, die Produktionsstätte der Gebäudeelemente vor Ort oder zumindest in der Nähe anzusiedeln. Weiterhin müssten einheimische Bauarbeiter geschult und ausgebildet werden. Dies könnte Arbeitsplätze schaffen und sowohl die Qualität, als auch das Qualifikationsniveau der Baubranche in Lagos erhöhen. Die Einsparungen, die sich aus der neuen Bauweise ergäben, könnten jene Kosten amortisieren, die durch die Einführung des neuen Systems entstehen. Soweit die Theorie.

Nachhaltige Kühlung, Heizung und Energieerzeugung

Die geltenden Richtlinien der privaten Projektentwickler für die Umsetzung der Gebäude im Stadtkern sehen vor, dass die Erdgeschosse gewerblich genutzt werden. Um eine hochwertige Einkaufsstrasse für Fussgänger zu schaffen, müssen die Schaufenster mindestens fünf Meter hoch und verglast sein. Es ist zu erwarten, dass die Sonneneinstrahlung zu einer erheblichen Erhitzung der Gewerberäume führt und dass es schwer wird, diese ausreichend abzukühlen. Hier schlägt die „Code Green“-Kampagne gängige Sonnenschutzvorrichtungen wie Markisen vor, die an der äusseren Gebäudehülle angebracht werden. Eine natürliche Belüftung, der Einsatz von Pflanzen sowie die Gebäudeausrichtung können ebenfalls zur Kühlung von Hochhäusern beitragen. Dabei wird es aber nicht bleiben können, besonders in der Trockenzeit von November bis April, wenn der aus Nordost kommende Wüstenwind Harmattan Staub sowie heisse und trockene Luft aus der Sahara in die Stadt weht.

Optimal wären Kühlungssysteme, die auch die Gewinnung und Nutzung von Sonnenenergie und Abwärme einschliessen oder die überschüssige Wärme zumindest für die Warmwasserbereitung nutzen. Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungsanlagen (KWKK-Anlagen) zur Stromerzeugung einzusetzen überzeugte die „Code Green“-Gruppe. Diese Anlagen sind in ihrer Technik ausgereift, einfach einzusetzen und stellen somit auch für profitorientierte Investoren kein Risiko dar. Die KWKK-Anlagen erzeugen mit ihren Generatoren Strom, Wärme und Kälte – durch Brennstoffverbrennung, mit Sonnenkollektoren oder mit beidem. Die mit Erdgas oder fossilen Brennstoffen betriebenen KWKK-Anlagen erreichen einen Wirkungsgrad von rund 80 Prozent. Den meisten Stromgeneratoren glückt gerade einmal eine Brennstoffeffizienz von knapp 50 Prozent.

Im Fall der Eko Atlantic City wäre eine KWKK-Anlage günstig, die auf Basis von nachhaltiger und erneuerbarer Sonnenenergie sowohl Strom als auch Wärme und Kälte für die ganze Stadt erzeugen kann. Allerdings müsste die so erzeugte Energie lange Wege zurücklegen, bis sie in jedem Gebäude ankommt, und ist deswegen wahrscheinlich nicht rentabel genug. Hingegen könnte der Strombedarf der Stadt (einschliesslich Strassenbeleuchtung, Parkanlagen etc.) damit durchaus gedeckt werden. Die sich daraus ergebende Kühl- und Heizenergie könnte in den angrenzenden Gebäuden genutzt werden. Mit einer stadtübergreifenden Stromversorgung und weiteren KWKK-Anlagen liessen sich die allgegenwärtigen lauten, ineffizienten und luftverschmutzenden Generatoren aus dem Strassenbild verdrängen. Steuervergünstigungen könnten Investitionen in diese Art der Energieerzeugung effektiv fördern. Doch braucht es für eine lückenlose und dauerhafte Stromversorgung auch eine verantwortungsbewusste Politik.

KWKK-Anlagen hätten in Eko Atlantic City noch mehr Vorteile: Sie könnten die Umweltschäden verringern, die durch den CO2-Ausstoss bei der Stromerzeugung verursacht werden. Sie könnten die anfallende Abwärme nutzen, die in einer Stadt mit so hohen Temperaturen wie in Lagos zu Überhitzungen führt. Die flexible Ausrichtung auf mehrere Energiequellen hilft, von fossilen Brennstoffen unabhängiger zu werden und eine alternative Stromversorgung voranzubringen. Es entstünden dabei neue Beschäftigungsmöglichkeiten, in denen lokale Fachkräfte lernen, die neuen Systeme einzurichten, zu bedienen und zu warten. Lassen sich KWKK-Anlagen in bestehenden Gebäuden leicht integrieren, dann gelänge vielleicht auch der Durchbruch im industriellen Bereich.

Stadtfarmen und kühlende Veranden

Eine weitere Schwierigkeit aus Investorensicht bestand bei dem Alternativentwurf darin, die Flächen für Vermietungen zu vergrössern. Denn die jetzigen Gebäuderichtlinien sehen vor, dass sich die Bodenfläche für jedes neue Hochhaus verkleinert, je höher es gebaut wird. Damit soll die Verschattung der umliegenden Gebäude so gering wie möglich gehalten werden. Für Investoren bedeutet dies: je höher ein Gebäude, desto weniger vermietbare Raumfläche und desto weniger Verdienstmöglichkeiten. Wie könnte aber „verlorener Raum“ für die Investoren zurückgewonnen werden?

Eine Lösung sehen die alternativen Planer darin, alle öffentlich genutzten Räume wie Lobbys, Personalräume, Caféterias, Restaurants oder Versammlungsräume in den Perimeter, also den Wandbereich von Gebäuden, zu verlagern: zum Beispiel auf Balkone oder Veranden, die über den unteren Stockwerken angebaut werden. Weitere Flächen im Aussenbereich könnten begrünt werden und Schatten liefern sowie die Gebäude nach innen kühlen und mit Frischluft versorgen. Die vertikalen Gärten liessen sich auch als Stadtfarmen nutzen. Würde diese Strategie bei jedem Hochhaus in Eko Atlantic City angewandt, entstünden beträchtliche Flächen für den Anbau von Gemüse – ein guter Beitrag für die Nahrungsversorgung der Stadt und Jobchancen für Geringverdiener aus den benachbarten, ärmeren Vierteln. Da all diese Flächen aus technischer Sicht freitragend wären, würde auf den Geschossen selbst Platz gespart, der wiederum gewinnbringend vermietet werden kann.

Nachhaltiges Abfallmanagement beginnt in der Küche

Neben den Baukosten für ein Gebäude dieser Grössenordnung, gehören die Ausgaben für die Instandhaltung und Vermietung zu den wichtigsten Planungsgrössen. Eine weitere Herausforderung für die „Code Green“-Gruppe bestand deshalb darin, neue Lösungen für Müllwirtschaft und Mietverhältnisse zu finden. Da die Müllwirtschaft seit vielen Jahrzehnten ein grosses Problem in Lagos ist, könnte mit Eko Atlantic City bewiesen werden, dass es intelligenter und nachhaltiger ginge.

Dafür müssten aber die Nutzer der Häuser, ob Besitzer oder Mieter, ihren Müll trennen und in dafür vorgesehene separate Müllbehälter oder Müllschlucker geben. Wer nicht mitmacht, sollte ein Bussgeld und keine Vergünstigungen erhalten. Denkbar wäre auch, Spülbecken in Küchen mit einem Müllzerkleiner auszustatten, damit organische Abfälle zu Kompost oder in Biomasseanlagen zu Biokraftstoff verarbeitet werden könnten. Aus den Bioabfällen könnte auch Gründünger für die vertikalen Gärten hergestellt werden. Eine Kontrolle der Gartenanlagen wäre dabei unabdingbar, um die Wasserqualität zu erhalten.

Wenn organische Abfälle zu Biokraftstoffen umgewandelt würden, könnten damit auch die KWKK-Anlagen betrieben werden: Die Bewohner stellen dann mit dem Abfall ihre eigene Energieversorgung bereit. Abfälle wie Papier, Glas oder Metall könnten über gesonderte Verträge an kleine Zwischenhändler gehen, die diese zum Recycling bringen. In einer Stadt wie Lagos können solche Vorhaben viele Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaft kräftig ankurbeln.

Nachhaltige Mobilität an Land und auf dem Wasser

Neben dem Strassenverkehrsnetz und dem Transportsystem sollte mit Eko Atlantic City auch die gesamtstädtische Binnenschifffahrt verbessert und der Transport auf den Wasserwegen an bereits existierende Fährenstrecken in Lagos angeschlossen werden. Zusätzlich könnte man alle Transportmittel auf der Strasse, dem Wasser oder in der Luft mit erneuerbaren Energiequellen betreiben, also mit Biogas oder Strom aus Solar- oder Biomasseanlagen. „Keke 2.0“ wäre die passende, energieeffiziente und spritsparende Neuauflage einer in Lagos allgegenwärtigen Autorikscha namens „Keke Marwa“. Hohe Parkgebühren und ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz könnten die alten motorisierten Dreiräder letztlich aus dem Stadtbild verbannen. In der Folge würde sich die Luftqualität verbessern, das öffentliche Verkehrsnetz könnte finanziert und für arme Bevölkerungsschichten zugänglich gemacht werden.

Die Vermarktungsbroschüren der Projektentwickler kündigen hingegen an, dass von den Helikopter-Landeplätzen Flüge zum Murtala-Mohammed-Flughafen möglich wären.

Vision und Wirklichkeit

Die Visionen für ein wirklich nachhaltiges Eko Atlantic City sind ambitioniert, aber umsetzbar. In den letzten zehn Jahren wurden grüne Gestaltungsmassnahmen und Entwicklungsansätze ausreichend getestet und erprobt. Das betrifft auch ihre Wirksamkeit und Kosteneffizienz. Würden sich die Projektentwickler für die hier vorgeschlagenen Massnahmen entscheiden, könnte Eko Atlantic City tatsächlich die nachhaltigste Stadt des afrikanischen Kontinents südlich der Sahara werden.

Bukky Oyedeji
boell.de

Der Originaltext stammt aus der Publikation "Lagos – A Climate Resilient Megacity" und wurde für dieses Dossier von Jelena Nikolic aus dem Englischen übersetzt und aufbereitet.

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-ND 3.0) Lizenz.