Liberale Reformen Der Iran im Blickpunkt

Politik

Als Hassan Rohaní 2013 Präsident des Iran wurde, las man in den Medien, dass hier ein gemässigter und liberaler Präsident den konservativen Bösewicht Ahmadinedschad abgelöst hätte.

Hassan Rohani wird als neuer Präsident Irans vereidigt, August 2013.
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Hassan Rohani wird als neuer Präsident Irans vereidigt, August 2013. Foto: Tasnim News Agency- Meghdad Madadi (CC BY 4.0 cropped)

15. Januar 2018
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Man stellt sich bei „liberal“ im Iran immer vor: weniger strenge Religionsvorschriften, eine lockerere Unterhaltungskultur, usw. Ausserdem verkündete Rohaní programmatisch, den Konfrontationskurs mit dem Westen mildern und in der Atomfrage zu einem Kompromiss kommen zu wollen. 4 Jahre und eine Wiederwahl später wird das Land von Unruhen und Protesten erschüttert. Wie kam es dazu?

„Liberale Reformen und Pyramidenspiele führten zu den Protesten im Iran

… Hier protestieren nicht saturierte Mittelklassler, man sieht keine modischen Schuhe und Kleidungsstücke bei den Aufmärschen, wie es 2009 in Teheran oder 2011 in Moskau üblich war. Hier protestiert das einfache Volk, und es sind nicht Freiheiten, wonach es verlangt. Der Grund der Empörung ist ökonomisch und sehr gut nachvollziehbar. Gehälter werden verspätet gezahlt, die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Preise steigen, das Leben wird teurer und schwieriger.

Das Volk versteht nicht, warum ihm die Existenz so schwer gemacht wird. Als die liberalen Kräfte unter Rohaní die Regierung antraten, so sagten sie, sie würden sich mit dem Westen einigen und dann ginge es bergauf. Und tatsächlich, die Einigung mit dem Westen kam zustande, einige Sanktionen wurden aufgehoben, man konnte wieder mehr Öl verkaufen, aber wirtschaftliche Erleichterungen traten nicht ein – aus mehreren Gründen.

Die liberalen Reformen halfen den Reichen, nicht den Armen. Die Regierung nahm auch den Kampf gegen illegale Banken auf, die Geld zu Wucherzinsen zur Verfügung stellten. Auch jede Menge Pyramiden-Firmen“ (wie MMM in Russland oder Madoff in den USA) „tauchten auf, und gerade die Ärmeren begannen dort mitzuspielen“. (Komsomolskaja Pravda, 31.12. 2017)

Offenbar handelte es sich um die gleichen Akteuere, die hier Kredite zu Wucherzinsen ausgaben, dort Einlagen mit hohen Zinsversprechen einsammelten. Diese Pyramiden-Banken im Iran wurden lange offenbar aus ähnlichen Gründen wie damals in Albanien von den Behörden geduldet, weil sie wirtschaftliche Tätigkeit ermöglichten und soziale Spannungen abfederten.

„Aufgrund des Regierungsbeschlusses ging den illegalen Banken das Geld aus, die Pyramiden krachten zusammen und mit ihnen gingen die Einlagen der kleinen Leute flöten. Soweit zu den inneren Ursachen. Es gibt aber auch äussere.“ (ebd.)

Krieg und Weltmarkt

„In den USA kam Trump an die Macht und führte das Sanktionsregime wieder ein. Der Iran schleppt auch seit Jahren den Krieg in Syrien mit, der die Iraner viel kostet. Das Auftreten der russischen Streitkräfte rettete Damaskus, verringerte aber die Ausgaben des Iran nicht. Der Iran unterstützt befreundete Kräfte im Irak, im Jemen, im Libanon und in Gaza. Auch die Kurden verursachen Kosten, da die USA versucht, sie gegen die iranische Regierung zu mobilisieren. Der Iran grenzt an das von den USA besetzte Afghanistan, aus dem Flüchtlinge, Heroin und Probleme kommen.

Der allerobjektivste Grund ist, dass die Politik des Iran gegen diejenige Saudi-Arabiens, Israels und der USA gerichtet ist. Sie haben viel Geld und sind entschlossen, einen Machtwechsel im Iran herbeizuführen.

Obwohl sie die Proteste nicht hervorgerufen haben, ist es doch offensichtlich, dass sie von Anfang an versuchten, sie für sich zu verwenden. Ihre Agenten nehmen an Demonstrationen teil und schreien Losungen wie: »Schluss mit der Unterstützung für Syrien und Gaza! Erst einmal die Iraner!« Es gibt auch schärfere Sprüche: »Weg mit dem blutigen Diktator Rohaní, weg mit dem Rachbar (eine hohe religiöse Autorität)!«

Es scheint, dass es wenige feindliche Agenten gibt. Man sieht auf den vorhandenen Videos, dass solche Losungen von 30-50 Leute skandiert werden, die restlichen Demonstranten beteiligen sich daran nicht. Aber die westlichen Medien geben diesen Schreiern Öffentlichkeit und stellen damit ihren vermeintlichen Einfluss verzerrt dar.

Präsident Trump forderte, dass die Demonstranten nicht behelligt werden dürfen und übrigens sei es sowieso an der Zeit, dass das iranische Regime stürzt. (Gesetzmässige Regierungen, die dem Willen Washingtons nicht folgen, heissen »Regimes«, Versuche des gewaltsamen Sturzes derselben nennt man »Regimewechsel«.)

Bei »Telegram«, dem meistbenutzten Messenger-Dienst des Iran, gibt es einen Kanal, der aus Saudi Arabien oder womöglich aus dem CIA-Hauptquartier in Langley betrieben wird und dazu aufrief, die Polizei anzugreifen. Er erteilte einfach gehaltene Anweisungen, wie man Flaschen mit brennbarer Flüssigkeit (sog. Molotov-Cocktails) befüllen und wie man überhaupt das »Regime« bekämpfen könne. Der Betreiber von Telegram, Pawel Durow, sperrte diesen Kanal auf Aufforderung der iranischen Behörden. Das mobile Internet wurde ausgesetzt und die Regierung versucht, der Protestwelle Herr zu werden.“ (ebd.)

Verschiedene Wirtschaftskonzepte

Unter dem früheren Präsidenten Ahmadinedschad wurde eine Art Klientelwirtschaft betrieben, die die Inflation in die Höhe trieb. Damals wurden Sozialbauten errichtet und Lebensmittel subventioniert.

Rohaní und sein Team wollten die Inflation drücken, die Wirtschaft „sanieren“ und dabei der Marktwirtschaft zum Durchbruch verhelfen und strichen dergleichen soziale Posten. Ihre sonstigen Hoffnungen auf verstärkten wirtschaftlichen Aufschwung wurden nicht nur durch die wieder verschärften Sanktionen, sondern auch durch die niedrigen Weltmarktpreise für Erdöl zunichte gemacht. Die Zeche für dieses Reformpaket zahlen diejenigen Einwohner mit den geringsten Einkünften.

In letzter Instanz ist also die Ursache der Unruhen im Iran nicht das restriktive religiöse „Regime“, sondern die wieder stärkere Einbindung des Iran in den Weltmarkt.

Amelie Lanier