Heiliger Weihnachtsabend Wenn der Hunger keine Ruhe gibt

Lyrik

Weihnachtsgans an Heiligabend.
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Weihnachtsgans an Heiligabend. Foto: Jürgen Howaldt (CC BY-SA 2.0)

25. Dezember 2015
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Wie jedes Jahr sass ich
mit meinen zwei kleinen Kindern
und meinem Ehegatten
am ersten Weihnachtsfeiertag
im Haus meiner konservativ
angehauchten, süddeutschen
Schwiegereltern.
Zugegen war noch meine
Schwägerin mit ihrem
neusten Lover und
ihren bereits zwei
pubertierenden
Teenagern.

Da ich zuvor nur
wenig gefrühstückt hatte,
freute ich mich besonders
auf das anstehende Festmahl.
Allein schon durch den
Geruch des Bratens, der jetzt
durchs Esszimmer waberte,
begann sich der Speichel in
meiner Mundhöhle fast bis
zum Überlaufen zu stauen,
und erschwerte mir
zunehmend das Warten.

Mit jenem Warten machte sich
allen Übels auch noch so ein
schmerzhaftes Gefühl in meiner
Magengegend breit, sodass ich
nervös auf meinem
antiquierten Stuhl hin und
her zu rutschen begann, während ich
mit meinen Verwandten
gespannt auf das
Familienoberhaupt wartete, welches
nebenan geschäftig
in der Küche
werkelte, um uns
nach ner Weile
auf nem
Silbertablett
hektisch ne
kleine
abgemagerte
Ente
mit ein paar
Knödel und Rotkohl
als Beilage
zu servieren.

Bevor ich mich auf den
gebratenen Vogel
stürzen konnte, beeilte sich
jenes Oberhaupt schnell noch
unsre kalkbespritzten Gläser
sparsam mit Rotwein zu füllen
und seiner nebensitzenden
Gemahlin ein
grosses Stück Fleisch
auf den Teller zu zaubern, (die ihn
geradezu mit ihren weit
aufgerissenen blauen Augen
flehentlich dazu aufforderte) und
nun jene grosszügig platzierte
Fleischportion,
wie ein abgepauster Unschuldsengel
laut lachend begrüsste,
worauf sich unser Patriarch selbst
auch noch schnell ein grosses Stück
vom Tablett absäbelte,
um es dann hastig auf
seinen Teller zu legen.
Unweigerlich darauf
schnellten
unzählig bewaffnete
Hände, kreuz und quer
über jenen
Braten umher,
sodass ich abrupt
von meinem Vorhaben
ablassen musste, um
schliesslich
nicht auch noch
verletzt zu werden
und erst als Letzte
zum Zuge kam.

Was jedoch die Meute
übersehen hatte, schien
nach ner halben Ewigkeit
endlich mir zu gehören. Zu meiner
grossen Enttäuschung, konnte ich
allerdings nur einen mickrigen
Fleischstreifen ergattern, den ich
vom Hüftknochen abkratze. -
Mehr war für mich da nicht
zu holen, während
mein Magen vor Säure
im Überschuss
schäumte.

Ach Gott, ertappe mich
schon wieder,
wie ich ungeniert
aus meinem
Nähkästchen
plaudere, und
es fällt mir
momentan
echt schwer,
mein komplettes
Mundwerk
unter
Verschluss
zu halten, - erst
recht, wenn solch
ein Ereignis
einem direkt unter
die Haut
fährt.

Doch sollte ich
wieder mal
ne
Reise zu
meinen Schwiegereltern
antreten - ja, dann
weiss ich jetzt
wenigstes, wie
so manch ne „Ente“
auswärts
laufen kann.

Nichtsdestotrotz
wünsch ich euch allen
frohe und gesegnete Weihnachten
und hoff - ihr habt genügend
zwischen den Zahnreihen
zu knabbern.

Zvezdana Bueble

Zvezdana Bueble