Dokumentation über die Techno-Legende aus Detroit Jeff Mills: Man From Tomorrow

Kultur

Die eigenwillige Dokumentation über das Schaffen des Techno-Altmeisters Jeff Mills ist wie dessen Musik sehr experimentell. Sphärische Klänge, seltsame Bilder, gelegentliche Sprache aus dem Off – hier fliesst alles zu einer faszinierenden Filmerfahrung zusammen, in dem die Grenzen aufgehoben sind.

Man From Tomorrow - Jeff Mills von Underground Resistance am Donausfestival 2014 in Krems, Österreich.
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Man From Tomorrow - Jeff Mills von Underground Resistance am Donausfestival 2014 in Krems, Österreich. Foto: Christian Kadluba (CC BY 3.0 cropped)

16. Februar 2015
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Eine Hand von Kabeln umwickelt, die versucht sich von eben diesen zu befreien, das gehört nicht unbedingt zu den Bildern, die man in einer gewöhnlichen Dokumentation erwarten würde. Aber eine solche hatte die Regisseurin Jacqueline Caux auch gar nicht zum Ziel, als sie begann, einen Film über Jeff Mills zu drehen. Dem Mainstreamhörer, der sein musikalisches Wissen vorzugsweise mithilfe des Radios aneignet, dürfte der Name eher weniger geläufig sein. Elektrofans, speziell solche mit einer Vorliebe von Techno, könnten aber durchaus mit Mills sphärischen Klängen in Berührung gekommen sein, gehörte er doch Ende der 80er zu den Gründungsmitgliedern des Detroiter Kultkollektivs Underground Resistance.

Im Vergleich zu ihren Kollegen fielen Mills und die anderen durch musikalische Experimente und politische Aussagen auf, beides findet sich dann auch in Man From Tomorrow, wenn auch in abgeschwächter Form.

„Life is a story already written“ ist einer der zentralen Sätze des Films, was zum einen an seiner Griffigkeit liegt, aber auch an der überschaubaren Konkurrenz: 17 Minuten müssen wir warten, bis das erste Mal aus dem Off Sprache ertönt. Und das ist reichlich spät angesichts einer Laufzeit von gerade mal 40 Minuten. Doch auch wenn in Folge Mills häufiger mal das Wort ergreift und seine Überlegungen zu Mensch und Gesellschaft äussert, sie bleiben nur ein kleiner Teil von Caux' experimentellem Werk. Sprache, Musik, Bilder, alles greift hier ineinander über, ohne dass je etwas in den Vordergrund treten würde.

Bei der fortlaufenden Musik etwa, die sich nie eindeutig in einzelne Lieder unterteilen lässt, werden ständig Elemente hinzugefügt, andere verschwinden, ohne dass es je zu einem Bruch käme. Fans des Altmeisters dürfen sich so über einen nie enden wollenden Klangteppich freuen, der sich mal aus beruhigenden, entspannenden, dann wieder aus bedrohlichen Bestandteilen zusammensetzt. Und wem das alles noch nicht reicht oder auch unterwegs die akustische Entdeckungsreise fortsetzen mag, für den liegt zusätzlich eine 70-minütige Audio-CD mit 16 Tracks bei, viele davon neu.

Insgesamt ist eine Vorliebe für Mills' Ambient Techno dringend vorausgesetzt, denn als Film hat das eigenwillige Projekt nur wenig Gehalt. Faszinierend ist es sicher, sogar hypnotisch, wenn flimmernde rote Kreise auf Armen und Händen entlang wandern, Schatten wachsen und wieder kleiner werden, wir viele Strukturen sehen, die sich nicht eindeutig zuordnen lassen. Und doch ist Man From Tomorrow als eine Einladung zum Loslassen angelegt, als ein filmisches Experiment, das es zu erleben gilt, weniger zu verstehen. Eine Reihe von Menschen – namenlos, sprachlos, identitätslos – laufen in den späteren Szenen im Gänsemarsch durch die Gegend, drehen um, laufen weiter, ohne doch je an ein Ziel zu gelangen. Und das gilt dann auch für den Film: Der Mann aus der Zukunft ist nicht vorbeigekommen, um uns das Ende zu zeigen, sondern auf eine Reise mitzunehmen. Und die ist bei aller grenzenlosen Verwirrung eine spannende Erfahrung geworden.

Oliver Armknecht
film-rezensionen.de

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