Rezension zum Film 1. Mai – Helden bei der Arbeit

Kultur

Die parallel erzählten Geschichten um Menschen während des Maifests sind konzeptionell spannend, wirken trotz ihrer Losgelöstheit wie aus einem Guss. Der Inhalt ist weniger interessant, trotz teils sehr guter Darstellerleistungen ist „1. Mai – Helden bei der Arbeit“ letzten Endes zu konstruiert, um wirklich zu packen.

1.-Mai-Demonstration in Berlin in 2005.
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1.-Mai-Demonstration in Berlin in 2005. Foto: Reise Reise (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

17. Juli 2015
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3 min.
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Endlich mal etwas Aufregendes erleben! Die beiden Kleinstädter Jacob (Jacob Matschenz) und Pelle (Ludwig Trepte) fahren anlässlich des Maifestes und der zu erwartenden Randalen nach Berlin, um dort mal so richtig die Sau rauszulassen. Auf Ärger ist auch der 11-jährige Junge Yavuz (Cemal Subasi) aus, der unbedingt mal einen Bullen verdreschen will und dabei die Bekanntschaft mit dem Alt-Linken Harry (Peter Kurth) macht.

Auf der anderen Seite steht der Provinzpolizist Uwe (Benjamin Höppner), der auf Aufregungen gut verzichten könnte. Die hat er schliesslich zu Hause schon mehr als genug, nachdem er erfahren hat, dass seine Frau ihn mit jemand anderem betrügt. Um sich abzureagieren, lässt er sich zu einem Bordellbesuch überreden – was aber böse Folgen hat.

Vier Regisseure, drei Geschichten, ein Thema: Menschen, die während des 1. Mai in Berlin unter grossem emotionalen Druck stehen. Episodenfilme sind nicht unbedingt selten, immer wieder kommen mehrere Filmemacher bei einem Projekt zusammen, um jeder für sich und doch gemeinsam etwas zu einem Thema zu erzählen. Und doch sticht 1. Mai – Helden bei der Arbeit hier aufgrund seiner besonderen Entstehungsgeschichte hervor: Die Teams der drei Episoden drehten ihre Filme gleichzeitig und unabhängig voneinander während des Berliner Maifestes 2006, erst während des Schnitts wurde diese miteinander verknüpft. Berührungspunkte gibt es auf diese Weise nicht, sieht man einmal davon ab, dass – so war die Vorgabe – sie an einem gemeinsamen Ort enden.

Bemerken würde man diese Vorgehensweise kaum, sieht man einmal von den fehlenden inhaltlichen Querverbindungen ab, wirken die drei Geschichten tatsächlich aus einem Guss und zeichnen gemeinsam das düstere Bild dreier Schicksale, die jeweils an einer Weggabelung stehen. Der 1. Mai selbst ist zwar bei allen drei Episoden zu sehen, spielt aber inhaltlich keine grosse Rolle: Bei den Jugendlichen sind die Demo und die Krawalle der Anlass für eine Selbstfindung, bei Polizist Uwe bekommt man noch weniger von der Ereignissen drumherum mit, ohne diese hätte sein Part genauso gut funktioniert.

Wirklich erwähnenswert ist der Inhalt von 1. Mai – Helden bei der Arbeit aber ohnehin nicht, lässt man den spannenden Kontext weg, bleiben Geschichten übrig, die gleichzeitig banal und konstruiert sind. Beim Versuch, die jeweils eigene Episode erinnerungswürdig zu machen, wurden Wendungen eingebaut und übertriebene Erfahrungen, die es in der Form überhaupt nicht gebraucht hätte. Besonders schade ist das bei Jacob und Pelle, die umwerfend gespielt wurden, deren Handlungszweig später jedoch unnachvollziehbar dramatisch wird. Der Coming-of-Age-Teil um Yavuz ist da authentischer, jedoch durch seinen Hang zur aufgesetzten Moral ebenfalls etwas holprig. Faszinierend ist das Ergebnis insgesamt schon, gerade wenn man um die Hintergründe weiss. Wenn es aber darum ging, einen bleibenden und emotional packenden Eindruck zu hinterlassen, dann scheitert der Film an seinen eigenen Ansprüchen.

Oliver Armknecht
film-rezensionen.de

1. Mai – Helden bei der Arbeit

Deutschland

2008

-

94 min.

Regie: Carsten Ludwig, Jan-Christoph Glaser, Sven Taddicken, Jakob Ziemnicki

Drehbuch: Carsten Ludwig, Michael Proehl, Oliver Ziegenbalg, Jakob Ziemnicki

Darsteller: Hannah Herzsprung, Jacob Matschenz, Oktay Özdemir

Produktion: Jon Handschin, Alexander Bickenbach, Christian Rhode

Musik: Christoph Blaser, Steffen Kahles

Kamera: Daniela Knapp, Daniel Möller, Kolja Raschke, David Schultz

Schnitt: Carsten Eder, Jan-Christoph Glaser

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 3.0) Lizenz.