Kritik zum Dokumentarfilm „Charlottesville: Our Streets” Rechter Terror – Liberales Versagen

Kultur

Organisiert von den Rechtsextremisten Jason Kessler und Richard Spencer haben am 11. und 12. August 2017 in Charlottesville im US Bundestaat Virginia Proteste unter dem Motto „Vereinigt die Rechte“ stattgefunden.

Solidaritäts-Demo in den USA für die Opfer von Charlottesville, 13. August 2017.
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Solidaritäts-Demo in den USA für die Opfer von Charlottesville, 13. August 2017. Foto: Mark Dixon (CC BY 2.0 cropped)

12. Dezember 2018
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Neben dem Ku-Klux-Klan mobilisierten auch verschiedenste Gruppierungen der sogenannten „Alt-Right“ (Ultra-Rechten) sowie andere faschistische Gruppierungen und (bewaffnete) Milizen, zu deren Ideologien Neonazismus, Weisse Vorherrschaft und weisser Nationalismus gehören. Am zweiten Tag der Proteste, nachdem ein Notstand verhängt und die Demonstration als rechtswidrig erklärt wurde, fuhr ein Demonstrant mit seinem Auto in die Gegendemonstration und tötete eine der Gegendemonstrantinnen, Heather Heyer. 19 Andere wurden verletzt. Durch den Tod von Heyer sorgten die Ereignisse für internationalen Medienaufruhr. Der Präsident der USA, Donald Trump kommentierte dies trivialisierend mit den Worten: „Es hat Gewalt auf beiden Seiten gegeben“.

Für den Film „Charlottesville: Our Streets” (2017) haben Jackson Landers und Brian Wimer eine enorme Anzahl von Handy Filmmaterial zusammengetragen, ausgewertet und geschnitten und auch sie waren bei den Protesten. Ihr eigenes Filmmaterial ergänzt das Ganze. Interviews von Menschen aus verschiedenen politischen Spektren die für die Proteste vor Ort waren untermauern die bewegenden Bilder. Die Intention des Filmes ist es, die Ereignisse von Charlottesville journalistisch zu dokumentieren.

Eine der ersten Szenen zeigen den Abend des 11. August an dem Faschist*innen mit Fackeln den Campus der University of Virginia stürmen. „Ihr werdet uns nicht ersetzen“, „Juden werden uns nicht ersetzen“ und „weisse Leben zählen“ hallt es durch das Universitätsgelände. Danach rollt der Film chronologisch die Ereignisse vom 12. August auf.

Die Szenen zeigen wie mit Pfefferspray, Tränengas und Feuerwaffen bewaffnete Faschist*innen die Stadt stürmen und sich Strassenkämpfe mit Gegendemonstrant*innen liefern. Danach sieht man wie sich eine Gruppe samt Pastor*innen auf die Gegendemo vorbereiten. Ihre Strategie ist es den Rechtsextremen mit Liebe entgegenzutreten. Die rund 800 gewaltbereiten Rechtsextremen beindruckte das wenig und so beschreibt einer der Teilnehmenden dieser Gruppe, dass wenn sich nicht 300 militante Antifaschist*innen vor sie gestellt hätten, die Neo-Nazis sie übel zugerichtet hätten.

Ein interviewter Faschist berichtet über die Gewalt, die der rechte Mob von den Gegendemonstrierenden erfahren hat. Dabei beschimpft er die Antifaschist*innen als „Kommunisten“ und „Bolschewiken“. Ein breites Spektrum der Interviewten verurteile ebenfalls die Gewalt der Antifaschist*innen. Radikalere Standpunkte und Taktiken werden im Film ähnlich wie die der Faschisten, zwar gezeigt, bleiben aber marginal in ihrer Auswirkung. Eine Analyse des Rechtsruck in den USA bleibt ebenso aus wie die Rolle organisierter Arbeiter*innen sowie rassistisch diskriminierter Gruppen.

Während sich fast alle Interviewten über das Versagen der Polizei einig waren, diese stand grösstenteils tatenlos rum, ist der Film von liberalen Stimmen dominiert, die, ähnlich wie Trump, die Gewalt von Faschist*innen im Angesicht von linker Gewalt relativieren und einen mit einer klaren Botschaft aus dem Film entlässt: Gewalt ist immer falsch und zwar auf allen Seiten.

Durch diese Botschaft lässt der Film die Frage offen, wie mit solchen rechtsextremen Aufmärschen umgegangen werden soll. Er zeigt klar, dass der oberflächliche Pazifismus von Linksliberalen rechtem Terror wenig entgegen zu setzten hat und, dass die Polizei, als Handlager des bürgerlichen Staates gänzlich nutzlos in seiner Bekämpfung ist. Die Strategie militanten und bewaffneten Faschist*innen mit Liedern und Liebe entgegen zu treten hatte wenig Auswirkungen und hat die Beteiligten sogar in grosse Gefahr gebracht.

Das liberale Narrativ des Filmes unterliegt zwar guter Intention, hat jedoch eine fatale Wirkung. Durch die Darstellung aller Meinungen als (nahezu) gleichwertig und der Annäherung an eine Gleichsetzung von rechter und linker Gewalt, unterfüttert der Film eine Diskursverschiebung weg von der Problematisierung von rechtem Terror in Zeiten der kapitalistischen Krise und hin zu einer platten Delegitimierung der Wirksamkeit von anti-faschistischer, militanter Praxis in der Bekämpfung von Neo-Nazismus. Anstatt einer machtkritischen Gesellschaftsanalyse, werden durch die liberale Verfechtung des Films falsche Ansprüche an Objektivität gestellt und reproduzieren so Ungerechtigkeit und Gewalt durch geheuchelte Toleranz für unmenschliche Haltungen.

Der Film ist für eine Übersicht der Ereignisse in Charlottesville sicherlich sinnvoll, jedoch müssen dafür Ansprüche an eine klare politische Haltung zu den Ereignissen selber beiseite gelegt werden.

Alia Ka / lcm

Charlottesville: Our Streets

USA

2017

-

90 min.

Regie: Brian Wimer

Drehbuch: Jackson Landers, Don Gathers, Natalie Jacobson

Produktion: Jackson Landers