Rezension zum Film von Bill Condon Inside Wikileaks – Die fünfte Gewalt

Kultur

Der Film „Inside Wikileaks“ zeigt die Ereignisse um die Enthüllungsplattform „Wikileaks“ in den Jahren 2007 bis 2010.

Julian Assange und Daniel Domscheit-Berg.
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Julian Assange und Daniel Domscheit-Berg. Foto: Jacob Appelbaum (CC BY 3.0 unported - cropped)

8. März 2016
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Dabei nimmt der Film die Perspektive des Netz-Aktivisten Daniel Domscheid-Berg ein. Im dramatischen Vordergrund steht die Beziehung zwischen Daniel und dem Wikileaks-Gründer Julian Assange.

Vor dieser Vorlage werden die Entstehung und Wirkung der von Wikileaks veröffentlichten Leaks gezeigt. Mit ein bisschen Fantasie lässt sich der Hollywood-Blockbuster als Parabel auf exemplarische soziale Entwicklungen in linksradikalen Bezugsgruppen und Kollektiven lesen. Und das macht ihn interessant.

Entwicklungsroman im Kino

Die Handlung des Films ist die eines Entwicklungsromans. Daniel lernt Julian auf einem Kongress kennen (der CCC wehrte sich erfolgreich gegen die Verwendung seines Logos im Film). Daniel ist fasziniert vom Charisma und der Ideen um Wikileaks. Er beginnt, Recherche-Aufgaben zu übernehmen. Mit der Zeit wird Daniel immer mehr in die Arbeit der Enthüllungsplattform eingebunden und steigt zur rechten Hand Assanges auf. Nebenbei dämmert ihm, dass es so schrecklich viele weitere Hände nicht geben kann und auch sonst nicht alles so rosig ist wie Julian es darstellt. Die angeblich tausenden Freiwilligen in aller Welt beschränken sich auf vielleicht ein dutzend Menschen in der westlichen Welt. Die angeblich ach so leistungsfähige Server-Infrastruktur ist ein Schrotthaufen. Und die Verhaftung der Informant_in Chelsea Mannings zeigt nachdrücklich die Gefahren ihres Tuns auf.

Der grosse Knall

Zum finalen Streit und dramatischen Höhepunkt des Films kommt es anlässlich der Veröffentlichung der gesammelten Botschaftspost des US-Aussenministeriums. Daniel entdeckt, das Julian gegenüber Kooperationspartner_Innen in den Medien falsche Angaben macht. Die Kritik daran bügelt Julian selbstherrlich ab. Zum finalen Zerwürfnis kommt schliesslich in der Frage, ob legitim sei, durch eine unbearbeitete Veröffentlichung von Spitzelberichten die Spitzel in ihren Heimatländern in Lebensgefahr zu bringen. Julian ignoriert die moralische Kritik. Dies überdehnt den Konsens in der Gruppe. Daniel bricht die Kooperation ab und klaut Server und Daten, was Wikileaks auf Jahre handlungsunfähig machen wird.

Sexismus-Debatte um Assange wird ausgeblendet

Um die zur Anklage wegen Vergewaltigung führenden Ereignisse in Schweden legt der Film Leerstellen. So lässt sich der Film als Boy-Story erzählen, in der Frauen die Akteure nur vom Revoluzzern abhalten. Auch die rechts-libertäre Ideologie Assanges wird wenig kritisch gezeichnet. Was die Absage an eine Praxis der kollektiven Politik für eine linksradikale Theorie bedeutet, wird im Film nicht ausgelotet. Ob man das von Hollywood-Schinken erwarten kann, sei einmal dahin gestellt.

Warum sich der Film trotzdem lohnt?

Zuerst fällt auf, das der im Film gezeigte Aktivisti-Zyklus etwas mehr als zwei Jahre läuft. Das ist erstaunlich ähnlich dem Zyklus von linksradikalen Bezugsgruppen. Und auch die Gruppendynamiken scheinen ähnlich zu sein. Ein charismatischer grössenwahnsinniger Verrückter (meistens männlich) sammelt Leute für eine Idee ein. Das läuft dann auch erst mal ganz gut. Aber mit zunehmendem Zeitablauf belasten die informellen Hierarchien im Projekt immer mehr die sozialen Beziehungen und die Handlungsfähigkeit des Zusammenhanges. Schliesslich kommt es anhand einer politischen Frage zur Überdehnung des Aktionskonsens. Und die anschliessenden Reaktionen im Kollektiv zerlegen die gemeinsame Handlungsfähigkeit ruckartig endgültig. Ähnlich wie im Film passiert dies in linksradikalen Kleingruppen auch regelmässig auf einem Hochpunkt der Repression gegen die Gruppe. Also in einem Moment, in der kollektive Handlungsfähigkeit eigentlich notwendiger denn je wäre. Zurück bleiben handlungsunfähige vereinzelte Individuen.

Parabel auf linksradikale Zusammenhänge

Das im Film gezeigte persönliche Drama um die Hauptfiguren lässt sich also mit etwas Fantasie als Parabel auf die Dynamiken in linksradikalen Kollektiven deuten. Und der Film zeigt, warum Transparenz in Projekten, gezieltes Know-How-Sharing, eine aktive HierarchNie-Politik und das Achten auf die Einhaltung eines gemeinsamen Konsens elementar sind, um nicht irgendwann so zu enden wie Julian Assange und Wikileaks. Und wer zu wenig für diesen Zugang übrig hat, kann zumindest mit einem unterhaltsamen Actionfilm mit guten Schauspieler_Innen der wochenendlichen Langeweile etwas entgegen setzen.

maqui.blogsport.eu

Inside Wikileaks – Die fünfte Gewalt

GB

2013

-

124 min.

Regie: Bill Condon

Drehbuch: Josh Singer

Darsteller: Benedict Cumberbatch, Daniel Brühl, Anthony Mackie

Produktion: Steve Golin, Michael Sugar

Musik: Carter Burwell

Kamera: Tobias A. Schliessler

Schnitt: Virginia Katz