Rezension zum Film über den Finanzcrash von 2008 The Big Short

Kultur

Ein Film über die Finanzkrise? Das ist alles andere als langweilig, sondern aufgrund des hohen Tempos und des allgegenwärtigen Humors sogar sehr unterhaltsam, darüber hinaus auch informativ. Der Tragik der Ereignisse wird „The Big Short“ jedoch kaum gerecht, es dominiert ein satirisch-zynischer Ton.

Logo vom Film «The Big Short».
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Logo vom Film «The Big Short». Foto: Rayukk (CC BY-SA 4.0 cropped)

2. April 2016
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Der US-Immobilienmarkt ist Mitte der 2000er eine echte Goldgrube – jeder will mitmischen, steckt eine Menge Geld hinein, überbietet sich mit immer grösseren Finanzprodukten, um am Ende noch etwas reicher davonzukommen. Aber ist das Geschäft auch solide? Hedgefonds-Manager Michael Burry (Christian Bale) glaubt nicht daran, sieht in dem Handel mit kaum seriösen Krediten sogar ein echtes Risiko für die Finanzwelt. Glauben will ihm das aber niemand, zu lukrativ war die Geschichte bislang.

Warum sollte sich das ändern? Und so fährt Burry eine ganz neue Strategie: Er wettet gegen das System und auf den Kollaps. Bei seinen Kollegen erntet er damit nur Unverständnis und Hohn. Lediglich der Deutsche Bank-Makler Jared Vennett (Ryan Gosling) erkennt den Stand der Lage und schliesst sich zusammen mit dem Trader Mark Baum (Steve Carell) dem wahnwitzigen Unterfangen an. Aber auch die Jungbanker Charles Geller (John Magaro) und Jamie Shipley (Finn Wittrock) wittern in diesen Wetten das grosse Geld und gewinnen den Ex-Banker Ben Rickert (Brad Pitt) für ihren Coup.

Als 2008 mit der Pleite der Bank Lehman Brothers die Finanzkrise so richtig Fahrt aufnahm, um anschliessend in einer weltweiten Wirtschaftskrise zu münden, traf das Laien wie Profis ziemlich unvorbereitet. Was war da nur geschehen? So genau konnten das nur die wenigsten sagen, was zum einen daran lag, dass die Gier zu gross geworden war, um etwaige Warnsignale noch erkennen zu können und zu wollen. Aber auch daran, dass die Produkte so komplex geworden waren, dass sie selbst deren Verkäufer nicht mehr verstanden. Der Finanzjournalist Michael Lewis, auf dessen gleichnamigem Buch The Big Short basiert und der auch schon die Vorlage zu Moneyball geliefert hatte, nahm sich dennoch oder gerade deshalb der Suche nach den Hintergründen an.

Vielversprechend klingt das nicht, lässt unbändige Zahlenkolonnen und trockene Theorien erwarten. Und dennoch gelingt Lewis bzw. Regisseur und Drehbuchautor Adam McKay das Kunststück, die Krise und ihre Ursache tatsächlich greifbar zu machen. Ein Kniff dabei ist, nicht das System als solches in den Vordergrund zu stellen, sondern die Leute, die darin arbeiten. Auch wenn die Figurenzeichnung dabei nicht allzu sehr in die Tiefe geht, man sich bei ihr mit nur wenigen Charakterzügen zufriedengeben muss, dienen sie doch als Rettungsanker im Meer des Wahnsinns, an den man sich klammern kann. Dass McKay dafür auch noch eine Reihe von grossen Namen gewinnen konnte – neben den obengenannten spielen unter anderem auch Marisa Tomei, Melissa Leo und Hamish Linklater mit –, hilft natürlich immens, sich für die Akteure zu interessieren.

Der andere Punkt ist der Humor: In The Big Short darf gelacht werden, oft und viel, häufiger als bei den meisten reinen Komödien der letzten Zeit. Nicht nur, dass einen hier eine Reihe exzentrischer Figuren erwarten, sie liefern sich ein Dialogfeuerwerk, dass einem hinterher die Ohren bluten, es werden eine Reihe anschaulicher, wenn auch absurder Analogien hinzugezogen. Darüber hinaus wird auch ganz gerne mal die vierte Wand durchbrochen, indem Vennett, der eine Doppelfunktion als Erzähler hat, den Zuschauer direkt anspricht und durch die Gastauftritte berühmter Persönlichkeiten, die unter eigenem Namen und in ungewöhnlichen Situationen ihren Senf dazu geben.

Nachteil dieser sehr auf Unterhaltung ausgelegten Herangehensweise ist, dass die tragischen Aspekte der Krise kaum gewürdigt werden. Am Ende werden die Folgen kurz abgehandelt, ansonsten dominieren die satirisch-zynischen Töne. Für den Zuschauer bringt das ein interessantes „Problem“ mit sich: Hier wird gar nicht so klar, wen man eigentlich innerlich anfeuern soll. Das Finanzsystem, das aus Profitsucht das Leben der Menschen zerstörte? Wohl kaum. Aber auch deren Gegner – als Underdogs eigentlich zum Helden verdammt – sind in der Hinsicht weniger geeignet, profitierten doch gerade sie durch ihre Wetten auf den Kollaps von dem anschliessenden Elend der Leute.

Um Sympathie ging es The Big Short jedoch nicht, auch nicht um die menschliche Komponente, sondern um eine Rekonstruktion der Ereignisse, die unterhaltsam und lehrreich zugleich ist. Beide Punkte wurden dabei voll erfüllt: Auch wenn man aufgrund des irrwitzigen Tempos sicher nicht alles und jeden verstanden hat, bekommt man doch genug Einblick in das skandalöse Treiben der Finanzakteure, um anschliessend mitreden zu können und dabei auch den Glauben an die Menschheit zu verlieren.

Oliver Armknecht
film-rezensionen.de

The Big Short

USA

2015

-

130 min.

Regie: Adam McKay

Drehbuch: Adam McKay, Charles Randolph

Darsteller: Christian Bale, Steve Carell, Ryan Gosling, Brad Pitt

Produktion: Brad Pitt, Dede Gardner, Jeremy Kleiner, Arnon Milchan

Musik: Nicholas Britell

Kamera: Barry Ackroyd

Schnitt: Hank Corwin

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 3.0) Lizenz.