Musik und Ton Der «Ursprung» von Musik

Kultur

Der Begriff Musik stammt vom lateinischen Wort Musica ab. Dies bedeutet nichts anderes als die Bezeichnung für Töne, die einem bestimmten Muster entsprechen.

Magnetophon (Tonbandgerät), ein technischer Fortschritt im Rundfunk ab 1939, mit ca. 20 min Spielzeit ein wesentlicher Fortschritt gegenüber der auf ca. 4 min begrenzten Spielzeit einer Schallplatte und dieser ab 1941 auch qualitativ deutlich überlegen.
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Magnetophon (Tonbandgerät), ein technischer Fortschritt im Rundfunk ab 1939, mit ca. 20 min Spielzeit ein wesentlicher Fortschritt gegenüber der auf ca. 4 min begrenzten Spielzeit einer Schallplatte und dieser ab 1941 auch qualitativ deutlich überlegen. Foto: Friedrich Engel (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

4. Oktober 2010
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Wie so vieles stammt der Begriff Musik vom lateinischen Wort Musica ab. Nüchtern betrachtet ist dies nichts anderes als die Bezeichnung für Töne, die einem bestimmten abwechselnden Muster entsprechen.

Zum "musizieren", also zum Schaffen von Musik werden nicht immer, aber häufig Instrumente genutzt. Dabei kann jeder beliebige Gegenstand, der akustische Schallwellen erzeugt, zu einem Instrument umfunktioniert werden.

Besonders bekannt ist in diesem Bereich die Künstlergruppe "STOMP". Obgleich deren Kunst mehr in der Bühnenshow liegt, bieten auch sie in gewisser Weise Musik an. Diese beruht dabei auf rhythmischen Abfolgen bestimmter Geräusche, die von ihnen mit Müll erzeugt werden. Das älteste bekannte Instrument ist etwa 35.000 Jahre alt.

Es handelt sich hierbei um eine Knochenflöte. Musik - korrekter die Anreihung von Tönen - hat ihren Ursprung somit in einer sehr tief steckenden Vergangenheit.

In den vergangenen Jahrhunderten entwickelte sich aber nicht nur die Musik sondern auch alles was dazugehört in drastischem Ausmasse weiter.

Während Musik in früheren Zeiten stets "Live" war, also nicht reproduziert wiedergegeben werden konnte, brachte der technologische Fortschritt hier eine ruckartige Änderung. Die erste Schallaufzeichnung gelang im Jahr 1877 durch Thomas Alva Edison. Er hatte ein Gerät mit der Bezeichnung "Phonograph" entwickelt. Bis zum Jahre 1930 war es das wichtigste - und auch einzige - Gerät, mit dem Tonaufzeichnungen möglich waren.

Die Wissenschaftler Béla Bartók sowie Zoltán Kodály benutzten eines dieser Geräte bei ihren Feldforschungen in Osteuropa und Nordafrika. Mithilfe des Phonographen zeichneten sie Tausende von Volksliedern auf und erzeugten damit eine wertvolle Sammlung an Kulturgütern.

Der Fortschritt war ab diesem Zeitpunkt kaum noch aufzuhalten. Einen weiteren Vorschub leistete die Entwicklung der Schallplatte im Jahr 1887 durch Emil Berliner. Parallel zu diesem neuen Speichermedium entwickelte er ein dazu passendes Abspielgerät, welches den Namen "Grammophon" erhielt. Innerhalb kürzester Zeit etablierte sich die Schallplatte als "Datenträger" der Wahl, das Grammophon wurde zu einem begehrten Abspielgerät.

Der Massenproduktion sowie dem Konsum von Musik stand nichts mehr im Wege. So wurden Haushalte, in denen nicht musiziert wurde, nach und nach ebenfalls Musik zuteil. Auch wenn dies nur über gekaufte Grammophone und Schallplatten funktionierte. Die Erfindung der Schallplatte sowie des Grammophons mit der anschliessenden Massenproduktion veränderte den Markt jedoch so grundlegend, wie das Internet. Plötzlich war es allen Menschen - die es sich leisten konnten wohlgemerkt - möglich, Musik zu geniessen, ohne dabei selbst musizieren zu müssen. Auch war kein Besuch einer musikalischen Veranstaltung notwendig.

Igor Strawinski erkannte als einer der ersten den Vorteil dieses neuen Mediums, welches sich anfangs zwar zögerlich verbreitete, aber immer bedeutender wurde. Im Jahr 1928 ging er schliesslich einen Vertrag mit dem Schallplatten-"Label" Columbia Records ein. Er zielte dabei in erster Linie auf eine - für damalige Verhältnisse - qualitativ hochwertige Aufnahme seiner Musik ab.

Der Vertrieb selbiger mag zum damaligen Zeitpunkt wohl noch an zweiter Stelle gestanden haben. Der Fortschritt blieb jedoch nicht stehen, und so verbesserte sich die Qualität der Schallplatten sowie der Abspielgeräte immer mehr. Nach Ende des 2. Weltkrieges entdeckte man Polyvinylchlorid als Material zur Herstellung von Schallplatten. Dieses erlaubte wesentlich schmalere Rillen in den Schallplatten, was deren Spieldauer drastisch erhöhte.

Ab 1948 setzte die Produktion mit diesem Material ein und führte sogleich zu einem wesentlich umfangreicheren Angebot. Während die alten Platten sich noch etwa 78-Mal pro Minute drehten, sank dieser Wert bei den neu gefertigten Schallplatten auf 33 bis 45. Parallel dazu erhöhte sich die Klangqualität durch Polyvinylchlorid ebenfalls enorm. Bis zur ersten "Stereo-Schallplatte" dauerte es jedoch noch einige Jahre.

Denn obwohl die Stereotechnologie bereits einige Zeit zuvor entwickelt wurde, gab es die erste Stereoschallplatte erst ab dem Jahr 1958. Diese Entwicklung hob das "Klangspektakel" erneut auf eine völlig neue Stufe und wurde massentauglich, als 1960 auch der Rundfunk mit Stereoübertragungstechniken ausgestattet wurde. Diese neue technologische Entwicklung führte aber auch dazu, dass die Abspielgeräte in der Lage sein mussten, die Musik in Stereo wiederzugeben.

Da dies bislang nicht der Fall war, gab es auch im Bereich der Wiedergabegeräte eine ruckartige Weiterentwicklung, die zu enormen Verkaufszahlen führte. Durch das neu eingeführte Direktschnittverfahren wurde darüber hinaus die Qualität der Tonaufnahmen erneut erhöht. Zuvor wurden Aufnahmen zuerst auf ein Tonband aufgezeichnet, was nachträglich jedoch zu qualitativen Einbussen bei der Wiedergabe führte.

Rasend schnell entwickelte sich dadurch auch die Compact Cassette, welche auch dem Privatanwender Aufnahmen ermöglichte, die er später an anderen Geräten wieder abspielen konnte. Insbesondere der Walkman erfreute sich ab dieser Zeit zunehmender Beliebtheit, da Musik damit das erste Mal wirklich "mobil" und transportabel wurde. Lange Zeit konnte sich die Schallplatte sowie die Kassette auf dem Musikmarkt halten, doch der technologische Fortschritt war nicht mehr zu bremsen.

Als die Compact Disc 1982 das Licht der Welt erblickte, ahnte eigentlich niemand so genau, welche Folgen dieses kleine silberne Ding für den Musikmarkt hatte. Für die Branche brach ein wirklich goldenes Zeitalter an.

Nicht nur, dass die Qualität auf ein völlig neues und bislang unbekanntes Niveau gehoben wurde. Nein, man konnte nun quasi doppelt verdienen. Viele die eine Schallplatten-Sammlung ihr eigen nannten, griffen auch noch mal auf die CD zurück. Dies war aufgrund der "Komfort-Funktionen" die eine CD bot, eigentlich nicht anders zu erwarten. Die CD war wesentlich kleiner als eine Schallplatte und nahm demzufolge nicht nur weniger Platz weg, sondern war auch leichter transportabel.

Auch liess sich die CD auf der Oberfläche selbst gestalten. Während dies wohl eher marginale Nutzungsfreuden waren, brachte die CD ihren wirklichen Vorteil beim Abspielen zutage. Während bei einer Schallplatte geringe Staubpartikel sowie wiederholtes Abspielen über kurz oder lang zu einem qualitativen Verlust führten, war die CD davor praktisch bewahrt. Natürlich konnten auch hier Kratzer zu Problemen führen und mit zunehmender Lebensdauer gab es sicherlich Probleme. Doch qualitativ betrachtet war die CD als Medium zur Musikvermittlung ein absoluter Meilenstein.

Auch nach 100 Abspielvorgängen blieb der Ton konstant perfekt. Innerhalb kürzester Zeit avancierte der kleine silberne Datenträger nicht nur zum bevorzugten Transporteur für Musik, sondern trieb auch den technologischen Fortschritt weiter voran. Denn obgleich die Qualität der Musik, die auf CD gepresst wurde, bisher unübertroffen war. Sie hatte auch einen grossen Mangel: Kapazität.

Natürlich konnte man einerseits froh sein, überhaupt 20 Tracks auf einem so kleine Ding zu speichern. Man wollte jedoch mehr. Mehr bedeutete in diesem Falle eine kleinere Datenmenge, bei gleichbleibender Qualität.

Das Fraunhofer-Institut nahm hierzu bereits 1982, also parallel zum Auftreten der CD erste Forschungen auf. Innerhalb kürzester Zeit konnte man enorme Fortschritte verzeichnen, welche 1995 in einem Ergebnis resultierten, dass uns heute als MP3 bekannt ist. Dieses Musikformat macht sich dabei einen wesentlichen Bestandteil der Psychoakustik zunutze. Der Mensch ist aufgrund physischer Begebenheiten nämlich nicht in der Lage, jeden "Ton" zu hören. Beispielsweise ist man erst ab einem gewissen Unterschied in der Tonhöhe in der Lage, zwei unterschiedliche Tonwerte voneinander zu unterscheiden.

Vor oder nach sehr lauten Geräuschen nehmen wir ausserdem kurzfristig sehr leise Geräusche wesentlich schlechter wahr. Diese Fehlerbehaftung nutzt das MP3-Format aus. Aus einem qualitativ hochwertigen Werk wird bei der Konvertierung einfach alles entfernt, was das menschliche Ohr sowieso nicht hören und umsetzen kann. Für die meisten bleibt die Klangqualität gleichbleibend konstant. Aufgrund der Tatsache, dass es sich hier um ein verlustbehaftetes Format handelt, können jedoch auch Unterschiede deutlich werden.

Man bemerkt dies insbesondere dann, wenn eine zu niedrige Bitrate bei der Kodierung benutzt wurde. Während sich beispielsweise 96 Kilobit durchaus für ein Interview oder ein reines Gespräch eignen, damit dieses einigermassen repräsentierbar in der Qualität bleibt, ist dies bei Musik aufgrund des Tonspektrums nicht der Fall. Eine MP3 die mit einer Bitrate von 96 kodiert wurde, weist merkliche qualitative Mängel im Vergleich zur Originaldatei auf einer CD auf. Diese werden in der Regel von allen wahrgenommen. Bereits aber einer geringfügigen Erhöhung auf 128 Kilobit nimmt die Qualität jedoch soweit zu, dass nicht mehr viele Hörer einen Unterschied erkennen. Neben der Kilobit-Rate sind selbstverständlich auch die Einstellung zum Khz-Bereich sowie bezüglich Mono und Stereo ausschlaggebend für die Qualität.

Allgemeinhin ist bei 160 Kilobit der Punkt erreicht, an dem kein merklicher Unterschied zu einer Originalaufnahme des Studios (welche qualitativ eigentlich wesentlich hochwertiger ist) festgestellt werden kann. Zahlreiche Online-Shops bieten ihre Werke dennoch mit 192 Kilobit an.

Ob sich auch über einer Grenze von 160 Kilobit ein Unterschied erkennen lässt, kann zumindest aus akustischer Sicht bezweifelt werden. Das menschliche Gehör kann zumindest theoretisch eine gewisse Tonqualität ab einem bestimmten Punkt nicht mehr unterscheiden. Auch eine sehr hochwertige HiFi-Anlage kann keinen Unterschied mehr zutage fördern. Gänzlich ausser Acht lassen sollte man diesen Faktor jedoch nicht. Denn selbst wenn die akustischen Wellen nicht aktiv gehört werden können, werden sie dennoch "empfangen". Dies kann mitunter einen subjektiven Einfluss auf das Empfinden der Qualität der Aufnahme haben. Hierzu muss man sich aber auch vor Augen führen, welchen Prozess ein Musikstück durchläuft, ehe es zum Verkauf angeboten wird. Hier findet nicht nur eine, sondern gleich mehrere qualitative Minderungen statt. Während die CD ihren Siegeszug antrat und Unmengen an Einnahmen in die Kassen - insbesondere - der Majorlabels spülte, verlief parallel hierzu eine Entwicklung, die man zum damaligen Zeitpunkt völlig falsch erfasste und demnach auch nicht weiter verfolgte. Die Rede ist von den Anfangsschritten des Internets. Dieses etablierte sich parallel immer weiter und bot plötzlich völlig neuartige Verbreitungsformen für Medien an. Die Geschwindigkeit war selbstverständlich erschreckend gering im Vergleich zu heutigen Verhältnissen.

Eine kontinuierliche technische Weiterentwicklung hat aus anfänglichen Übertragungsraten von wenigen Kilobyte heute weit mehr gemacht. Während man sich damals mit einem Modem oder einem ISDN-Bündelkanal zufrieden geben musste, der noch im Kilobyte-Bereich Daten übertrug, so änderte sich die Situation in kürzester Zeit. Obwohl nach wie vor nicht alle Wohngebiete in Deutschland mit DSL versorgt sind, wird doch eine grosse Abdeckung erreicht. Bis 2010 soll es 21 Millionen Breitband-Internetzugänge in deutschen Haushalten geben.

Dass die Geschwindigkeit bei einem normalen DSL 1.000 Zugang bei 125KB Downstream anfängt, und bei VDSL2+ mit Geschwindigkeiten von 6,25 Megabyte Downstream aufhört, lässt erahnen, wohin der Geschwindigkeitszug "Internet" noch fahren wird. Während Modemnutzer des 20. Jahrhunderts teilweise über 15 Minuten für eine MP3 warten mussten, ist dieser Zeitrahmen mit DSL 1.000 auf etwa eine Minute gesunken. Wer einen DSL16k Anschluss sein Eigen nennt, kann zumindest vom theoretischen Datenübertragungsvolumen her eine MP3 - die durchschnittlich 3 MB gross ist - in einer halben Sekunde übertragen. Entscheidend ist hier schliesslich nur, auf welche Weise die Datei übertragen wird, also über welches System. Eine Vorreiter-Rolle beim Musikvertrieb übernahm der erste Tauschbörsen-Client Napster.

Alle die sich diesem zentralen Netzwerk anschlossen, konnten MP3s von anderen Netzwerkteilnehmern innerhalb kürzester Zeit herunterladen. Zugleich verbreiteten sie das Werk aber auch. Das grösste Manko von Napster - was letzten Endes auch zu dessen Untergang geführt hat - war jedoch dessen zentrale Auslegung. Es gab einen Server, der alles koordinierte. Die Musikindustrie wurde irgendwann ab 1998/1999 konkret auf Napster aufmerksam. Man sah deren Modell verständlicherweise als illegal an. Hier wurde urheberrechtlich geschützte Musik verbreitet, ohne dass auch nur einer der Teilnehmer dafür gezahlt hätte. So kam es, wie es nun mal kommen musste.

Die Recording Industry Association of America (RIAA) holte zum vernichtenden juristischen Schlag gegen Napster aus und gewann aus nachvollziehbaren Gründen den Prozess. War der Erfolg aber von langanhaltender Dauer? Hatte sich die Technik, mit der Musik zur Verfügung gestellt werden, kann durch Tauschbörsen nicht essenziell verändert?

Zum damaligen Zeitpunkt gab es nur eine Feststellung: Musik ist ein Gut, das verkauft wird. Es ist geistiges Eigentum. Man hatte es plötzlich mit einer bislang unbekannten Menge an "immateriellen Gütern" zu tun. Niemand konnte wirklich begreifen, was hier ablief. Zehn Jahre nach dem Untergang von Napster trat die Ex-Chief Executive Officerin der Recording Industry Association of America, Hillary Rosen, vor die Presse und sprach über die damalige Zeit. Über den Kampf gegen Napster, wieso man ihn angefing, was man sich davon erhoffte.

Ihr Zeugnis dürfte dabei eines der ehrlichsten, aber auch zugleich eines der internsten sein, dass über den Kampf gegen "die Katze mit den Kopfhörern" berichtet. Hillary Rosen war nämlich zum Zeitpunkt des Kampfes die Chief Executive Officerin der Recording Industry Association of America und somit auch an "vorderster Front", als es dem Dienst an den Kragen ging. Sie erklärte anlässlich des zehnten Geburtstages von Napster in einem Interview, dass man seinerzeit harte Entscheidungen hätte treffen müssen.

Man wollte in den digitalen Markt einsteigen, jedoch nicht in der Form, wie dies bei Napster geschah. Es sollte monetarisiert werden und man wollte die Kontrolle behalten. Der wichtigste Punkt war für Rosen jedoch, dass erstmalig der Konsument in dieser Diskussion zur Debatte stand. Zuvor hatte man Werke in Form von Schallplatten oder CDs einfach auf den Markt gebracht. Der Konsument hatte wenige Optionen. Entweder er kaufte die Schallplatte, oder er tat es nicht. Die Ausweichoption war lediglich der Diebstahl des physischen Tonträgers "Schallplatte". Mit der CD änderte sich dies nur geringfügig. Nach wie vor wurde Musik auf einem Datenträger angeboten, den man entweder kaufen konnte oder eben nicht. Die Ausweichoption blieb gleich. Hier zeichnete sich aber ganz langsam eine neue Möglichkeit für den Konsumenten ab, nachdem die ersten CD-Brenner zur Massenware wurden.

Der Käufer war zum ersten Mal in der Lage, schnell und verlustfrei eine Kopie des qualitativ hochwertigen Originals zu erstellen. Zur Massenverbreitung war dies natürlich noch nicht tauglich. Das Internet, gepaart mit dem MP3-Format und steigender Bandbreite veränderte dies jedoch völlig. Plötzlich war ein Musikstück kein materielles Gut mehr, dass man im Laden erwerben konnte – oder musste. Jeder hatte Musik. Jeder hatte Internet. Jeder hatte Bandbreite.

Der Konsument hatte die pure Kontrolle über den Markt übernommen, ihm wurde plötzlich und völlig unerwartet die Möglichkeit zuteil, selbst Werke zu kopieren. An diesem Punkt begann dann auch die Katastrophe für die Musikwirtschaft, die sich seit diesem Zeitpunkt in der Opferrolle sieht. Hillary Rosen hält dem aber entgegen.

"Wie aus dem Nichts hörten Plattenfirmen plötzlich etwas von den Fans in einer Art und Weise, die es nie zuvor gegeben hatte. Der Kunde war für die Plattenfirmen lange Jahre die Radiostationen oder Plattenläden. Plötzlich waren sie es selbst die in Kontakt mit den Fans standen", erklärte Frau Rosen. Die Musikindustrie sei der hauptsächliche Auslöser für die Technologieindustrie gewesen, um "rund um Online-Musik zu erfinden und zu entdecken." Viele argumentierten damals, dass man Napster hätte unterstützen und einen Abo-Dienst hätte entwickeln können, noch bevor dezentrale P2P-Tauschbörsen wie KaZaA an den Start gingen und diese Möglichkeiten quasi zunichte machten.

Hillary Rosen stellte auch klar, dass sie damals ebenfalls dafür gewesen sei, aber viele andere Gruppierungen innerhalb der Musikindustrie waren dagegen, aus Furcht, sie könnten keine angemessenen Gebühren erhalten. "Ich wurde zitiert, als ich sagte, dass die Plattenfirmen den Sprung ins kalte Wasser hätten wagen sollen und einen Deal [mit Napster] hätten schliessen sollen.

Ich war zur damaligen Zeit davon überzeugt. Es ist mehrfach dokumentiert, dass ich privat darauf gedrängt habe. Aber es wäre eben der Sprung ins kalte Wasser gewesen und die Leute müssen das erst einmal verstehen. Die Künstler waren dagegen.

Die Labels waren dagegen. Niemand wusste, wie er da bezahlt werden sollte. Napster hatte versprochen von einem kostenlosen Dienst zu einem bezahlten Dienst zu werden. Als dieses Versprechen kam, war P2P bereits weit verbreitet neben dem Napster-System. Es wurde also wesentlich komplizierter herauszufinden, wie man ein System so userfreundlich wie Napster entwickeln sollte, das jedoch auf bezahlter Basis fungiert und mit P2P konkurrieren kann. Es gab 100 Gründe es nicht zu tun, und nur einen oder zwei es zu riskieren. Diese ein oder zwei Gründe waren auf lange Sicht erfolgsversprechender aber eine grössere und härtere Entscheidung.

Es lief darauf hinaus, dass die Zeit bereits um war, als man eine Lösung entwickelt hatte", beschrieb Rosen die Entwicklung damals. Hier wird sehr schnell deutlich, welches katastrophale Szenario sich 1999 innerhalb der Branche abgespielt hat.

Man reagierte panisch, hatte Angst. Während der technologische Sprung von der Schallplatte zur CD Jahrzehnte dauerte und der Musikindustrie Zeit gab, sich selbst zu stabilisieren, realisierte man die parallele Entwicklung des Internets neben der CD nicht, oder nicht ausreichend.

Man hatte nie darüber nachgedacht, sah man die CD doch als das vorerst ultimative Mittel. Da keine Zeit zum Nachdenken war, tat man das Einzige, was man zu diesem Zeitpunkt für richtig hielt. Juristisch gegen Tauschbörsendienste wie Napster vorgehen. Einen besseren Plan hatte man schlicht und ergreifend nicht. Hinzu kam bedauerlicherweise auch die dot.com-Blase, die wie ein grosser Traum plötzlich geplatzt war. Niemand glaubte zum damaligen Zeitpunkt, dass sich im Internet jemals wieder Geld verdienen lässt.

Es schien ein toter oder zumindest ein höchst eingeschränkter Markt zu sein, bei dem es nichts mehr zu holen gab. Viele Firmen gingen beim Platzen der Blase zugrunde, das Aktienvermögen zahlreicher Unternehmen wurde quasi über Nacht wertlos. Man mag unter diesem Betrachtungswinkel verstehen, dass man sich auch in den Jahren nach Napster keinen Zentimeter nach vorne wagen wollte. Die Situation schien auswegslos. Was der Branche hier aber deutlich fehlte, waren die wirklich kreativen Köpfe, die den Vorgang vorangetrieben hätten.

Die Entscheidungsträger waren selbst nicht mit dieser Technik aufgewachsen. Sie erkannten nicht das Potential, das darin steckte. Auch zeigte man ein unternehmerisches Denken, das sich nirgendwo sonst findet. Man wollte nicht das geringste Risiko eingehen.

Stets war man den überaus stabilen und sicheren Markt gewohnt, auf dessen Grundlage sich die physischen Tonträger hätten verkaufen lassen, hätte sie die technische Entwicklung nicht überholt. Auch für den Konsumenten gab es keinen Ausweg. Damals konnte man für diese Einstellung aufgrund der dot.com Blase noch Verständnis aufbringen. Das Problem liegt aber darin, dass sich seit zehn Jahren nur unwesentliche Bestandteile verändert haben.

Der Online-Markt gehört hier dazu. "Für viele Jahre habe ich mich darüber geärgert, dass die Industrie die Öffentlichkeit mit Kampagnen besser über die Wertigkeit von Musik unterrichten muss. Dass es da draussen nicht genug Gefühl für den Wert von Musik gab, dass es eine Bedeutung hatte. Die Plattenfirmen selbst waren nicht darauf ausgelegt, wie Firmen zu agieren, sie waren gegenüber der Öffentlichkeit nicht vorzeigbar", erklärte Rosen das Fehlverhalten der Labels zum damaligen Zeitpunkt. Man hatte den Zug Internet einfach verschlafen oder nicht realisiert, und wurde deshalb völlig unvorbereitet von diesem überrollt.

Sie erklärte aber auch, dass ihrer Ansicht nach noch nicht alles verloren sei. Labels würde es nach wie vor brauchen, da nicht jeder Künstler das Merchandising oder die Werbekampagne selbst übernehmen kann.

Insgesamt betrachtet bedarf es aber einer groben Änderung des Marktgeschehens sowie der bisher aufgestellten Geschäftsmodelle. Am beeindruckendsten waren jedoch ihre Schlussworte, in denen sie den zehnten Geburtstag von Napster als den "Tag an dem die Fans die Kontrolle ergriffen" reflektiert. "Die Industrie war bis zu diesem Tag auf ihrem hohen Ross." Ab diesem Zeitpunkt brach es aber auch zusammen, und zwar schneller, als es der Musikindustrie - aber auch der restlichen Contentindustrie - lieb war.

Natürlich gab es bereits vor Napster oder sonstigen P2P-Tauschbörsen Plätze im Internet, an denen urheberrechtlich geschützte Werke ausgetauscht wurden. Allen voran wäre hier beispielsweise das Usenet oder diverse Mailboxnetze zu nennen. Tatsache ist jedoch, dass diese einfach nicht so massentauglich und einfach zu bedienen waren, wie eine P2P-Tauschbörse.

Infolge dessen war die Gefahr durch diese Netze auch unbedeutend gering, zumindest zum damaligen Zeitpunkt.

Nach dem Untergang von Napster entwickelte sich die Musikbranche dennoch nur zögerlich weiter, um nicht auch zu sagen, in eine völlig falsche Richtung. Es kam also, wie es kommen musste. Die Probleme wurden grösser, das Internet wurde böse und die Labels sahen sich als Opfer, die von deren bösen Konsumenten - ab diesem Zeitpunkt auch Filesharer genannt - überrumpelt wurde.

ub