Die Zukunft der AHV Die AHV der Schweiz in der Krise?

Gesellschaft

Das Rentensystem der Schweiz gab in der Vergangenheit immer wieder Anlass zu Diskussionen. Eingeführt wurde es 1948. Damals war der Wunsch, der im Volk aufkam, eine finanzielle Vorsorge fürs Alter zu errichten, endlich von der Politik erhört worden.

Pensionäre auf einer Bank.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Pensionäre auf einer Bank. Foto: Karen Beate Nøsterud (CC BY 2.5 cropped)Rama (CC BY-SA 2.0)

23. Juni 2007
1
0
33 min.
Drucken
Korrektur
Das war der Anfang der AHV. Mit der Zeit kamen neue Arten (zweite und dritte Säule) der Altersversicherung hinzu. Die finanzielle Absicherung der AHV scheint in Gefahr zu sein. Neue Finanzierungsquellen werden gesucht, um den Bestand der AHV auch in Zukunft zu sichern. Immer wieder werden Versuche unternommen (zum Beispiel die 11. AHV-Revision), die Schweizer AHV zu sanieren.

Die Politiker sprechen von einem Defizit, das gedeckt werden soll. Tatsächlich macht die AHV zumindest heute noch Gewinne.

Worauf beruht die Sorge der Politiker? Ist die AHV in einer Krise? Was sind die Gründe für diese Krise? Ist die AHV in Zukunft noch finanzierbar? Das sind die Fragen, die dieser Text ausleuchten soll.

Wie viel kostet die AHV der Zukunft?

Die eigentliche Fragestellung lautet: Wie viel kostet die AHV in Zukunft, und was sind die Ursachen für diese Mehrkosten? Nach einer kurzen Erläuterung, wie das Schweizer Rentensystem aufgebaut ist, wird versucht, diese Fragen zu beantworten. Die Quellen, auf welche Bezug genommen wird, um diese Aufgabe zu bewältigen, sind vor allem Statistiken.

Es handelt sich dabei um die vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Statistiken zur zukünftigen Bevölkerungsstruktur der Schweiz, die auf ihrer Homepage zu finden sind. Die Hauptquelle ist eine Dokumentation "Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung der Schweiz", welche den Statistiken der Homepage des Bundesamtes für Statistik einen Rahmen geben.

Zusammen mit der Dokumentation des Bundesamtes für Sozialversicherungen "Statistiken zur sozialen Sicherheit", aus welchen die Kosten der Renten und die Erträge aus den Leistungen der Beitragszahler entnommen werden kann, ist es möglich, die Verluste beziehungsweise Gewinne der schweizerischen AHV in der Zukunft auszurechnen.

Am Ende des Hauptteils wird noch ein Vergleich zwischen der derzeitigen Altersstruktur der Schweiz und einer Altersstruktur, die ideal ist, gemacht. Anschliessend folgt eine Quellenkritik. Die Daten, auf denen die Ausrechnungen beruhen, sind alles Prognosen. Sie haben keine vollständige Verlässlichkeit. Die sich daraus ergebende Problematik wird in diesem speziellen Kapitel besprochen.

Danach vergleiche ich das Umlage- mit dem Kapitaldeckungsverfahren. Um eine andere Sichtweise zu vermitteln, wird dann die Meinung eines ExpertInnenberichtes des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes näher betrachtet. Im Schlussteil versuche ich schliesslich, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Probleme, die meine Arbeit aufgezeigt haben, gelöst werden können. Ich werde versuchen, die am Anfang dieses Teils gestellten Fragen zu beantworten.

Wie ist die AHV aufgebaut – Das Drei-Säulen-System

Im Jahre 1985 wurde das Drei-Säulen-System obligatorisch eingeführt. Die AHV (1. Säule) ist bereits seit 1948 im Gesetz verankert. Das Drei-Säulen-Prinzip besagt, dass wir drei verschiedene Arten von finanzieller Altersvorsorge haben. Die erste Säule ist die AHV, aus welcher Zahlungen der Erwerbstätigen und Arbeitgebern (10.1 Prozent des Einkommens) direkt den RentnerInnen ausgezahlt werden (Umlageverfahren).

Zudem wird die Differenz zwischen den Leistungen und Renten (die Zahlungen der Erwerbstätigen reichen nicht aus, um die Ausgaben der AHV zu decken) durch Beiträge von Bund und Kantonen, Mehrwertsteuereinnahmen, Steuern aus Spielbanken sowie Kapitalzinsen eines Ausgleichsfonds ausgeglichen.

Die erste Säule (AHV) ist also kein reines Umlageverfahren, dennoch sind die Leistungen von Erwerbstätigen und Arbeitgebern an die AHV die grösste Einnahmequelle (2004 waren es 69 Prozent der Einnahmen). Wie schon erwähnt, kamen 1985 die zweite und dritte Säule hinzu.

Die zweite Säule ist nach dem Prinzip des Kapitaldeckungsverfahrens aufgebaut. Arbeitgeber und –nehmer zahlen ab einem Mindestlohn obligatorisch in eine Pensionskasse ein. Der Betrag (gemessen am Lohn), der einzuzahlen ist, erhöht sich mit dem Alter. Die Pensionskassen erwirtschaften mit den Einzahlungen zudem Geld in Form von Kapitalerträgen. Die Pensionskassen investieren das erhaltene Geld zum Beispiel in Bundesobligationen und können so das Kapital erhöhen. Die dritte Säule sind eigene Ersparnisse, welche privat angelegt werden. Für diese Ersparnisse erhält der Anleger Steuererleichterungen.

Grundsätzlich soll die erste Säule den Existenzbedarf sichern. Die zweite Säule, die berufliche Vorsorge (Berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)) dient der Fortführung der gewohnten Lebensweise.

Die dritte Säule ist eine individuelle Vorsorge, die nicht obligatorisch ist.

Für die zweite Säule gibt es zwei Arten der Vorsorge. Es gibt das Leistungs- und das Beitragsprimat. Beim Leistungsprimat sind die Auszahlungen vom AHV-Alter an abhängig von im Vorhinein festgelegten Beiträgen. Das Beitragsprimat ist wie ein Sparkonto. Die Versicherten bekommen im Pensionsalter das zurück, was sie tatsächlich in ihrem Leben angespart haben (natürlich samt Zins und Zinseszins).

Im Jahre 1996 waren 918'000 SchweizerInnen nach Art des Leistungsprimates versichert. Über 2.2 Millionen ArbeitnehmerInnen bevorzugten das Beitragsprimat.

Der Nachteil der zweiten Säule (Kapitaldeckungsverfahren) ist, dass sie von der Wirtschaftslage abhängig ist. Damit ist gemeint, dass bei einem Einbruch an der Börse die Möglichkeit besteht, dass die Pensionskassen Verluste machen, und so kann es, bei einer grösseren Krise an der Börse oder auch bei Investitionen in Verlust machende Wertpapiere, geschehen, dass die Pensionskassen Defizite erwirtschaften und nicht mehr imstande sind, die Pensionen auszubezahlen.

Dieses Risiko bewirkt, dass bei den Mitgliedern der Pensionskassen immer mehr das Bedürfnis aufkommt, bei der Anlagepolitik ihrer Pensionskasse mitzubestimmen.

Zum Risiko ist zu sagen, dass unser Wirtschaftssystem auf Wachstum und Stabilität baut, und solange die Wirtschaft wächst und Gewinne macht, ist die Vermehrung von Geld durch Anlagen möglich. Bei den grossen Kapitalmengen, über welche die Pensionskassen verfügen, ist, bei Investitionen in verschiedenste Anlagen, das Risiko von Verlusten relativ klein.

Sicher ist es möglich, dass in Krisenjahren Verluste gemacht werden. Meistens dauern heutzutage Krisen nicht solange. Wenn wir aber wirklich in eine grössere Krise geraten würden, wäre die Finanzierung der Pensionen durch Anlagen gefährdet.

Dadurch, dass Arbeitnehmer indirekt über die Pensionskassen in Anlagen investieren, bekommen sie das ihnen durch Wertschöpfung weggenommene Geld über diese Anlagegewinne zum Teil wieder zurück.

Das Problem ist, dass die Schweizer ArbeitnehmerInnen bei Investitionen in ausländische Anlagen doch von ausländischen Arbeitskräften profitieren. Sie bekommen Geld, das den ausländischen ArbeitnehmerInnen durch Wertschöpfung weggenommen wurde. Zudem produzieren viele Unternehmungen in ärmeren Ländern, um mehr Profit zu machen.

Die Ausbeutung von ArbeiterInnen ist in solchen Ländern ziemlich gross. Ob wir wirklich so unsere Altersabsicherung finanzieren wollen, bleibe dahingestellt.

Die AHV in der Krise

Der eigentliche Grund für die Krise der AHV ist die "doppelte Alterung". Das geschieht dann, wenn viele geburtenstarke Jahrgänge alt werden, also in diejenige Phase kommen, in welcher sie AHV beziehen, und dank den Fortschritten in der Medizin auch länger leben, also länger in derjenigen Phase, in welcher sie AHV beziehen, verweilen. Gleichzeitig gibt es viele geburtenschwache Jahrgänge in den tieferen Alterskohorten.

Das heisst, dass in diesen Jahrgängen weniger Menschen geboren wurden als in den Zeiten der geburtenstarken Jahrgänge. Das ergibt ein Ungleichgewicht zwischen jungen und alten Menschen. Es sind immer mehr RentnerInnen, die AHV erhalten, und immer weniger Erwerbstätige, die AHV-Beiträge bezahlen.

Es gibt mehrere Prognosen über die Bevölkerungsentwicklung bis ins Jahr 2050. Ich beziehe mich in meiner Arbeit auf die Prognosen des Bundesamtes für Statistik. Das Problem der Schwierigkeit von Prognosen umgeht das Bundesamt für Statistik, indem es drei verschiedene Szenarien erstellt, auf deren Basis dann die Zahlen über die zukünftige Bevölkerung in der Schweiz prognostiziert wurden.

Dabei waren Migration, Fertilität und Lebenserwartung die zu bestimmenden Grössen, aus denen die zukünftige Bevölkerung prognostiziert wurde. Die Migration zeigt die Einwanderungen in die Schweiz und die Auswanderungen aus der Schweiz auf.

Die Fertilität beschreibt die durchschnittliche Anzahl Kinder, die eine Frau in ihrem Leben zur Welt bringt. Schliesslich erklärt die Lebenserwartung die durchschnittliche Anzahl Lebensjahre, die ein Mensch zu leben hat. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist von Jahrgang zu Jahrgang verschieden.

Um die Frage, welche Auswirkungen die Alterstruktur auf die AHV hat, zu beantworten, werde ich die drei Szenarien des Bundesamtes für Statistik und die ihnen zu Grunde liegenden Annahmen über Migration, Fertilität und Lebenserwartung vorstellen. Aus den drei Szenarien ergeben sich verschiedenste Möglichkeiten über für die Fragestellung wichtige Angaben zur Altersstruktur und Erwerbstätigkeit der Schweizer Bevölkerung in der Zukunft.

Bei der Erwerbstätigkeit ist noch hinzuzufügen, dass ich die Angaben für Erwerbstätigkeit in Vollzeitäquivalente aus den Prognosen entnehme. Ein vollzeitäquivalenter Erwerbstätiger entspricht einer hundertprozentigen Arbeitsstelle. So werden die Teilzeiterwerbstätigen so zusammengezählt, dass sie zusammen hundertprozentige Arbeitsstellen ergeben und dann als vollzeitäquivalente Erwerbstätige gelten.

Die Renten und Leistungen werden auf dem Stand von 2005 belassen. Auf diese Weise sind die prognostizierten Kosten und Erträge der AHV der heutigen Vorstellungskraft über den Wert von Geld belassen, was heisst, dass die Kosten und Erträge der Zukunft dem heutigen Stand entsprechen. So ist ein Vergleich mit den heutigen Kosten und Erträgen möglich.

Wenn die Schweiz heute so viele RentnerInnen und Erwerbstätige in Vollzeitäquivalenten hätte wie im prognostizierten Jahr, dann würden diese heute so viel kosten, wie die Ausrechnungen ergeben.

Die Prognosen über die RentnerInnen und die Erwerbstätigen in Vollzeitäquivalenten sind in die Szenarien "tief", "mittel" und "hoch" aufgeteilt. Es wird beschrieben, auf welchen Prognosen über Migration, Fertilität und Lebenserwartung die Zahlen über RentnerInnen und Erwerbstätige in Vollzeitäquivalente beruhen. Ich werde die Jahre mit den höchsten Verlusten in den jeweiligen Szenarien veranschaulichen.

Es ist noch zu bemerken, dass zwischen der Statistik des Bundesamtes für Statistik und der des Bundesamtes für Sozialversicherung eine Differenz bei der Anzahl der RentnerInnen im Jahre 2005 besteht. Die Differenz beträgt 64'000 RentnerInnen. Die Ursache dieser Differenz ist unklar. Ich nehme an das sich die Differenz in gleicher Masse entwickeln wird, wie die übrigen RentnerInnen.

Das "tiefe" Szenario

Das Szenario "tief" geht von folgenden Annahmen aus: Bei der Migration glaubt die "tiefe" Hypothese an eine Verringerung der sozioökonomischen Attraktivität der Schweiz, was zu weniger Einwanderungen und gleichzeitig zu vermehrten Auswanderungen führt.

Das Bundesamt für Statistik geht bei der "tiefen" Hypothese zur Fertilität von einer tiefen Geburtenziffer aus. Die Gründe dafür sind ein Status Quo in der Familien- und Geschlechterpolitik. Familienpolitik bleibt Privatsache. Die gesellschaftlichen Dimensionen der Kinder- und Elternrolle werden nicht so stark beachtet. Die Frau hat mehr Unabhängigkeit, was sie dazu bewegt, sich mehr mit der Berufsrolle als mit der Elternrolle zu identifizieren. Es gibt mehr kinderlose Frauen.

Somit sinkt die Fertilität bis ins Jahre 2050 auf 1.1 Kinder pro Frau ab. Bei der "tiefen" Hypothese geht das Bundesamt von einem langsamen Fortschritt bei der Entwicklung der Lebenserwartung aus. Es werden neue Epidemien auftreten, besiegte Krankheiten werden wieder auftreten, neue Krankheiten entstehen, verursacht durch ungünstige Lebensweisen und Umweltzerstörung.

Die Entwicklung von Pharmakoresistenzen lässt wichtige Medikamente für die Behandlung von Infektionskrankheiten ihre Wirksamkeit verlieren.

Die Leistungen der Medizin sind für gewisse Bevölkerungsteile zu teuer. Weiter geht die Hypothese von einer Zunahme von gesundheitsschädigenden Verhaltensweisen (Rauchen, Alkoholkonsum, unausgewogene Ernährung, Übergewicht usw.) aus, und das bei gleichzeitiger Stagnation des medizinischen Fortschritts. So wird der Zuwachs der Lebenserwartung immer kleiner.

Die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt im Jahre 2050 beträgt für Frauen 87,5 Jahre und 82,5 Jahre für Männer.

Analyse des Szenarios "tief"

Die Anzahl der in der Schweiz wohnhaften RentnerInnen wird sich relativ gleichmässig von 1'157'718 im Jahre 2005 auf 1'909'359 im Jahre 2040 erhöhen. Zwischen den Jahren 2040 und 2050 verringert sich die Anzahl der in der Schweiz wohnhaften RentnerInnen wieder auf 1'843'594 im Jahre 2050.

Dabei sind die im Ausland lebenden RentnerInnen nicht einberechnet. Im Jahre 2005 sind das 581'000 RentnerInnen. Prognosen zur Anzahl im Ausland lebenden RentnerInnen gibt es keine. Ausserdem gibt es noch Hinterlassenenrenten und Zusatzrenten für Kinder, die nicht prognostiziert wurden. Diese Anzahl beträgt im Jahre 2005 105'000 Menschen. Für die genauere Analyse betrachte ich das Jahr 2040, weil dort die grösste Anzahl von in der Schweiz wohnhaften RentnerInnen auftritt. Im Jahre 2005 betragen die Kosten aller Renten zusammen 31'327'000'000 Schweizer Franken. Die Kosten der in der Schweiz lebenden RentnerInnen vergrössern sich im Jahr 2040 im Vergleich zum Jahr 2005 um den Faktor 1.65.

Wenn die Anzahl der im Ausland lebenden RentnerInnen, die HinterlassenenrentnerInnen und Zusatzrenten für Kinder in gleichem Masse steigt wie die der in der Schweiz lebenden RentnerInnen, dann betragen die Kosten aller RentnerInnen zusammen im Jahre 2040 51'690'000'000 Schweizer Franken (gerundet).

Die Anzahl der Erwerbstätigen in Vollzeitäquivalenten steigt bis ins Jahre 2015 leicht an. Im Jahre 2005 sind es 3'620'040 Erwerbstätige in Vollzeitäquivalenten, im Jahre 2015 sind es 3'713'328 Erwerbstätige in Vollzeitäquivalenten. Danach sinkt die Anzahl der Erwerbstätigen in Vollzeitäquivalenten bis ins Jahr 2050 auf 2'948'082. Im Jahre 2040 sind es 3'173'743 Erwerbstätige in Vollzeitäquivalenten.

Das sind 446'297 weniger als im Jahre 2005. Die Einnahmen der Leistungen von Erwerbstätigen und Arbeitgebern im Jahre 2005 betragen 23'280'000'000 Schweizer Franken. Auf Grund der Abnahme der Erwerbstätigen in Vollzeitäquivalenten verkleinern sich die Einnahmen der Leistungen.

Im Jahre 2040 betragen die Einnahmen aus Leistungen 20'410'000'000 Schweizer Franken (gerundet). Das sind 2'870'000'000 Schweizer Franken (gerundet) weniger als im Jahr 2005. In den Berechnungen sind Lohnzuwachs und Teuerung nicht berücksichtigt.

Die Gesamtkosten im Jahre 2040 belaufen sich nach Abzug der Erträge aus Leistungen auf 31'280'000'000 Schweizer Franken (gerundet). Dabei sind die sonstigen Erträge (Mehrwertprozent, Bundes- und Kantonsbeiträge, Kapitalgewinne aus dem Fonds, Steuern aus den Spielbanken) nicht eingerechnet.

Diese sonstigen Erträge sind schwer zu prognostizieren. Sie werden voraussichtlich mit den Jahren steigen. Im Jahre 2005 belaufen sich die sonstigen Erträge auf 10'432'000'000 Schweizer Franken. Der Verlust im Jahre 2040 würden nach Abzug dieser sonstigen Erträge noch 20'848'000'000 Schweizer Franken (gerundet) betragen. Es muss beachtet werden, dass jedes Jahr Verluste in dieser Grössenordnung auftreten.

Das "mittlere" Szenario

Die Hypothese "mittel" geht bei der Migration von einem mittleren Wanderungssaldo aus, was eine Fortsetzung des gegenwärtigen Trends bedeutet. Die neue Einwanderungswelle aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten wird kleiner.

Da es für Nicht-EWR-Staatsangehörige möglich ist, hier zu wohnen, wenn sie eine Anstellung in der Schweiz vorweisen können oder Asyl beantragen, ist bei einem sozioökonomisch guten Standort Schweiz der Arbeitsmarkt genügend gedeckt.

Das Wanderungssaldo wird in Zukunft (ab 2020) relativ stabil bei plus 10'000 Personen bleiben. 

Die "mittlere" Hypothese über Fertilität geht von einer "Politik der kleinen Schritte" im familienpolitischen Bereich aus. Die Fortschritte im Sozialbereich (Kinder und Familie gewinnen an Bedeutung in der gesellschaftlichen Anerkennung, auch nimmt die Solidarität zwischen Geschlechtern und Generationen zu) bewirken eine Zunahme von Massnahmen zur Unterstützung der Familien.

Neu geschaffene Betreuungsstrukturen für Kinder in einigen Landesteilen der Schweiz ermöglichen den Eltern, Familien- und Erwerbsarbeit besser zu verbinden. Die Fertilität bleibt etwa so gross, wie sie heute ist. Sie steigt zwischen 2004 und 2050 von 1.26 auf 1.35 Kinder pro Frauenleben.

Die "mittlere" Hypothese zur Lebenserwartung geht von einer erfolgreichen Verhütung von Unfällen, Suizid und degenerativen Erkrankungen aus. Weiter werden keine neuen Seuchen auftreten, und neue Krankheiten können überwunden werden. Es gibt keine bedeutenden medizinischen Fortschritte.

Die medizinische Versorgung ist für alle zugänglich. Insbesondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs können dank kontinuierlichen medizinischen Fortschritten besser behandelt werden und bewirken eine Zunahme der Lebenserwartung, die sich bis 2050 abschwächt. Die Männer haben nach dem mittleren Szenario eine Lebenserwartung bei Geburt von 85 Jahren. Die Frauen weisen eine Lebenserwartung bei Geburt von 89.5 Jahren aus.

Analyse des Szenarios "mittel"

Im Szenario "mittel" steigt die Anzahl der in der Schweiz wohnhaften RentnerInnen bis ins Jahr 2015 von 1'159'537 im Jahr 2005 auf 1'582'422 im Jahr 2015. Nach einem leichten Rückgang bis ins Jahr 2020 auf 1'443'033 in der Schweiz wohnhafte RentnerInnen steigt die Anzahl letzterer bis ins Jahr 2030 stärker, und dann bis ins Jahre 2050 weniger stark auf 2'201'752 Menschen. Wiederum sind die im Ausland lebenden RentnerInnen nicht mit einberechnet. Die Kosten der Renten im Jahr 2050 würden sich bei einer gleichen Zunahme der im Ausland lebenden RentnerInnen, Hinterlassenen­rentnerInnen und Zusatzrenten für Kinder gegenüber dem Jahr 2005 um den Faktor 1.9 erhöhen. Das ergibt im Jahre 2050 Kosten der Renten von 59'521'000'000 Schweizer Franken (gerundet).

Die Anzahl der Erwerbstätigen in Vollzeitäquivalenten bleibt vom Jahr 2005 bis ins Jahr 2050 im "mittleren" Szenario etwa gleich. Sie steigt von 3'629'899 im Jahr 2005 auf 3'886'002 im Jahr 2020.

Danach sinkt die Anzahl der Erwerbstätigen in Vollzeitäquivalenten bis ins Jahr 2050 auf 3'622'146. Das sind 7753 Erwerbstätige in Vollzeitäquivalenten weniger als im Jahr 2005.

Die Erträge aus Leistungen betragen im Jahr 2050 23'230'000'000 Schweizer Franken (gerundet). Nach Abzug der Leistungen der Arbeitnehmer und -geber und den sonstigen Erträgen ergibt sich ein Verlust von 25'859'000'000 Schweizer Franken (gerundet).

Das "hohe" Szenario

Auch das "hohe" Szenario ist unterteilt in Migrations-, Fertilitäts- und Lebenserwartungshypothese.

Die Migrationshypothese geht von einem hohen Wanderungssaldo aus. Ein Grund dafür liegt in einer hohen Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schweiz, was EWR-Staatsangehörige dazu bringt, in der Schweiz zu arbeiten und sich niederzulassen. Auch ein Grund wäre eine Öffnung des schweizerischen Arbeitsmarktes, um den Rückgang der  Erwerbsbevölkerung in der Schweiz aufzuheben.

Diese zwei Gründe schränken die Auswanderungen von SchweizerInnen ins Ausland ein und veranlassen Ausgewanderte, in die Schweiz zurückzukommen.

Das führt dazu, dass das schweizerische Wanderungssaldo etwa bei Null bleibt. Das Wanderungssaldo von EWR- und Nicht-EWR-Bürger bleibt ab dem Jahre 2020 auf einem Durchschnittsniveau von je 15'000 Menschen.

Die der "hohen" Hypothese zugrunde liegenden Annahmen für eine hohe Fertilität sind einmal der Wandel in der Einstellung der Öffentlichkeit gegenüber Kindern und Familie. Deren gesellschaftlicher Wert wird grösser. In der ganzen Schweiz wird eine wirksame und koordinierte Familienpolitik eingeführt. Erwerbs- und Familienleben lassen sich besser vereinbaren.

Dies auf Grund von Betreuungsstrukturen für Kinder, einer freien Arbeitsorganisation (flexiblere Arbeitszeiten, Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten (Heimarbeit) usw.) und Elternurlaub. Zusätzlich erhöht sich der Anteil der ausserehelichen Geburten und nähert sich dem Niveau von Frankreich an.

Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau steigt dadurch bis auf 1.6 im Jahre 2050. Bei den Ausländerinnen aus dem EWR-Raum erhöht sich der Wert auf durchschnittlich 1.7 Kinder pro Frau im Jahre 2050. Der Wert bei den Ausländerinnen aus dem Nicht-EWR-Raum sinkt sehr leicht auf durchschnittlich 2.1 Kinder pro Frau im Jahre 2050.

Die Hypothese zur hohen Lebenserwartung bei der Geburt beinhaltet folgende Punkte: Die Sterblichkeit wird durch die Gesellschaft erfolgreich bekämpft. Es gibt wirksame Massnahmen zur Unfall- und Selbstmordverhütung und zur Früherkennung von Krankheiten.

Die Medizin macht bedeutende technologische Fortschritte, womit Krankheiten wie AIDS und Krebs nicht mehr tödlich enden müssen und das Auftreten degenerativer Erkrankungen länger verhindert werden kann. Eine günstige Wirtschaftslage lässt alle am medizintechnologischen Fortschritt teilhaben.

Die Erfolge, die bei der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs gemacht werden konnten, und die Entwicklung in Richtung eines gesunden Lebensstils lässt die Lebenserwartung in den kommenden Jahren noch stärker als bis heute ansteigen. Das Wachstum wird sich dann aber abschwächen.

Die Lebenserwartung bei Geburt beträgt für Männer 87.5 Jahre. Die Frauen haben eine Lebenserwartung bei Geburt von 91.5 Jahre.

Analyse des Szenarios "hoch"

Das Szenario "hoch" hat im Vergleich zu den anderen Szenarien bis ins Jahre 2050 den höchsten Zuwachs an in der Schweiz wohnhaften RentnerInnen. Konkret steigt die Anzahl der in der Schweiz wohnhaften RentnerInnen von 1'161'214 im Jahr 2005 auf 2'580'078 im Jahr 2050. Bis ins Jahr 2040 steigt die Anzahl der in der Schweiz wohnhaften RentnerInnen relativ gleichmässig. Vom Jahr 2040 bis ins Jahr 2050 steigt die Anzahl weniger stark an.

Im Jahr 2040 sind es 2'421'682 in der Schweiz wohnhafte RentnerInnen. Im Jahr 2050 sind es, wie bereits erwähnt, 2'580'078.

Die Kosten für Renten erhöhen sich bis ins Jahr 2050, wiederum bei gleicher Zunahme der im Ausland lebenden RentnerInnen, Hinterlassenen­rentnerInnen und Zusatzrenten für Kinder um den Faktor 2.2. So betragen die Kosten im Jahr 2050 68'919'000'000 Schweizer Franken (gerundet).

Die Erwerbsbevölkerung in Vollzeitäquivalenten erhöht sich von 3'639'310 im Jahr 2005 auf 4'026'921 im Jahr 2015. Danach steigt die Anzahl sehr langsam bis auf 4'279'426 Erwerbstätige in Vollzeitäquivalenten im Jahr 2050. Die Zahl der Erwerbstätigen in Vollzeitäquivalenten steigt innerhalb der Jahren 2005 und 2050 um 640'116 Einheiten. Die Erträge aus Leistungen von Arbeitnehmern und –gebern betragen im Jahr 2050 27'375'000'000 Schweizer Franken (gerundet). Der Verlust der AHV beträgt im Jahr 2050 nach Abzug der Erträge aus Leistungen der Arbeitnehmer und –geber und den sonstigen Erträgen 31'113'000'000 Schweizer Franken (gerundet).

Der Vergleich mit einem stabilen Bevölkerungstyp

Um das Problem der Überalterung in der Schweiz zu veranschaulichen, mache ich einen Vergleich mit einer stabilen Bevölkerung. Diese hat eine Fertilität von 2.1 Kindern pro Frauenleben. Somit bleibt die Bevölkerung immer gleich gross, das heisst, dass gleich viele Menschen sterben wie geboren werden.

Die Grösse der Bevölkerung ist die gleiche wie die der Schweiz im Jahr 2004. Bei einer Kindersterblichkeit von 0.5 Prozent ergäbe das 1'230'199 über 64-jährige. Die Anzahl der über 64-jährigen im Jahr 2004 in der Schweiz beträgt 1'174'342 Menschen. Es muss berücksichtigt werden, dass etwa 581'000 RentnerInnen im Ausland leben, welche nicht in die Rechnung mit einbezogen worden sind.

Im Jahr 2050 beträgt die prognostizierte Bevölkerung der Schweiz nach dem "mittleren" Szenario 8'060'720 Menschen. Davon sind 2'248'751 über 64-jährig. Bei einer stabilen Bevölkerung würden es bei einer gleich grossen Bevölkerung 1'336'363 über 64-jährige sein. So sind es nach den Prognosen des Bundesamtes für Statistik im Jahr 2050 nach dem "mittleren" Szenario 912'389 über 64-jährige mehr als in einer stabilen Bevölkerung, die als ideal angesehen werden kann. Dabei sind die im Ausland lebenden RentnerInnen nicht mit einberechnet.

Die Zuverlässigkeit von Prognosen

Bei der Berechnung von Alterspyramiden in der Zukunft müssen Fertilität, Mortalität (Lebenserwartung) und Migration für die Zukunft berechnet werden. Der Forscher kann sich nicht alleine auf vorhandene empirische Daten stützen. Er muss sie auch prognostizieren. Wichtig für die Erstellung von Prognosen über die Fertilität, Mortalität und Migration sind auch externe Kausalitäten, also ausserdemografische Faktoren.

Das Problem, das sich gestellt hat, ist das der Zuverlässigkeit dieser Prognosen. Das Bundesamt für Statistik umgeht das Problem, indem es drei verschiedene Szenarien über Entwicklung von Geburtenziffern und Migrationen erstellt. Die Lebenserwartung sollte, wenn nicht eine unerwartete Seuche auftritt, etwas leichter zu prognostizieren sein und ist unumstritten. Es herrscht (ziemliche) Uneinigkeit über gewisse Zahlen, die prognostiziert wurden.

So bezweifelt ein ExpertInnenbericht, welcher der Schweizerische Gewerkschaftsbund in Auftrag gegeben hat, die offiziellen Prognosen des Bundesamtes für Statistik über Fertilität und Migration. Der Bericht kritisiert die prognostizierten Geburtenziffern. Sie sind relativ tief, was der AHV nicht zugute käme. Einzig beim Szenario "hoch", welches von einem grossen Bevölkerungswachstum ausgeht, ist die Geburtenziffer mit 1.65 Kindern pro Frau einigermassen hoch. Die Geburtenziffer für das Szenario "tief" liegt bei 1.15 Kindern pro Frau, das Szenario "mittel" prognostiziert 1.4 Kinder pro Frau.

Das im Trend liegende Szenario "mittel" geht also von einer Stagnation (heute haben wir eine Geburtenziffer von 1.42 Kindern pro Frau) der Geburtenziffer aus. Der ExpertInnenbericht glaubt nicht, dass kurzfristig eine drastische Erhöhung eintreffen wird. Mittelfristig könnte die Geburtenziffer wieder ansteigen. Mit Vorkehrungen zur Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Kindererziehung (ausserdemografischer Faktor) könnte der Staat das Kinderkriegen wieder attraktiver machen. So hat die Schweiz bis jetzt noch kaum Massnahmen (Mutterschaftsversicherung, Tagesschulen, Blockzeiten, Horte etc.) zur Förderung von familienexternen Betreuungsstrukturen getroffen.

Die skandinavischen Länder sowie Frankreich, welche diese besseren Rahmenbedingungen aufweisen, haben deutlich höhere Geburtenraten. Frankreich zum Beispiel hat eine Geburtenrate von 1.912 Kindern pro Frau. Eine vorbildliche Familienpolitik des Bundes, der Kantone und der Gemeinden könnten die Geburtenrate auch in der Schweiz erhöhen.

Offenbar herrscht Uneinigkeit über die Wirkung von solchen familienpolitischen Massnahmen, denn auch das Bundesamt für Statistik hat in einem seiner Szenarien eine bessere Familienpolitik in seine Prognosen mit einbezogen.

Der ExpertInnenbericht kritisiert auch die prognostizierten Migrationsraten. So könne die "tiefe", eher pessimistische Prognose des Bundesamtes für Statistik verworfen werden. Auch die Prognose "mittel", die eine leichte Zunahme des Anteils von Ausländern an der Wohnbevölkerung von 20,5 Prozent im Jahre 2000 auf 22 Prozent im Jahre 2015 prognostiziert und dann von einer Stagnation auf diesem Niveau ausgeht, wird angezweifelt. Der erste "Demografiebericht AHV" von 1988 schätzte die Netto-Zuwanderung für die Jahre 1988 bis 1996 auf 1'181'000 Personen.

Tatsächlich waren es aber 344'500 Personen. Die Migrationsprognosen des Bundesamts für Statistik sind laut Bericht übervorsichtig. Die für die AHV so wichtigen Erwerbstätigen werden wohl aus dem Ausland zuwandern, wenn sie nicht aus dem eigenen Volk rekrutiert werden können.

Die Zuwanderung von Menschen aus der EU wird durch die Personenfreizügigkeit (ausserdemografischer Faktor) gefördert. Die Personenfreizügigkeit wird aber dadurch eingeschränkt, dass Ausländer nur eine Aufenthaltsbewilligung erhalten, wenn sie hier arbeiten oder Asyl beantragen.

Vielleicht wurde dieses Gesetz eingeführt, um zukünftig bei den Sozialversicherungen zu sparen, was aber problematisch ist. Um eine verantwortliche mondiale Politik zu praktizieren (unsere Wirtschaft ist in der ganzen Welt verankert), wäre wohl eine gewisse Gleichstellung zu einer freien und schrankenlosen Welt hin begrüssenswert.

Für die Fragestellung, was uns die AHV in Zukunft kosten wird, sind noch andere Faktoren von Bedeutung. Wesentlich für die Berechnung der Ausgaben und Einnahmen der AHV-Kasse sind das wirtschaftliche Wachstum, die Entwicklung des Lohnindexes sowie die zukünftige Anzahl der Erwerbstätigen (und ihre Verteilung nach Alter und Geschlecht). Eine weitere Frage ist, ob sich die Löhne der Frauen und Männer angleichen (es ist auch ungewiss, ob die Löhne der Männer sinken, wenn die der Frauen steigen).

Ein weiteres Problem für die Berechnung von AHV-Leistungen könnte die Zunahme von Selbstständigerwerbenden sein, was die Leistungen erhöhen würden. Bei den Bestrebungen, immer mehr zu privatisieren, und den Bemühungen von gewissen Seiten der politischen Schweiz, private Unternehmungen zu fördern, wäre dies möglich.

Wenn den Prognosen über das Wirtschaftswachstum geglaubt werden kann, so wird in den nächsten 39 Jahren ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 0,86 Prozent resultieren. Das ist ein mässiges resp. schwaches Wachstum. Das ergäbe über die genannten 39 Jahre ein Wirtschaftswachstum von über 24 Prozent, was beträchtlich ist. Der ExpertInnenbericht des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes schreibt von zu vorsichtigen Prognosen des EDI (Eidgenössisches Departement des Innern) über das zukünftige Wirtschaftswachstum in der Schweiz.

In der Schweiz wurden 2003 11'164 Unternehmungen gegründet, gleichzeitig schlossen 11'669 Betriebe. Die meisten davon waren sehr klein (bis fünf Beschäftigte). Die Tendenz besteht, dass es immer mehr grosse Unternehmen und weniger kleine gibt. Neue Erfindungen (zum Beispiel Computer) bewirken neu entstehende Wirtschaftszweige (zum Beispiel Unternehmungen, die Homepages erstellen), welche im Laufe der Zeit grösser werden, fusionieren, oder aber unter dem Konkurrenzdruck eingehen. Viele Erfindungen sind aber nur noch mit viel Geld umsetzbar. So können nur sehr reiche Menschen oder grosse Unternehmungen, wie multinationale Konzerne, das Geld aufbringen, um zum Beispiel die Erfindung des Mobiltelefons auf den Markt zu bringen.

Ob es in Zukunft weitere solche Erfindungen gibt, oder wann die Weiterentwicklung von schon bestehenden Erfindungen realisiert wird, ist unklar. Somit sind auch Prognosen zum zukünftigen Wachstum schwierig, weil die Prognostiker solche innovativen Schritte schwer voraussehen können.

Die Frage, die sich daraus ergibt, ist, ob sich die Anzahl der unselbständig Erwerbenden und Selbstständigerwerbenden verändert, und wenn das der Fall ist, wie sie sich verändert.

Eine Vergrösserung der Anzahl der Selbstständigerwerbenden und die daraus resultierenden, neu geschaffenen Arbeitsplätze könnten die Gesamtlohnsumme der Schweizer positiv beeinflussen und somit auch das Einnahmevolumen der AHV, wobei die Lebensdauer von Unternehmungen auch berücksichtigt werden muss und eine Zunahme der Arbeitslosen (bei einer negativen Entwicklung) oder eine Abnahme der Arbeitslosen (bei einer positiven Entwicklung) bewirken kann.

Überhaupt ist die Anzahl der Arbeitlosen und vor allem der IV-RentnerInnen schwer voraussehbar, woraus bei einer Zunahme eine Einbusse der AHV-Leistungen abgeleitet werden kann.

Einem (vielleicht etwas utopischen) Szenario zufolge könnte sich die Anzahl der LandwirtInnen in Zukunft erheblich verändern. So wäre es nach diesem Szenario möglich, dass die Schweizer ihre LandwirtInnen nicht mehr durch Subventionen unterstützen wollen.

Bei einer Öffnung der Schweiz zur EU oder auch anderen Staaten hin wäre die Zukunft der Schweizer LandwirtInnen auf Grund des Konkurrenzdrucks aus dem Ausland ungewiss. Ist es möglich, die Schweizer LandwirtInnen weiter zu subventionieren? Wobei aus heutiger Sicht nicht anzunehmen ist, dass sich die SchweizerInnen nicht mehr mit den eigenen LandwirtInnen solidarisieren.

Das nationale Bewusstsein (Was ist eine Nation schon ohne eigene LandwirtInnen und der daraus folgenden Lebensmittelproduktion und Landschaftspflege?), das die LandwirtInnen implizieren, fördert den Wunsch, sie weiter zu unterstützen. Bei der Wirtschaftsfreundlichkeit von gewissen Schweizer Politikern ist auch ein Szenario zumindest in Richtung Verringerung der Anzahl von Schweizer LandwirtInnen möglich.

Die Wirtschaft und ihre Gesetze stehen immer mehr im Mittelpunkt der Politik von vielen resp. praktisch allen Nationen. So sind Profitmaximierung, Rentabilität und die daraus folgende Rationalisierung, wie auch tiefe Preise, zentrale Themen einer fortschriftlichen Wirtschaftspolitik. Lösungen, vor allem in Richtung Rentabilität der Schweizer Landwirtschaft, werden in Zukunft ein Thema sein.

Ob es dabei zu einer Reduktion der LandwirtInnen kommen werde, ist nicht absehbar. In einer so teuer produzierenden Nation wie die Schweiz wird bei einem adäquaten Angebot an Konkurrenzprodukten aus billig produzierenden Nationen die Schweizer Landwirtschaft auch langfristig nicht ohne Subventionen auskommen. Das Horrorszenario, eine Schweiz ohne LandwirtInnen, ist zu verwerfen (siehe oben).

Dennoch könnte, bei einer weiteren Entwicklung in Richtung kosmopolitisches Denken, die Schweizer Landwirtschaftsproduktion vermindert werden, was zur Folge hat, dass es weniger LandwirtInnen gibt, und so eine Einkommensquelle für die AHV verringert wird.

Ein Vergleich zwischen Umlageverfahren und Kapitaldeckungsverfahren

Die AHV (1. Säule) funktioniert nach dem Prinzip des Umlageverfahrens. Im Gegensatz dazu steht die zweite Säule, die berufliche Vorsorge, die nach dem Prinzip des Kapitaldeckungsverfahrens finanziert wird.

Beide Verfahren sind abhängig vom wirtschaftlichen Wachstum in der Schweiz. Die Masszahl dafür ist das BIP (Bruttoinlandprodukt). Massgebend für das Umlageverfahren ist der Zuwachs der Löhne.

Die Rentabilität des Kapitaldeckungsverfahrens ist abhängig von der Kapitalrendite (also von den Zinsen (Erträgen) von Anlagen und Immobilien).Wenn die Löhne mehr steigen als die Kapitalrendite, ist das Umlageverfahren überlegen. Ist der Nominalzins höher als der Lohnzuwachs, ist das Kapitaldeckungsverfahren vorteilhafter.

Beide Gegebenheiten waren in der Vergangenheit beobachtbar. In den 80-er Jahren war das Lohnwachstum höher als die Nominalzinsen, im Gegensatz zu den 90-er Jahren, in welchen die Nominalzinsen höher als die Lohnzuwachsrate waren.

Die 90-er Jahre seien, nach dem ExpertInnenbericht des SGB, auf Grund der hohen Börsenkurse, bei gleichzeitig tiefen Zinsen und schwacher Lohnentwicklung, eine ausserordentliche Phase der Entwicklung, die nicht verallgemeinert werden darf.

Aus sozialpolitischer Sicht ist das Umlageverfahren zu bevorzugen. Es ist schneller und effektiver möglich, auf in Zukunft auftretende Probleme zu reagieren. Somit kann sie neu auftretende Verteilungsungerechtigkeiten besser ausgleichen. Die Einnahmen könnten jedes Jahr ohne grössere Kapitalumlagerungen nach einem neuen Schlüssel verteilt werden.

Ein erheblicher Unterschied zwischen Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren ist, dass beim Umlageverfahren das Geld sofort wieder in Umlauf gebracht wird, entgegen dem Kapitaldeckungsverfahren, welches das Geld zum grössten Teil spart. In einer Volkswirtschaft, in welcher zuwenig gespart wird, ist das Kapitaldeckungsverfahren im Vorteil, weil es zur volkswirtschaftlichen Sparquote beiträgt, was neue Investitionen ermöglicht. In der Schweiz haben wir derzeit eine hohe Sparquote.

Für das Umlageverfahren spricht, dass das Geld in Umlauf bleibt und den Konsum stärkt, was für das Wirtschaftswachstum förderlich ist. Sowohl Umlage- wie auch Kapitaldeckungsverfahren sind von der demografischen Entwicklung betroffen. Die höhere Lebenserwartung führt zu einer längeren Lebensphase, in der die Menschen ihre Rente beziehen. Das muss finanziert werden. Auf wessen Kosten das finanziert werden soll, ist vor allem auch eine politische Frage.

Ein Rückgang der Geburtenrate stellt vor allem für das Umlageverfahren eine Belastung dar.

So werden es mittelfristig (wenn die Fertilität weiter stagniert oder abnimmt) immer weniger Menschen sein, die immer mehr Menschen finanzieren müssen. Langfristig müsste die Fertilität steigen, sonst würden die Schweizer in Zukunft nicht weiter existieren können.

ExpertInnenbericht des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes – eine Meinung

In der Schweiz sind verschiedene Ideen im Umlauf, wie die AHV zukünftig funktionieren solle. Während der Bundesrat mit der 11. AHV-Revision die zukünftigen Renten durch einen Sozialabbau finanzieren wollte, was vom Volk verworfen wurde, ist der Schweizer Gewerkschaftsbund für eine Verbesserung der Renten für sozial Benachteiligte.

Entgegen aller Befürchtungen (von Seiten des Bundesrates), dass die AHV in Zukunft nicht mehr finanzierbar sei, gab der Schweizer Gewerkschaftsbund einer ExpertInnengruppe den Auftrag, einen Vorschlag auszuarbeiten, wie die AHV (minimale Rentenhöhe) in Zukunft verbessert werden könnte. Auch wird darin eine Reduktion des Pensionsalters gefordert.

Der Einführung der sozialen Frühpensionierung wird erste Priorität gegeben. Eine Volksinitiative ist in Vorbereitung.

Der ExpertInnenbericht stützt sich vor allem auf den Verfassungsartikel zur AHV, der besagt, dass die Renten aus der AHV den Existenzbedarf angemessen decken sollen. Aus dem ExpertInnenbericht geht hervor, dass TeilzeitarbeiterInnen, welche naturgemäss zu einem grossen Teil Frauen sind, durch das Schweizer Rentensystem benachteiligt werden.

Auf Grund des grossen Frauenanteils ist dieser Zustand eine indirekte Diskriminierung und sollte beseitigt werden.

So ist zu begrüssen, wenn eine langjährige unentgeltliche Tätigkeit als Hausfrau und Kindererzieherin, welche nicht ermöglicht, sich beruflich weiterzubilden und Karriere zu machen und in eine höhere Lohnklasse aufzusteigen, im Alter mit einer angemessene finanzielle Entschädigung einhergeht.

Das Problem stellt sich vor allem bei Scheidungen, nach welcher die Frau gezwungen sein kann, wieder ins Erwerbsleben einzusteigen. Ein Problem sind auch die tieferen Löhne, welche die Frauen erhalten (was wiederum mit der durch die Familie (siehe oben) bedingten, verhinderten Ausbildung zu tun haben kann).

Die Renten von Frauen betragen durchschnittlich 2.500 Franken im Monat, das sind 750 Franken weniger als das mittlere Einkommen von Rentnern. In der zweiten Säule kommen nur 22 Prozent der Auszahlungen Frauen zugute.

Teilzeitarbeitnehmende und Personen mit unterbrochenen Erwerbsbiographien sind sehr schlecht oder gar nicht in der zweiten Säule versichert. Die ExpertInnengruppe ist zum Schluss gekommen, dass die Notwendigkeit besteht, dieser RentnerInnengruppe eine bessere Altersabsicherung zu gewährleisten.

Nach der ExpertInnengruppe gilt der Existenzbedarf als gesichert, wenn er für Einzelpersonen mindestens 3.000 und für Ehepaare mindestens 4.000 Schweizer Franken beträgt.

Handlungsbedarf ist hier nötig. So erhalten mehr als 20 Prozent der RentnerInnen ein monatliches Einkommen von unter 2.000 Schweizer Franken.

Der ExpertInnenbericht verspricht, die neuen demografischen Herausforderungen zu überwinden, die Minimalrente (inklusive Ergänzungsleistungen) auf 3.000 Schweizer Franken für Einzelpersonen und 4.000 Schweizer Franken für Ehepaare zu erhöhen, und auch Frühpensionierungen zu ermöglichen. Die Zusatzkosten sollen dabei nicht viel mehr als ein Prozent des Bruttoinlandproduktes, das sind etwa 4,3 Milliarden Franken, übersteigen.

Weiter soll der Ausbau durch die Verringerung des Verhältnisses von der Minimal- zur Maximalrente finanziert werden. Das erfordert eine grössere Solidarität in der ersten Säule als bisher. Der Ausbau der ersten Säule muss kompensiert werden. Um die Löhne nicht zu stark zu belasten, wäre eine Anpassung der Leistungen der zweiten Säule auf etwa 80 Prozent des heutigen Standes nötig.

Die Ersatzrate der AHV und die Ergänzungsleistungen zusammen werden im Schnitt für alle Haushalte um etwa acht Prozent von 33 auf 41 Prozent gesteigert.

Da die zweite Säule durch das Ausbaumodell geschwächt wird, erhöht sich die gesamte mittlere Ersatzrate (erste und zweite Säule zusammen) um sechs Prozentpunkte auf 59 Prozent. Hervorzuheben ist, dass die Ersatzrate vor allem in finanziell schwachen Haushaltstypen erhöht wird. So vergrössert sich die Ersatzrate für eine Frau in der untersten Einkommensklasse mit minimaler Einzelrente um 70 Prozentpunkte.

Das Ausbaumodell gilt als zielgerichtet. Das darum, weil durch die Umverteilung der Beiträge in den meisten Fällen die finanziell schwächeren Haushalte profitieren können. Zusätzlich wird der Ausgleich zwischen hohen und tiefen Löhnen grösser. Ausserdem bewirkt es mehr Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Geschlechtern.

Durch das Ausbaumodell wird das Umlageverfahren gegenüber dem Kapitaldeckungsverfahren gestärkt. Heute sind gut 62 Prozent der Rentenleistungen im Umlageverfahren gedeckt. Nach dem Vorschlag der ExpertInnengruppe wären es über 70 Prozent.

Die Gegner dieses Vorschlags sind vor allem Unternehmer und wirtschaftsfreundliche Politiker. Für sie ist die zusätzliche Belastung des schweizerischen Rentensystems nicht angebracht, da in Zukunft durch die ungleichmässige Altersstruktur in der Schweizer Bevölkerung das Rentensystem schon genug stark belastet wird. Sie sind für mehr Sozialabbau zum Beispiel in Form von Rentenaltererhöhungen.

Fazit

Die Politiker haben also Recht. Die AHV wird in der Zukunft mehr Geld benötigen. Der Grund dafür ist ein Ungleichgewicht der Altersstruktur in der Schweiz. Die Überalterung und der Rückgang der Geburten stellen in Zukunft tatsächlich ein Problem dar. Wie viel Geld es genau ist, das aufgebracht werden muss, kann nicht genau vorausgesagt werden.

Die Berechnungen und die Zahlen, die sich daraus ergeben, geben aber Aufschluss darüber, in welchen Dimensionen gedacht werden muss.

Die Schweiz wird im Jahre 2050 entsprechend den Szenarien zwischen 750'000 und 1'400'000 in der Schweiz wohnhafte RentnerInnen mehr als heute haben. Im Jahre 2050 könnten das je nach Szenario zwischen 20 und 30 Milliarden Schweizer Franken (nach heutigem Wert des Geldes) sein, die fehlen. Wie diese Mehrkosten finanziert werden sollen, ist unklar.

Es gibt viele Möglichkeiten, diese zusätzlichen Kosten zu finanzieren. Interessant ist im diesem Zusammenhang, dass durch einen entsprechenden Lohnzuwachs (von jährlich zwei Prozent) die Kosten gesenkt werden können. Die Teuerung, die auf ein Prozent jährlich geschätzt wurde, ist mitgerechnet. Die Renten würden also der Teuerung angepasst. Der Lohnzuwachs und die Teuerung sind aber schwer zu prognostizieren.

Das Bundesamt für Sozialversicherungen geht ab 2011 von einem Lohnzuwachs von drei Prozent und von einer Teuerung von einem Prozent aus. Solange die Wirtschaft sich im Wachstum befindet, sollte dieses Geld vorhanden sein. Meiner Meinung nach müssten die Unternehmungen dieses Geld aufbringen.

Das könnte durch eine Gewinnsteuer erreicht werden. Eine Lösung wäre auch, den Anteil der Unternehmungen an den Leistungen an die AHV zu erhöhen. Eine Mehrwertsteuer auf Luxusartikel würde auch zusätzliche Erträge einbringen.

So würde der Fehlbetrag nicht auf Kosten des ärmsten Teils der Bevölkerung getilgt werden. Im schlimmsten Falle könnte die Mehrwertsteuer erhöht werden. Die Renten zu kürzen, auch durch eine Nichtberücksichtigung der Teuerung, oder die Leistungen durch eine Erhöhung der Lohnprozente zu vergrössern, finde ich nicht angebracht. Das würde die Kluft zwischen Arm und Reich verstärken.

Es ist doch noch zu bedenken, dass bei finanzieller Belastung der Unternehmungen diese nicht mehr so viel investieren können und weniger konkurrenzfähig sind. Das könnte Arbeitsplätze gefährden.

Der Schweizer Wirtschaft geht es aber relativ gut, und eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung vor allem auch im Alter steht für mich im Vordergrund. Was bringen uns der Wohlstand und die Wohlfahrt, wenn wir nicht daran teilnehmen können.

Ein anderer Ansatz wäre, dass der Staat durch Investitionen die Wirtschaft ankurbelt. Das würde mehr Unternehmungen und auch mehr Arbeitsplätze schaffen, was einen positiven Einfluss auf die Erträge der AHV hätte.

Wichtig wäre auch eine Familienpolitik, die das Kinderkriegen wieder attraktiver macht. Zusätzlich müssten Massnahmen getroffen werden, das Erwerbs- und das Familienleben besser zu koordinieren. Das Bundesamt für Statistik erwähnt auch eine spezielle Hypothese, die es "Erneuerung der Generation" nennt.

Die Fertilität würde auf 2.1 Kinder pro Frau steigen. Das wäre die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau, welche eine Bevölkerung braucht, um bei gleich bleibender Lebenserwartung und ohne Ein- und Auswanderungen unverändert zu bleiben. Damit würden die wirklichen Ursachen der finanziellen Krise der AHV angegangen werden.

Dimitri Dübendorfer