Ob und wie es einmal anders sein könnte Utopia: «Was willst du denn stattdessen?»

Gesellschaft

«Was willst du denn stattdessen?» wird oft gefragt, wenn wir die Art und Weise kritisieren, wie das Zusammenleben der Menschen organisiert ist.

Rote Kinder, 2006, Judith Elmiger - Wohnsiedlung Heuried, Zürich.
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Rote Kinder, 2006, Judith Elmiger - Wohnsiedlung Heuried, Zürich. Foto: Micha L. Rieser (PD)

16. November 2017
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Korrektur
Hinter dieser Frage verbirgt sich aber meist gar kein echtes Interesse an einer Antwort, sondern sie dient eher dazu, die Diskussion zu beenden. Es ist schliesslich offensichtlich, dass ein einziger Mensch kaum in der Lage ist, einen «Masterplan» zu präsentieren, der der Tragweite dieser Frage gerecht werden könnte. Wir können aber sagen, dass wir eine Gesellschaft wollen, in der allen Menschen die Bedingungen für ein gutes Leben gegeben sind. Ein solidarisches Miteinander statt Konkurrenzkampf. Ungeachtet aller konstruierten Schranken wie Geschlecht, Alter, Herkunft und sexueller Orientierung, stünde es allen frei, den eigenen Bedürfnissen zu folgen und die eigenen Fähigkeiten auszuleben.

Endlich wird die Arbeit knapp

Das klingt nach romantischen Träumereien? Sehen wir uns die Welt doch einmal an: Nie waren die Gegebenheiten besser, um das gute Leben für alle endlich zu ermöglichen. Der Reichtum, der heute weltweit produziert wird, reicht locker für alle. Allerorts ist davon die Rede, dass «neue Technologien dem Menschen die Arbeit abnehmen». Der technische Fortschritt erlaubt es uns, gesellschaftlich notwendige Arbeiten wie Nahrungsmittelproduktion oder Häuserbau in einem Bruchteil der Zeit zu erledigen, die dereinst dafür aufgewendet werden musste.

Wir produzieren nicht nur mehr als genug für alle, wir produzieren auch einen Haufen Unsinn. Bei einer Produktionsform, die sich an den Bedürfnissen orientiert, würden viele Administrativberufe und Dienstleistungen, sowie weite Teile der materiellen Produktion auf einmal hinfällig. Wer braucht schon Callcenter, Diamantohrringe oder Kampfdrohnen? Die verbleibenden notwendigen Arbeiten wie Landwirtschaft, Maschinenbau, Betreuung, Hausarbeit usw. könnten jetzt kollektiv organisiert und aufgeteilt, und in wenigen Wochenarbeitsstunden erledigt werden. Die so gewonnene Zeit könnte nun von allen nach Belieben genutzt werden, um sich zu bilden, zu musizieren, zu faulenzen, zu forschen, Baumhäuser zu bauen oder ganz etwas anderes zu tun.

Eine weitere Errungenschaft, die ungeahnte Möglichkeiten birgt, ist das Internet. Sie erlaubt uns innert Sekundenbruchteilen unabhängig vom jeweiligen Standort Nachrichten auszutauschen und auf einen kollektiven Informationsschatz zuzugreifen, der alles übersteigt, was sich ein einzelner Mensch je an Wissen aneignen könnte. Auch die Organisation und Koordination der gesellschaftlichen Arbeit könnte so ungemein vereinfacht werden: Schreib einfach in das entsprechende Forum, dass du noch ein Kilo Brot brauchst und das Bäckerei-Kollektiv weiss Bescheid, wie viel es zu backen gibt.

Auf nach Utopia

Das klingt utopisch? Na klar! Aber wir haben den Anspruch, für eine Gesellschaft zu kämpfen, die das gute Leben für alle ermöglicht. Dazu wollen wir die Möglichkeiten schaffen, dass die Menschen alle gleichberechtigt darüber entscheiden, wie die Gesellschaft organisiert sein soll. Es liegt an uns, uns bewusst zu werden, dass Geschichte nicht einfach passiert, sondern gemacht wird. Weder Politik noch Kapital können oder wollen diesen Wandel für uns einleiten. Im Gegenteil, die Interessen der Herrschenden liegen darin, den Status Quo aufrecht zu erhalten.

Wenn wir diese Welt umgestalten wollen, dann müssen wir der verbreiteten Maxime, dass «wir ja sowieso nichts machen können» den Kampf ansagen. Veränderung kann nur kollektiv passieren, und das heisst, dass wir uns unserer Macht als Masse bewusst werden und unsere Schicksale in die eigenen Hände nehmen müssen!

25karat.net