Zunehmender Druck auf zivilgesellschaftliche Akteure Die Rolle der Zivilgesellschaft in der Klimapolitik

Gesellschaft

Die globale Zivilgesellschaft soll mehr Verantwortung übernehmen. So heisst es in einem Sondergutachten der Bundesregierung zum Klimaschutz. Doch das kann nicht die Lösung sein. Ein Debattenbeitrag von Barbara Unmüssig.

Aktivisten bei der Anti-Kohle-Aktion in Garzweiler am 15. August 2015.
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Aktivisten bei der Anti-Kohle-Aktion in Garzweiler am 15. August 2015. Foto: Ende Gelände(CC BY-NC 2.0 cropped)

29. Oktober 2015
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Das Sondergutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) Klimaschutz als Weltbürgerbewegung (WBGU 2014) löste eine Debatte in GAIA um die Rolle der Zivilgesellschaft in der Klimapolitik aus (Brunnengräber 2014, Leggewie et al. 2015, Bauriedl 2015). Gut so. Motivation für das Gutachten waren die Fragen, wie die Defizite der Klimadiplomatie überwunden werden können und die Klimaschutzpolitik neuen Schub bekommen kann. Der WBGU (2014) plädiert für ein starkes multilateral verabredetes Regelwerk und macht Vorschläge, wie unter den gegenwärtigen politischen Rahmenbedingungen ein Post-Kyoto-Abkommen aussehen und Klimapolitik weiterentwickel werden könnte. Den von Brunnengräber erhobenen Vorwurf, der WBGU verabschiede sich in seinem Sondergutachten von politisch ambitionierten Regulierungsmassnahmen und rede entstaatlichter Klimapolitik das Wort, teile ich so nicht. Vielmehr ist der WBGU einer der wichtigsten Akteure in Deutschland, der die Politik auf der Basis von Ergebnissen der Klima- und Umweltwissenschaft zum Handeln drängt.

Was ich allerdings teile, ist Brunnengräbers Kritik am WBGU-Konzept des modularen Multilateralismus. Darin nimmt die globale Zivilgesellschaft eine zentrale Rolle ein. Sie soll den Klimaschutz voranbringen und den Verhandlungen neue Dynamik geben. Nichtregierungsorganisationen (NROs), Kirchen sowie "erfolgsversprechende Bürgerinitiativen, soziale Bewegungen, Unternehmen und Clubs" (WBGU 2014, S. 75) sollen noch mehr Verantwortung für den Klimaschutz übernehmen. Einigen Netzwerken und NROs attestiert der WBGU sogar einen Bedeutungszuwachs bei den globalen Klimaverhandlungen. Der WBGU wertschätzt das Engagement gesellschaftlicher Initiativen und sieht sie als komplementär zu staatlicher Energie- und Klimapolitik und globaler Klimagovernance.

Ein "Weltbürgertum" soll gar zum starken Motor werden und die Schwächen staatlichen Handelns im Klimaschutz ausgleichen. Der WBGU zeichnet dabei ein wenig differenziertes Bild von der Verfasstheit der Zivilgesellschaft, ihren Handlungsmöglichkeiten und politischen Spielräumen. Er stilisiert sie zur Hoffnungsträgerin für globale Veränderungen und den weltweiten Klimaschutz, ohne ihre begrenzten Handlungsspielräume, die staatlichen Massnahmen gegen ihre Handlungsspielräume und ohne die Differenzen zwischen den zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren auch nur anzudeuten.

Der WBGU formuliert politisch durchaus Wünschenswertes: Der Druck verschiedenster Akteure, die vielfältigen Kampagnen von der lokalen bis globalen Ebene zum Ausstieg aus den fossilen und nuklearen Energien, gegen die Finanzierung fossiler Investitionen (Divestment), für eine andere Mobilitäts- oder Landwirtschaftspolitik sollten von der Politik aufgegriffen werden. Zweifellos: Neben den Klimaforscher/innen ist es die Zivilgesellschaft, die mit engagierten Aktionen klimapolitisches Handeln fordert, nach Veränderung ruft und eine gesellschaftliche Transformation anmahnt.

Dieses Engagement erzielt durchaus Erfolge: Vor Ort verhindert die Zivilgesellschaft zum Beispiel ein Kohlekraftwerk oder eine weitere Anlage für Massentierhaltung, sie gibt Impulse für lokale, nachhaltige Mobilitätsprojekte. Der Ausstieg aus der Atomkraft und die Energiewende sind in Deutschland und auch anderswo Ergebnis einer erfolgreich mobilisierenden Zivilgesellschaft. Dennoch: Die ökologischen und sozialen Negativtrends (Klimawandel, Verlust biologischer Vielfalt, wachsende Ungerechtigkeit) der letzten 30 Jahre konnte die Zivilgesellschaft nicht umkehren, obwohl ihr Engagement auf allen Ebenen massiv zu genommen hat. Zu stark sind die Gegenkräfte. Hier wäre also seitens des WBGU mehr Realismus zur Reichweite zivilgesellschaftlichen Handelns angezeigt. Realismus ist ja nicht das Gegenteil von Optimismus und Hoffnung, die wir so dringend als Motivation für mehr politisches Handeln brauchen. Natürlich kann die Zivilgesellschaft positive Veränderungen katalysieren. Es ist jedoch naiv zu glauben, dass sich die Handlungsspielräume für zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure erweitern werden. Das Gegenteil ist der Fall und lässt sich auch im Umfeld der internationalen Klimapolitik beobachten.

David gegen Goliath

Die grössere Verhandlungsmacht liegt bei den ökonomischen Lobbys. Sie münzen ihre ökomische Macht in politische um. Sie setzen Milliarden ein, um politische Entscheidungen gegen mehr Klimaschutz oder gegen eine sozial und ökologisch tragfähige Landwirtschaft zu beeinflussen. Auch wenn David einige Schlachten gewinnen kann, bei Goliath liegen die grösseren Machtressourcen.

Der WBGU selbst hat in vielen Gutachten die Kräfte benannt, die einer Transformation entgegenstehen. Im neuen Sondergutachten jedoch ignoriert er diese Tatsachen und stellt ihnen eine Welt entgegen, in der sich in gegenseitiger Wertschätzung aller Akteure positive und komplementäre Lösungen zum Besten aller und quasi wie von selbst ergeben. Die "Grosse Transformation", den neuen Gesellschaftsvertrag, den der WBGU(2011) zu Recht propagiert, wird es aber nicht ohne Konflikte geben (siehe auch Brunnengräber 2015). Es wäre für die politische Auseinandersetzung wichtig und hilfreich, wenn der WBGU dazu beitrüge, die Gesellschaft(en) gerade darauf besser vorzubereiten. Win-win ist prima – es ist aber eine Illusion zu glauben, dass es bei der Lösung aller Probleme nur Gewinner gibt.

Und noch auf einem anderen Auge ist der WBGU blind: Die Weltbürger/innen, an die er denkt, kommen fast alle aus dem wohlhabenden Norden (siehe auch Brunnengräber 2014 und Bauriedl 2015). Die Climate-Justice-Bewegungen, die Bewegungen im Süden, die ihre sozialen und ökologischen Lebensgrundlagen und ihre Territorien verteidigen, kommen in der Mehrebenenpolitik oder im modularen Multilateralismus desWBGU nicht als erwähnenswerte Akteurinnen vor.

Zunehmender Druck auf zivilgesellschaftliche Akteure

Seit Mitte der Nullerjahre lässt sich ein beunruhigender Trend beobachten. Wir erleben in verschiedenen Ländern eine Zunahme juristischer, bürokratischer oder steuerlicher Schikanen, die zivilgesellschaftliche Aktivitäten massiv einschränken. Diejenigen, die sich für den Erhalt ihrer Lebensgrundlagen und lokaler Ressourcen einsetzen oder gegen die Erschliessung von Rohstoffen protestieren, sind vermehrt ins Visier staatlicher und privater Gewalt geraten. Dies wird von Menschenrechtsorganisationen, von Menschen an der sozialen und politischen Basis von Protesten oder auch von Maina Kiai, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, regelmässig dokumentiert. Es ist eine grosse Fehlstelle des WBGU-Sondergutachtens, dass es diesen beängstigenden Trend nicht aufgreift.

Neben den lokalen NROs werden auch ausländische Organisationen und Stiftungen, die Partner/innen vor Ort in ihren sozialen und ökologischen Kämpfen unterstützen, eingeschüchtert und an der Arbeit gehindert. NROs und kritische Köpfe werden, wenn sie mit ausländischen Organisationen oder Stiftungen kooperieren, als "verlängerter Arm" des Auslands oder als "ausländische Agenten" angeprangert. Jede Form der Einschränkung scheint erlaubt: Aktivist/innen werden verhaftet, Konten eingefroren, Drohungen ausgesprochen, Lizenzen entzogen, Internetseiten blockiert, Registrierungen und Überwachung erzwungen, Büros geschlossen. In vielen Ländern gelten die innere Sicherheit und der Kampf gegen Terrorismus als Vorwand, demokratische Organisationen mundtot zu machen oder zu verbieten – ein Generalverdacht, der alle repressiven Massnahmen legitimieren soll.

Und auch in demokratischen oder partiell demokratischen Ländern richtet sich ein ganzes Bündel von juristischen, administrativen und repressiven Massnahmen der Regierungen vor allem gegen jene sozialen Bewegungen und NROs, die sich gegen Grossprojekte wie Kohle-, Erdöl- oder Gaserschliessungen oder andere Infrastruktur- und Investitionsprojekte (zum Beispiel Pipelines, Landgrabbing) zur Wehr setzen. Nicht nur in China, Russland, Indien, Äthiopien, der Türkei oder Kambodscha stehen Umweltschützer/innen als Teil der Zivilgesellschaft unter Druck. Überall, wo es um Kontrolle des Zugangs zu und die Ausbeutung von strategischen natürlichen Ressourcen geht – von Kohle, Öl und Gas über Wasser, Wälder, Land und Biodiversität bis zu genetischen Ressourcen –, greifen die Mächtigen zu Strategien, um ihre Macht und ihrem Geschäftsmodell das Überleben zu sichern.

In einem Bericht vom 10. Juni 2015 stellte Maina Kiai fest:

"Increased demand for resources has resulted in the opening up of more areas for exploration and exploitation, especially in populated areas, leading to conflict between competing interests. By some accounts, between 93 and 99 per cent of 73 000 mining, logging, agriculture, oil and gas concessions in eight tropical forested countries were inhabited. The same sources indicate that, for example, up to 40 per cent of the territory of Peru has been handed over by the Government to private for-profit entities to exploit natural resources and that in Liberia and in Indonesia 35 and 30 percent, respectively, of the land is in the hands of the private sec-tor for exploitation operations. The existence of widespread social conflict associated with natural resource exploitation is therefore not surprising. For example, in Peru, the Om-budsman's Office documented 211 social conflicts in the month of February 2015, 66 per-cent of which were related to natural resource exploitation. In Colombia, the Ombudsman's Office participated in 218 dialogues between mining companies, protestors and the Government".

Neben Menschenrechtsverletzungen in Entwicklungsländern beschreibt Maina Kiai – im Zusammenhang mit der Gewinnung von Rohstoffen – auch solche in Kanada und Australien.

Auch Morde an Aktivist/innen (vor allem im lokalen Widerstand) werden häufiger. Gemäss der britischen NRO Global Witness nimmt die Zahl getöteter Umweltaktivist/innen stetig zu. 2014 waren es global 116 – entsprechend etwa zwei Toten pro Woche. Das gefährlichste Land für Umweltaktivist/innen ist Honduras mit 101 Toten zwischen 2010 und 2014. Und das sind nur die dokumentierten Fälle. Die Dunkelziffer liegt vermutlich viel höher, da die Morde oft in abgelegenen Gegenden geschehen. Ins Visier geraten diejenigen, die Macht und Kontrolle hinterfragen, Korruption und Ungerechtigkeiten offenlegen und sich nicht in freiwillige Initiativen der Industrie einbinden lassen, sondern deren politischen Einfluss aufdecken und unterbinden wollen.

Politische und ökonomische Interessen gehen in vielen Ländern Hand in Hand – entsprechend gross ist dort die Sorge um den Machtverlust. Proteste gegen Landnahmen und Grossprojekte sind da nicht willkommen.

Weltweit schränken mehr als 50 Gesetze den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft massiv ein. Ihre Zahl nimmt ebenso zu wie ihre Härte. Nördliche NROs, Stiftungen und Think-Tanks haben noch wenige Antworten auf diesen Trend formuliert. Gemeinsames politisches Agieren wäre hier besonders dringlich. Ohne demokratische Spielräume, ohne Grundrechte und rechtsstaatliche Prozesse werden die sozial-ökologische Transformation und die Anpassung an den Klimawandel in Süd, Ost und West auf der Strecke bleiben. Der WBGU sollte sich mit diesem alarmierenden politischen Trend auseinandersetzen und sich öffentlich und politisch dafür stark machen, dass die demokratischen Spielräume für Einmischung und transformative Veränderungen offenbleiben.

Klimaverhandlungen: Wer ist dabei, wer ausgeschlossen?

Ohne die politischen Rahmenbedingungen für Zivilgesellschaft in den einzelnen Ländern ins Visier zu nehmen, macht sich der WBGU (2014) allgemein für mehr Beteiligungsrechte an Diskussions- und Entscheidungsprozessen im Rahmen des UNFCCC Prozesses stark. Er propagiert sogar Klagerechte bei Nichteinhaltung von staatlichen Verpflichtungen, ohne zu spezifizieren, wer sie denn legitimerweise politisch in Anspruch nehmen kann. Laut WBGU soll die "Weltbürgerbewegung", vertreten durch anerkannte NROs, zum völkerrechtlichen Subjekt werden. Stärkung von Rechten für NROs, die Anwendung der Aarhus-Konvention auf die Klimarahmenkonvention und deren Protokolle – das klingt auf den ersten Blick gut. Skepsis ist jedoch angebracht.

Erstens: Wie soll im Lichte der genannten massiven Einschränkung von Rechten durch nationale Regierungen plötzlich auf multilateraler Ebene die Ausweitung zivilgesellschaftlicher Rechte und Befugnisse gelingen? Zweitens ist ungeklärt, wie es zur politischen Legitimation derer kommen soll, die dann in multilateralen Gremien die Zivilgesellschaft, das Weltbürgertum vertreten dürfen. Welche NRO kann denn für sich reklamieren, für die Weltbürger/innen zu sprechen? Die mit den meisten Spender/innen, Mitgliedern, medialen und anderen Ressourcen? Wie werden politische Entscheidungen vorbereitet und organisiert? Wer hat das Recht, für welche Positionen zu verhandeln oder zu votieren?

Die Fragen der Legitimation und "Selbsternennung" derjenigen, die am Verhandlungstisch oder an Verabredungen mit Regierungen oder supranationalen Organisationen beteiligt sind, ist schon lange ein konfliktreiches Thema zwischen professionellen NROs und erst recht zwischen NROs und sozialen Bewegungen. Wer ist dabei, wer ausgeschlossen? Wer verhandelt in wessen Namen was? In der Klima- oder in den Transformationspolitiken geht es genau darum, welche Interessen und Positionen die Hoheit oder Durchschlagskraft bekommen können und welche nicht.

Politische Realität ist, dass in sogenannten Multi-Stakeholder- Runden mit (grossen) NROs meist freiwillige Regeln zum Beispiel zur "nachhaltigen" Nutzung von Agrotreibstoffen ausgehandelt werden. Dadurch werden manchmal Politiken legitimiert, die ohne Rechenschaftslegung und Rückkopplung mit Betroffenen und ihren demokratisch legitimierten Interessensvertreter/innen erfolgen. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, wie durch solche Prozesse der lokale Widerstand (etwa gegen Abholzung) geschwächt wurde. Ergebnis ist eine Marginalisierung der Zivilgesellschaft und eine Entpolitisierung von Verhandlungsprozessen, die dann angeblich nur "Sachlogiken" folgt. Es kann eine Stärke der Zivilgesellschaft sein, in politische Sachzwänge nicht eingebunden zu sein. Gerade die Klimaverhandlungen belegen nämlich, wie manche/r NRO-Verhandler/in sich den Zwängen globaler Verhandlungen gebeugt, die Rückbindung an die Basis verloren hat und sich zum Protagonisten/zur Protagonistin von Politiken und Instrumenten gemacht hat, die von anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren aus guten Gründen abgelehnt werden (Emissionshandel, CDM, REDD+ usw.).

Das gemeinsame Interesse vieler Akteurinnen und Akteure in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft – die 1,5- bis 2-Grad-Leitplanke einzuhalten, zu dekarbonisieren und erneuerbaren Energien den Vorrang zu geben – kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es über die Wege dahin fundamentale Kontroversen gibt. Wie viel Staat? Wie viel Markt? Welche klimapolitischen Instrumente? Welche Technologien und Innovationen? Wie viel Gerechtigkeit und Demokratie? All das sind umkämpfte Fragen, über deren Durchsetzung Verhandlungsmacht und Mobilisierungskraft entscheiden. Es ist wenig hilfreich, wenn der WBGU diese Differenzierungen ausblendet und sogar Namen von NROs nennt, die er für besonders geeignet hält, die Verhandlungen zu begleiten und sogar zu kontrollieren.

Brunnengräber und Bauriedl haben recht: Die Literatur ist voll von Differenzierungen und Typologisierungen, die versuchen, der Vielfalt und Heterogenität der Interessen und Aktionsformen zivilgesellschaftlicher Akteure gerecht zu werden, gerade um sie nicht zu homogenisieren und so zu "Rettern der Welt" zu stilisieren. Beispielsweise spielen soziale Bewegungen und professionelle NROs sehr unterschiedliche Rollen. Stellvertretend für die Vielzahl der Differenzierungs- und Einordnungsversuche:

"They (activists, Anm. d.Verf.) are typically members of social movements that are loosely organized and that use collective or joint action. They have change-oriented goals and their methods are extra-institutional and may involve confrontation with powerholders. NGOs, by contract, are typically more established organizations, often registered with governments. While NGOs play important civil society functions, an excessive focus on profes-sionalized NGOs, which have lost touch with their constituencies(…)means missing the mark" (Stephan und Mazursky 2015).

Wer soll denn die zivilgesellschaftlichen "Sachwalter des Klimaschutz" (WBGU 2014, S.58) anerkennen? Eine Antwort bleibt das Sondergutachten schuldig. Ich sehe jedenfalls keine demokratisch vertretbaren Mechanismen innerhalb der Zivilgesellschaft, die eine solche Anerkennung und Legitimierung organisieren könnten. Dazu ist die Zivilgesellschaft zu vielfältig, zu heterogen, zu unterschiedlich in ihren Positionen und Aktionsformen. Und wenn Regierungen bestimmen sollen, welche NROs das "Weltbürgertum" in Gremien des UNFCCC-Prozesses vertreten, ist die Unabhängigkeit und damit die erhoffte Sachwalterrolle erst recht in Gefahr. Professionelle NROs werden oft als Ko-Eliten betrachtet und von Regierungen instrumentalisiert.

Das führt dazu, dass sie entlang ähnlicher politischer und ökonomischer Sachzwänge Hand in Hand mit staatlichen Institutionen agieren und ihre Rollen als unabhängige watchdogs und als Gegenöffentlichkeit nicht mehr wahrnehmen können. Kooptierte NRO-Vertreter/innen bevölkern jetzt schon internationale Prozesse. Mehr davon wären kein Gewinn. Ehrliche Analyse erfordert, anzuerkennen, dass sich überall auf der Welt zivilgesellschaftliche Akteure mit ihren Regierungen arrangiert haben. Viele NROs ersetzen oder unterstützen staatliche soziale, humanitäre und umweltpolitische Dienstleistungen und hängen am Tropf externer staatlicher oder privater Geldgeber.

Wie weiter?

Ziel dieses Beitrags war es, ein realistischeres und differenziertes Bild von der Rolle und der politischen Bedeutung der Zivilgesellschaft zeichnen. Ein "Weltbürgertum" ist nicht zu erkennen, sondern eine heterogene, zuweilen fragmentierte Landschaft zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure mit unterschiedlichen Interessen, Zielen und Aktionsformen. Zudem sind wir weltweit mehr denn je mit politischen Realitäten konfrontiert, die elementare Menschenrechte wie Versammlungs-, Organisations und Meinungsfreiheit und damit politische Einmischung und Partizipation für die Zivilgesellschaft, NROs und soziale Bewegungen massiv einschränken und zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure kriminalisieren.

Eine politische Aufgabe ersten Ranges ist es daher, alles dafür zu tun, die Handlungsspielräume für demokratische Zivilgesellschaften offenzuhalten oder dafür zu kämpfen, dass sie überhaupt gewährt werden. Das ist die dringlichste Voraussetzung für eine ambitionierte Klima- und Transformationspolitik. In Paris bei den nächsten Klimaverhandlungen wird die Vielfalt der Engagierten für mehr Klimaschutz und Gerechtigkeit sichtbar werden. Mit Demonstrationen, mit Aktionen, mit Gegenkongressen und Veranstaltungen und mit Vertreter/innen aus der professionellen NRO-Welt, die ihre Möglichkeiten nutzen werden, die Verhandlungen zu beobachten, zu beeinflussen und medial zu kommentieren. Diese komplementären Stärken sind eine wichtige strategische Aufgabe und Ressource einer Zivilgesellschaft, die vernetzt ist und natürlich und schon lange lokal und global zu agieren versteht. Dass sie garantierte Menschenrechte und Demokratie und eine funktionierende Öffentlichkeit braucht, auch das wird Paris hoffentlich zeigen.

Barbara Unmüssig
boell.de

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