Sein Leben und sein Werk Max Webers Protestantismusthese

Gesellschaft

Das Werk von Max Weber über die protestantische Ethik ist eines der bedeutendsten in der Soziologie. So war es eine der ersten Analysen der modernen Gesellschaft. Es hilft, unsere heutige Gesellschaft besser zu verstehen.

Max Weber auf der Lauenstein Tagung 1917. Im Hintergrund Ernst Toller.
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Max Weber auf der Lauenstein Tagung 1917. Im Hintergrund Ernst Toller. Foto: PD

5. Oktober 2007
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Seine Ausarbeitung der Ethik für den Fachmenschen und den Geschäftsmenschen und seine Einführung des Begriffes Beruf sind eminent wichtig für die Entwicklung eines modernen Humanismus. Weber erarbeitet seine Theorie vor allem aus den frühprotestantischen Ethiken von Luther und Calvin. Dabei ist zu erwähnen, dass Webers Theorie einen Einfluss der protestantischen Ethik auf die moderne Gesellschaft und den Kapitalismus behandelt. Nur war das vor fast oder über hundert Jahren, als Weber seine Theorie erarbeitete.

Sicherlich gilt seine Theorie zum grössten Teil auch heute noch, dennoch bedarf es einer neuen Analyse der heutigen modernen Gesellschaft. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Webers Auffassung und der von anderen Wissenschaftlern wie Sombart ergibt sich bei der Frage nach den Gründen für den Antrieb, die innerweltliche Askese zu leben.

Nach Sombart sind der Überlebenskampf verfolgter (protestantischer) Minderheiten und die daraus resultierende ökonomische Aktivität ein wesentlicher Grund für die Entstehung des modernen Kapitalismus. Weber widerspricht dieser These. Nach Winfried Zeller war der Generation nach der von Luther und Calvin vor allem wichtig, wie das tägliche Leben bewältigt werden und wie das ewige Heil erreicht werden konnte. Auch ein Antrieb war die Hoffnung auf bessere Zeiten und nicht etwa das Erlangen von Reichtum.

Diese besseren Zeiten sollten, so glaubten die Pietisten (eine protestantische Glaubensrichtung), durch die innerweltliche Askese und das daraus resultierende, rastlose Arbeiten erreicht werden. Es war den Menschen wohl nicht so klar, dass dieses rastlose Arbeiten im heutigen Güterreichtum endet.

Der Ursprung

Für Weber ist die protestantische Ethik eine individuelle Angelegenheit, die jeder Gläubige selber bewältigen muss. Dem widerspricht Lehmann. Die gläubigen Protestanten des 17. Jahrhunderts schlossen sich zusammen, um gemeinsam errettet zu werden. Heilssuche, Heilsgewinnung und Heilssicherung war im 17. Jahrhundert ein Gruppenunternehmen, eine Gruppenverpflichtung und auch eine Gruppenerfahrung.

Ein anderer Grund für den Antrieb zur Askese war auch die Endzeitstimmung, die im katastrophengebeutelten 17. Jahrhundert aufkam. Die angenommene Nähe der Apokalypse liess die Gläubigen die innerweltliche Askese leben. So glaubten die Menschen dieser Zeit, dass die Hungersnöte, Stadtbrände und andere Katastrophen eine Konsequenz ihrer Sünden waren.

Diese Ursachen der Ängste sind ein Kontrast zu meiner ersten Fragestellung, bei der ich eher aus Webers Sicht operieren werde (siehe unten).

Schliesslich ist noch zu bemerken, dass Webers Forschung teilweise durch seine persönliche Lage beeinflusst wurde und auch erheblich von den Resultaten anderer Forscher abhängig war. Lehmann meint aber, dass dies den Wert von Webers Ergebnissen nicht mindert.

Beziehung zwischen der Ethik und der modernen Gesellschaft

Es ist sehr schwierig, eine Methode zu finden, um die Auswirkungen der protestantischen Ethik, genauer der altprotestantischen Ethik von Luther und Calvin, auf die moderne Gesellschaft zu beschreiben.

Max Weber

Bild: Max Weber 1878. / PD

Max Weber bedient sich dabei der Methode derBegriffsfindung. Er erarbeitete seine Theorie mit Hilfe des Begriffs des Berufes. Er erforschte die Entstehung und Bedeutung des Begriffes Beruf.

Die Beschreibung der protestantischen Ethik und die Ausarbeitung eines Idealtypus' "protestantische Ethik", die als wertrational bezeichnet wird, helfen auch, das Problem näher zu verstehen.

Zum Idealtypus meint Weber, dass er ein gedanklich konstruiertes Handeln (oder ein(e) aus solchem Handeln gedanklich abgeleitetes "Gesetz", soziales Gebilde oder soziale Ordnung) ist, das maximale Sinnadäquanz aufweist.

Weiter geht es um eine Kausalbeziehung zwischen der protestantischen Ethik und der modernen Gesellschaft, die Weber in seinem Buch nachzuweisen versucht. Die Theorie von Weber ist wesentlich für meine Fragestellung. Darum werde ich in einem besonderen Abschnitt näher darauf eingehen.

Der Gegenstand der Forschung in den Kulturwissenschaften beschreibt Weber wie folgt: Ein winziger Teil der jeweils betrachteten individuellen Wirklichkeit, von unserem durch jene Wertideen bedingten Interesse gefärbt, er allein hat Bedeutung für uns; er hat sie, weil er Beziehungen aufweist, die für uns infolge ihrer Verknüpfungen mit Wertideen wichtig sind. Nur weil und soweit dies der Fall ist, ist er in seiner individuellen Eigenart für uns wissenswert.

Eine Skizze der protestantischen Ethik

Die protestantische Ethik ist ein Gebilde, das strenge sittliche Vorschriften beinhaltet, wie ein gläubiger Protestant im diesseits zu leben hat. Diese Vorschriften wirken bis in ursprünglich weltliche Gebiete hinein. So hat ein Geschäftsmensch eigene Vorschriften, wie er mit seinem Reichtum umgehen muss (siehe unten). Im Zentrum der protestantischen Ethik steht die Arbeit, die der Gläubige mit bestem Willen und Gewissen ausführen soll. Das ist der Weg, wie der Gläubige zu Gott findet.

Vergnügen neben der Arbeit ist nicht wirklich zugelassen. So schreibt Max Webers in seinem Werk "Die protestantische Ethik": Zeitverlust durch Geselligkeit, "faules Gerede", Luxus, selbst durch mehr als der Gesundheit nötigen Schlaf – 6 bis höchstens 8 Stunden – ist sittlich absolut verwerflich.

Das Leben als Protestant wird als "innerweltliche Askese" bezeichnet. Askese heisst sie, weil der Protestant in unserer Welt auf Genuss und andere Sünden verzichten muss. Das Leben für Gott steht im Mittelpunkt.

Der Fachmensch und wie der Begriff des Berufes entstand>

Weder im klassischen Altertum noch im Katholizismus gab es einen Zusammenhang zwischen Beruf und Religion. Das Wort Beruf war nicht wirklich existent. Nur wenige Stellen in den katholischen Schriften weisen auf eine Unterteilung in Berufe hin. Es wurde nur in die Stände Pfarrer, Obrigkeit, Fürsten und Herrenstand unterteilt.

In den antiken Sprachen findet sich nur im Hebräischen eine Ähnlichkeit zum weltlichen Gebrauch des Begriffes Beruf. Das Wort ist vom Stamm senden oder schicken abgeleitet und bedeutete ursprünglich "Aufgabe". Es wurde für priesterliche Funktionen, für Geschäfte im Dienste des Königs oder als Dienst eines königlichen Beamten, eines Arbeitsaufsehers, eines Sklaven, eines Feldarbeiters, eines Handwerkers oder Händlers gebraucht.

Das Wort wurde für jede Arbeit gebraucht. Seine Herkunft stammt aus der fron- und liturgiebürokratischen Begriffswelt des ägyptischen und nach ägyptischen Mustern angelegten salomonischen Fronstaates. Es wird für die Erfüllung von Gottes Geboten gebraucht und wird auch in der Bedeutung "Das Bestimmte" oder "Das Zugewiesene" verwendet.

Der Begriff des Berufes entwickelte sich aus der freien Übersetzung der Bibel. Max Weber schreibt, dass das Wort "Beruf" aus der Bibel stammt und zwar aus dem Geist der Übersetzung (von Luther) und nicht aus dem Geist des Originals.

Luther war der erste, der den Begriff "Beruf" einführte. Eine interessante Stelle in der von Luther übersetzten Bibel, die den Beruf auch als eine Aufgabe von Gott erklärt, ist "…beharre in deinem Beruf, und bleibe in deinem Beruf." Auch schreibt Luther in seiner deutschsprachigen Bibel "von Gott geruffet" und übersetzt dies mit "von Gott gefordert".

Das ist einer der ersten Fälle, in welchem der Begriff Beruf in einem weltlichen Sinn gebraucht wird. Es war der Anfang einer innerweltlichen Anschauung der Bedeutung des Berufes. Andere religiöse Gruppen und Exponenten zogen nach und fingen an, den Berufsbegriff in ihre religiöse Weltanschauung einzubeziehen. Es war ein Prozess, den Luther begann, und der sich zum (inner-)weltlichen Sinn des Begriffes Beruf hin entwickelte.

Der Beruf ist eine von Gott gestellte Aufgabe im Diesseits. Zwar entwickelte sich der Beruf zu einem weltlichen Sinn hin, dennoch ist er von einer religiösen Anschauung geprägt. Die Idee des Berufes begründet sich auch durch die Arbeitsteilung, welche es dem Menschen nicht mehr erlaubt, eigenständig und ohne fremde Hilfe zu überleben. So ist eine Art von abstrahierter Nächstenliebe erforderlich, um weiter zu existieren.

Die Menschen sind aufeinander angewiesen. Es ist nicht mehr möglich, ohne Hilfe von anderen zu überleben.

Die Mahnung in der Bibel, bei seinem Beruf zu bleiben, erlaubt aus Sicht unserer Zeit, in welcher die Arbeitsteilung schon weit fortgeschritten ist, den Gedanken an eine Art übermenschlichen Plan, der damals eingeleitet wurde, um die heutige Gesellschaft hervorzubringen. Um diesen Plan zu realisieren, bedurfte es offenbar einer Ethik, und eben diese hat der Protestantismus hervorgebracht. Ich will nun genauer auf diese Ethik eingehen. Das zuerst in Bezug auf den Fachmenschen.

Max Weber

Bild: Max und Marianne Weber 1894. / PD

Der Beruf gilt als göttliche Fügung, die der Mensch hinzunehmen hat, nach der er sich also orientieren sollte.

Zusätzlich wird der Gehorsam gegenüber Obrigkeiten verlangt. Der (Fach-)Mensch soll sich seinem Schicksal fügen und die Arbeit, für die er bestimmt ist, annehmen und mit bestem Willen ausüben.

Das asketische Leben, in welcher die Arbeit oder der Beruf im Mittelpunkt steht, ist von Gott gewollt. Bei Einhaltung dieser Pflichten wird dann das Seelenheil versprochen. Oder, aus anderer Sicht gesehen, kommt der Mensch bei Nichteinhaltung in die Hölle.

Das war das Druckmittel, um die Menschen zu diesen Pflichten oder dieser Einstellung zu bringen. Im Gegensatz zum Katholizismus gibt es keine Beichte (Ausnahme sind da die Lutheraner) und keinen Ablasshandel.

Der Mensch musste versuchen, durch ein allumfassendes, religiöses Bewusstsein im weltlichen Leben sein Seelenheil zu erlangen. Dabei werden Sünden nicht vergeben. Die Furcht, in die Hölle zu kommen, ist immer allgegenwärtig, und nur die Einhaltung der ethischen Grundsätze geben dem gläubigen Protestanten Hoffnung, das Seelenheil zu erlangen.

Die emanzipatorische Seite der protestantischen Ethik beruht darin, dass der Mensch Eigenverantwortung übernehmen muss. Er hat zwar eine Anleitung zum Leben, aber konkrete Lebenssituationen muss er selber meistern. Er konnte sich wenig oder nicht auf andere Menschen abstützen oder sich seine Fehler verzeihen lassen (Ablasshandel, Beichte).

Nach Troeltsch entstand der individualistische Rationalismus aus der Aufklärung und dem rationalen Geist. Dennoch hat sich dieser auch aus dem Luthertum entwickelt. So schreibt Luther in seiner Bibelübersetzung: Denn wer ein Knecht berufen ist, der ist ein Gefreiter des Herrn; desgleichen wer ein Freier berufen ist, der ist ein Knecht Christi. Ihr seit teuer erkauft; werdet nicht der Menschen Knechte. Ein jeglicher, lieben Brüder, worinnen er berufen ist, darinnen bleibe er bei Gott.

Das widerspricht ein wenig dem Prinzip, der Aussage der Obrigkeiten zu gehorchen. So ist der Rückzug aufs Persönliche, das sich nicht der Welt unterwerfen, das auf sich selber vertrauen, eine Charakteristik im Luthertum. Der Weg der persönlichen Überzeugung wird vor allem auch in der heutigen, modernen Gesellschaft brisant. So leben wir in einer Angestelltengesellschaft, die von Vorgesetzten dominiert wird. Wie viel der Angestellte sich vorschreiben lassen muss, ist unklar (aber dazu später).

Der Geschäftsmensch

Neben dem Fachmenschen behandelte Max Weber auch den Geschäftsmenschen. Auch für diesen gibt es eine Ethik, die Calvin herausgearbeitet hatte. Im Gegensatz zum Katholizismus ist für den Calvinisten oder die daraus abgeleiteten protestantischen Gruppierungen nicht verboten, Reichtum zu erlangen. Dies aber nur unter gewissen Bedingungen und für eine auserwählte Gruppe.

Calvin glaubte, dass, wenn der Geschäftsmensch oder Unternehmer sein Geld, das er verdiene, wieder in sein Geschäft investiere und nicht für sich selber beanspruche, also sich nicht den weltlichen Genüssen hingäbe, dies nichts Verwerfliches sei. Es sei sogar etwas Gottgewolltes.

Die Vermehrung seines Geldes, ohne daran teilzuhaben, kann wieder als Vorbedingung gesehen werden, um in die heutige moderne Gesellschaft mit grossen Unternehmen zu gelangen.

Ohne diese Geschäftsmenschen, die durch unternehmerische Tätigkeit Geld vermehrten, um dieses wieder ins Unternehmen zu investieren – wobei es auch andere Arten von Geschäftsmenschen (z.B. Fürsten, Abenteuerkapitalisten) gegeben hat –, wären wohl keine grossen Unternehmen entstanden. Eine Bedingung im Calvinismus ist aber, dass der Unternehmer eine rein funktionale Aufgabe hat, sich also nicht selber, d.h. privat, bereichern konnte.

Der Calvinismus hat noch einen anderen wichtigen Ansatz. So soll sich der Mensch von der direkten Nächstenliebe abwenden. Kreaturvergötterung ist nicht erlaubt. Der Gläubige soll einzig an Gott glauben, ihm dienen und ihn lieben. Das Tun und Schaffen des gläubigen Menschen dient einzig der Vergrösserung des Ruhmes von Gott.

Calvin glaubte auch daran, dass gewisse Menschen prädestiniert sind, um Geschäftsmenschen zu werden. Sie sind für diese Aufgabe von Gott auserwählt.

Abschliessende Bemerkungen zur Theorie von M. Weber über den Protestantismus

Es stellt sich die Frage, wer es war, der die heutigen grossen Unternehmungen herausbrachte. Waren es Adlige, solche, die sich vor dieser Zeit bereicherten, Imperialisten, Zünftler, die schon früh reich wurden, Abenteuerkapitalisten oder Menschen, die nach Calvin lebten?

So gab es zu Zeiten Webers sehr viele Protestanten, die in Deutschland Unternehmungen führten. In den Vereinigten Staaten vor allem hatten die eher als Sekten des Protestantismus bezeichneten Gruppierungen, wie zum Beispiel Täufer, Pietisten oder Quäker, zumindest wirtschaftlich sehr grossen Erfolg. Doch sie waren nicht die einzige Ursache oder einzigen Gründer unseres heutigen Wohlstandes oder Produktion.

Ein wesentlicher Grund ist der Rationalismus der Aufklärung, aber auch der Renaissance, und natürlich die Wissenschaft und ihre Erfindungen. Für den Fachmenschen bis heute bedeutend an der protestantischen Ethik ist die Erziehung zur Eigenverantwortung, die für den Individualismus des Arbeiters oder Angestellten förderlich ist. Weniger Kontrolle beim Arbeitsplatz wäre die logische Folge.

Auch sind wohl aus der protestantischen Ethik eigene Berufsethiken entstanden, die das Arbeiten des Fachmenschen rationalisiert und in bestimmte Bahnen gelenkt haben. Mit der Liebe zur Sache oder zur Arbeit an Gegenständen konnte der Fachmensch seine Pflicht der Nächstenliebe über ein Produkt oder die verantwortungsvolle Produktion von Gütern erfüllen.

Die protestantische Ethik war nicht die Ursache für die moderne Gesellschaft, sie war nur ein Beitrag. So schreibt Weber in seiner Abhandlung: Denn es soll ja lediglich unternommen werden, den Einschlag, welchen religiöse Motive in das Gewebe der Entwicklung unserer aus zahllosen historischen Einzelmotiven erwachsenen modernen, spezifisch "diesseitig" gerichteten Kultur geliefert haben, etwas deutlicher zu machen.

So hat der Protestantismus, oder besser der Calvinismus, eine Legitimation für eine Funktion herausgebracht. Die Funktion ist das Sparen und Investieren in die eigene Unternehmung. Das Vergrössern der Unternehmung war ein Weg in den Kapitalismus oder in die moderne Gesellschaft. Die Idee des "Sparens" und des "Investierens" gab es schon vor dem Aufkommen der protestantischen Ethik. Letztere wurde dieser Funktion beigelegt.

Das Anhäufen von Reichtum ist mit einer Ethik versehen worden, die dieses legitimiert hat. Das ist aber nur unter gewissen Bedingungen (innerweltliche Askese) erlaubt worden.

Der Zweck dieser Kapitalanhäufung ist nicht ein prunkvolles Leben, sondern grössere Unternehmungen hervorzubringen, was zusammen mit der Arbeitsteilung und dem wissenschaftlichen Fortschritt die Produktion massiv steigerte. Die für die Vergrösserung der Produktion wichtigen Maschinen können nur mit viel Kapital ersteigert werden.

Der Unternehmer muss schon früh sein Kapital vermehren, um solche Maschinen kaufen zu können. So kann in der protestantischen Religion eine Methode gesehen werden, um die Menschen in Richtung eines Wertes zu führen. Hier, bei der protestantischen Ethik, wäre das der Reichtum oder Wohlstand.

Was waren die Mittel oder Methoden, mit denen die Menschen zum Einhalten der protestantischen Ethik gebracht wurden?

Es war eine Zeit des Ungewissen für das Volk. Die wichtigste Orientierungshilfe war die Bibel, die vom Volk, da lateinisch geschrieben, gar nicht selber gelesen werden konnte. Die Obrigkeiten des Katholizismus wurden zu den Vermittlern des Glaubens. Auf diese Zeit folgte dann Luther mit seiner (deutschen) Übersetzung der Bibel. Jeder konnte darauf die Bibel nach seinem Gewissen interpretieren.

Dennoch gab es viele, die die Bibel für das Volk interpretierten. Dabei stand die Frage nach der Zugehörigkeit zur protestantischen Religion im Vordergrund. Wer war auserwählt?

Max Weber

Bild: Max Weber mit Familie 1888. / PD

Wie muss der Gläubige leben, um zu Gott zu gelangen? Diese Fragen beschäftigten die Menschen von damals am meisten. Die neuen religiösen Ideen, vor allem von Luther, aber auch von Calvin und anderen Protagonisten, kamen beim Volk gut an. Die unerträgliche, allgegenwärtige Kontrolle durch die katholische Kirche trieb den Menschen in die Eigenständigkeit.

Die Angst vor dieser Kontrolle fand im Volk fruchtbaren Boden, zum Beispiel im Luthertum. Anstatt auf die Obrigkeiten zu hören, konnte der Mensch durch Arbeit, Fleiss und einer korrekten Lebensführung den Weg zu Gott selber finden. Dass der Gläubige dafür die innerweltliche Askese leben muss, war in Anbetracht seiner wiedergewonnenen Freiheit ein kleineres Übel

Gerade darum gilt es, auch die später aufkommende Angstmacherei zu kritisieren. Die verschiedenen Richtungen des Protestantismus erreichten ihre Ziele unter anderem auch durch Angstmacherei und Zucht zum Glauben, was den ursprünglichen Werten des Luthertums widersprach. Der Individualismus wurde wiederum durch kirchliche Kontrolle abgelöst.

Hervorzuheben ist, dass der von Calvin eingeführte Geschäftsmensch es offensichtlich einfacher gehabt hat, sich in der modernen Gesellschaft zu bewähren, als der Fachmensch.

Die Unmengen von Kapital, die durch die von Calvin legitimierten Geschäftsmenschen erwirtschaftet wurden, reichten, um neben der Vergrösserung der eigenen Unternehmung auch noch ein gutes Leben führen zu können. Je näher die moderne Gesellschaft kam, je weiter fortgeschritten der Kapitalismus war, desto weniger wurde die Moral des schlichten Lebens vom Geschäftsmenschen eingehalten.

Auf der anderen Seite war der Fachmensch. Er hatte keine Wahl. Der Stand der Geschäftsmenschen verlieh letzteren eine Macht über die Arbeiter. Diese wurden vom Unternehmer ausgebeutet. Durch die religiös legitimierte Pflicht zur Arbeit und der Abwendung vom Genuss, blieb dem Arbeiter keine Wahl. Er musste arbeiten, und das nach den Bedingungen der Geschäftsmenschen, welche, erstarkt durch den Calvinismus, ihrem Stand weiter Macht hinzufügten.

Der Arbeiter wurde vom Geschäftsmensch abhängig gemacht. Die neue Freiheit des Luthertums endete in der Abhängigkeit vom Unternehmer. Anstatt Gott zu gehorchen, musste der Arbeiter jetzt auf seinen Arbeitgeber hören.

Der kurze Traum der Freiheit war schnell ausgelebt. Nur durch eigenständige Organisation (eingeleitet durch Karl Marx) konnten sich die Arbeiter von der Umklammerung der Unternehmer ein wenig lösen. Warum sich der Geschäftsmensch besser und viel früher in der modernen Gesellschaft organisieren konnte als der Arbeiter, bleibt eine Frage.

Max Weber

Bild: Max Weber. / PD

Sicherlich hatte die religiöse Legitimation des Geschäftsmenschen und damit des "Geschäftens", der vor allem auch heute die Moral fehlt, dazu beigetragen. Dem Arbeiter wurde ein neues Glück die Freiheit versprochen. Doch er musste dafür äusserst pflichtbewusst arbeiten. Sein Aufseher war der Geschäftsmensch. Da der Mensch abhängig ist vom Geld, brauchte er eine Arbeit. Der Geschäftsmensch hatte Geld. So war er unabhängiger. Die Pflicht des Fachmenschen zur Arbeit liess letzterem keine Wahl. Er musste sich dem (kapitalgeprägten) Herrschaftsverhältnis unterordnen. Ob das die ursprüngliche Absicht von Luther und Calvin war, bleibe dahingestellt.

Die Methode, den Menschen durch die Vermittlung von neuen Werten in Richtung einer neuen Gesellschaft zu bringen, ist wohl die grosse Errungenschaft der altprotestantischen Ethik.

Dass das vor allem mit dem Druckmittel des Erreichens des Seelenheils oder mit der Mahnung vom Verstoss in die Hölle erreicht wird, kann als bedauerlich angesehen werden.

So sollte nicht mit Menschen, ihrer Hoffnung und ihrem Glauben gespielt werden. Natürlich ist die heutige Gesellschaft ein Stück weiter als in den Zeiten der Entstehung des Protestantismus. Auch leben wir in Wohlstand und zum Teil Wohlfahrt, zumindest in der okzidentalen Welt. Dennoch fehlt in der protestantischen Ethik der Schutz der Arbeiter.

Sie sind den Geschäftsmenschen ausgeliefert. Ohne ihre unreligiöse Organisation würden sie immer noch so stark wie damals ausgebeutet. Diese Organisation geschah relativ spät, auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei den Arbeitern um die Mehrheit im Volk handelt. So ist die Herrschaft von wenigen über viele eine Wirkung des Protestantismus gewesen.

Ob dies einer Volksreligion gut ansteht, wird nicht geglaubt. So sind viele arbeiterfreundliche Grössen gegen Religionen. Vielleicht war der Protestantismus auch eine Ursache dafür, wobei Luther, mit seiner individualistischen Haltung zu Gott und der Welt, eher einen Beitrag in eine für alle freiheitlichere und lebenswertere Welt geleistet hat.

Was für eine Bedeutung hat die protestantische Ethik in der heutigen modernen Gesellschaft?

Die weiteren Ausführungen beruhen auf der Frage, was für eine Bedeutung die protestantische Ethik in der heutigen modernen Gesellschaft hat. Das Gebilde Protestantische Ethik kann als wertrationale Idee verstanden werden. Das könnte auch heissen, dass andere wert- oder zweckrationale Ideen in der modernen Gesellschaft zur Geltung kommen können. In der heutigen pluralistischen Welt ist das schon fast eine Voraussetzung. So sind neue Werte hinzugekommen.

Nicht nur die alten, religiösen Werte des Protestantismus', ihren Vertretern und daraus gebildeten Sekten oder auch des Katholizismus dominieren unsere Gesellschaft, auch neue Werte sind mit der Zeit aufgenommen worden oder haben sich aus den Epochen wie Renaissance und Aufklärung entwickelt.

Die Idee des Nationalstaates oder der Demokratie und die Verweltlichung des Kultur- oder Alltagslebens, auch der Kampf der Arbeiter um mehr Lohn und kürzere Arbeitszeiten sind immer mehr institutionalisiert worden, so dass die religiösen Werte des Protestantismus zurückgedrängt wurden.

Die Vermehrung und Zulassung von neuen, auch nichtreligiösen Ideen, lässt auch zu, dass die Menschen neue Orientierungen in unserer modernen Gesellschaft finden. Die zunächst nur ökonomisch geprägte Idee des freien Marktes dringt auch in die Philosophie ein. Ideen aller Art werden angeboten und finden ihre Anhänger. Unsere moderne Gesellschaft ist in eine neue Phase getreten.

Die Religion steht nicht mehr für alle im Zentrum ihres Lebens, wie es im Mittelalter der Fall war. Andere weltliche Werte, wie zum Beispiel Selbstverwirklichung, treten an die Stelle der religiösen Maximen.

Der Mensch lebt nicht mehr nur für die Erlangung des Seelenheils, er lebt im Jetzt und Diesseits und will sein Leben geniessen und selber gestalten, auch indem er aus dem Angebot der Ideen diejenigen auswählt, welche er für sein Leben als wichtig erachtet.Der Mensch ist nicht nur Gläubiger, sondern auch Bürger oder Gemeinschaftsmitglied.

Weltliche Ideen und Fortschritt beeinflussen ihn immer mehr. Natürlich spielt der Wohlstand mit seinem immer grösser werdenden Angebot an materiellen Produkten eine wichtige Rolle, aber auch immaterielle Produkte gewinnen an Bedeutung. Dem Menschen sind sein eigenes Glück, sein Wohlstand und seine Wohlfahrt wichtiger. Er fühlt sich als Bestandteil der Gesellschaft, die er mitgestaltet, und von der er ein Teil ist. Er glaubt an die Legitimität unserer Gesellschaft und ihrer Produkte.

Dabei werden die religiösen Werte zurückgedrängt und finden, wenn überhaupt, nur in schlechten Zeiten oder bei unerklärlichen Ereignissen Anklang im Gewissen des Menschen. Bei der Vielzahl der Angebote wird das Leben immer kürzer. Die Zeit (oder das Geld) reicht nicht, um das gesamte Angebot zu leben. Der Mensch muss eine Auswahl treffen, und das macht er meist nutzenorientiert, was in unserer Gesellschaft, die kapitalistisch geprägt ist, im Vordergrund steht.

Für die moderne Gesellschaft und heute stärker werdende Globalisierung ist die gesetzlich schon verankerte Religionsfreiheit von Bedeutung. Diese erlaubt dem Menschen, aus dem Markt der Religionen diejenige auszusuchen, welche ihm am meisten liegt. Eine neue Freiheit ist entstanden. Die Vielfalt der modernen Gesellschaft lässt die Menschen, die darin leben, glauben, dass sie ein Teil davon sind und auf etwas Gutes hinarbeiten.

Die religiösen Ethiken von früheren Zeiten, die dort schon fast absolut waren, sind in unserer modernen Gesellschaft nur noch ein Teil des Angebotes. Sie haben keine dominante Stellung mehr. Andere Werte sind im Laufe der Zeit wichtig geworden. Dennoch haben die religiösen Ethiken immer noch Bedeutung und sind auch wesentlich für das Hervorbringen unserer heutigen Gesellschaft.

Die protestantische Ethik hat dem Kapitalismus die Legitimation zur Produktion von Gütern gegeben, die sich mit der Zeit gewaltig vergrössert hat. Dabei sind auch immaterielle Güter, wie Filme oder Musikstücke, entstanden.

Max Weber

Bild: Politik als Beruf. / PD

Wichtig ist, dass gewisse immaterielle Güter nur dank materiellen Gütern zur Geltung kommen. So kann ein Film ohne die dazu erforderliche Technik, wie zum Beispiel dem Videorecorder, gar nicht konsumiert werden.

Das Gleiche gilt für die Musik, die meist auch ein materielles Produkt wie das CD-Abspielgerät braucht, um in ihren Genuss zu kommen. So war die Produktion von materiellen Gütern auch eine Vorbereitung für die Verbreitung von immateriellen Gütern

Die Vielfalt letzterer gibt dem Menschen neue Ideen und Verhaltensanweisungen, wie er sich in der modernen Gesellschaft zu Recht finden soll. Der Mensch orientiert sich immer mehr über die neu geschaffenen Informationsquellen wie dem Fernseher.

Die moderne Gesellschaft hat ein neues Design bekommen, und weiss es auch den Mitgliedern zu vermitteln.

Es ist ein Konkurrenzkampf um die Menschen entbrannt Die verschiedenen Ideen haben ihre Lobby und Protagonisten, die auf Mitgliederfang gehen. Die Kirche und ihre Dogmen stehen nicht mehr im Mittelpunkt des Lebens. Es braucht andere, neue, der heutigen Gesellschaft angepasste Ideen, um in dieser zu bestehen, in sie einzudringen und sie vollends zu verstehen.

So kann heute durch das Sehen von Filmen vielleicht mehr Integration erreicht werden, als durch das Lesen der Bibel. Die Vielfalt von Schriften aller Art ist dem Menschen in der modernen Gesellschaft viel zugänglicher als in vergangenen Zeiten, was auch eine Errungenschaft des technischen Fortschritts ist.

So ist eine Informationsflut entstanden, die es noch nicht gab, als die protestantische Ethik Fuss in der okzidentalen Welt fasste. Der Mensch wählt in diesem Informationsdschungel aus, was ihm begegnet und interessiert, im Gegensatz zu den alten Zeiten, wo es noch nicht so viele Angebote an Ideen gab, zumindest waren sie dem Volk nicht zugänglich.

Die Übersetzung der Bibel durch Luther ist ein Schritt in diese Richtung der Individualisierung und Selbstverantwortung des Volkes. Der Mensch konnte sich seine eigene Meinung bilden und war nicht mehr abhängig von Experten oder Obrigkeiten. Er war aber doch abhängig von wenigen Schriften, vor allem der Bibel.

Schliesslich ist zu sagen, dass natürlich auch heute noch die Kirche eine wichtige Bedeutung hat. Die Menschen sind aber grösstenteils nicht mehr bereit, sich so stark mit der Bibel und somit auch mit der protestantischen Ethik zu befassen. Andere Dinge werden immer wichtiger, so auch das Alltagsleben, was auch noch heutzutage nicht immer einfach zu bewältigen ist.

So suggeriert zum Beispiel die Werbung, die in unserer Gesellschaft etwas Allgegenwärtiges ist, den Kauf von Produkten und nicht die Einhaltung von religiösen Werten. Die Kirche müsste sich wieder erneuern und sich unserer heutigen Gesellschaft anpassen, um wieder mehr Geltung in unserer Gesellschaft zu erreichen.

Durch die Trennung von Staat und Kirche in der okzidentalen Gesellschaft hat die Kirche an Autorität und Macht verloren. Zudem erwächst ihr auch immer mehr Konkurrenz durch andere Religionen. Trotzdem ist diese Trennung von Staat und Kirche eine Charakteristik der modernen Gesellschaft, und wenige sehnen sich nach alten Zeiten.

Das Mitmachen und Konsumieren ist ein wesentlicher Grund für das Funktionieren unserer modernen Gesellschaft, dass das Arbeiten dazugehört, ist unbestritten, und dazu hat ja die protestantische Ethik viel beigetragen. Dennoch ist die protestantische Ethik, zumindest heutzutage, eher unbewusst in den Köpfen der Menschen. So bestreitet wohl niemand, dass er arbeiten muss. Neu gegenüber den alten Zeiten ist vor allem, dass der Mensch mehr Freizeit hat und sich darin vergnügen will.

Max Weber

Bild: "Der Sozialismus" von Max Weber. / PD

Auch kämpfen vor allem die Arbeiter für kürzere Arbeitszeiten, was der Fortschritt mit seinen Maschinen und die daraus ermöglichte Massenproduktion auch zulassen würde. Die Denkweise hat sich verändert.

Die moderne Gesellschaft und was sie hervorgebracht hat, ist dominant und bestimmt das Leben und die Gesinnung, und nicht mehr die Bibel und ihre Dogmen.

Wobei es uns in dieser modernen Gesellschaft auch relativ gut geht. Bei einer Verschlechterung des Zustandes der modernen Gesellschaft könnten aber die alten religiösen Werte auch des Protestantismus' wieder an Bedeutung gewinnen.

Ist unsere moderne Arbeitswelt zu stark vom Faschismus geprägt, und wie könnte der lutherianische Individualismus dem Einhalt gebieten?

Ein Mensch verbringt etwa einen Drittel seines Tages in unserer heutigen, modernen Arbeitsgesellschaft. Die Frage, wie diese gestaltet ist, stellt sich.

Wir befinden uns in einer hierarchisch geprägten Gesellschaft. Jeder Arbeiter oder Angestellte hat seine Vorgesetzten, und diese haben, zumindest in grösseren Betrieben, wiederum Vorgesetzte. Aber was haben diese Vorgesetzten eigentlich für Kompetenzen?

Sie dürfen dem Arbeiter wohl sagen, was letzterer zu arbeiten hat. Aber darf der Vorgesetzte dem Arbeiter noch mehr vorschreiben? Darf der Vorgesetzte zum Beispiel über die Kleidung der Arbeiter bestimmen, oder ob der Arbeiter ein Piercing tragen darf? Ist es nicht eine Art von Kreaturvergötterung, wenn der Vorgesetzte zu viele Kompetenzen hat?

Das ist ja im Protestantismus nicht erlaubt. So ist dem Vorgesetzten eine Rolle zugeschrieben, an der er sich orientieren kann. Aber eine eigentliche Vorschrift für die Rolle des Vorgesetzten gegenüber dem Arbeiter gibt es nicht. Wir leben in einer Demokratie. Selbstverantwortung und Freiheit sind wichtige Werte. Aber wo finden sich diese Werte in der Arbeitsgesellschaft wieder?

Die Arbeitstätte wird zum Staat im Staat und ist keinesfalls demokratisch geprägt. Das Vorgesetztensystem ist sogar faschistisch beeinflusst. Vorgesetzte können ihre Rolle nicht richtig interpretieren. Sie legen ein selbstherrliches Verhalten an den Tag.

Muss der Arbeiter sich das gefallen lassen? Nach der altprotestantischen Ethik von Luther muss der Arbeiter sich das sicher nicht gefallen lassen. So zitiert Max Weber in seinem Werk über die protestantische Ethik Baxter, einem anderen Vertreter des Protestantismus: …Über die Sündhaftigkeit des Autoritätsglaubens, – der eben nur als unpersönlicher, auf den Inhalt der Schrift gerichteter zulässig ist, – und ebenso der übermässigen Schätzung selbst der heiligsten und hervorragendsten Menschen, – weil dadurch eventuell der Gehorsam gegen Gott gefährdet wird,….

Der Individualismus, das in sich selbst Zurückziehen und eigenen Weg zu Gott finden, widerspricht diesen faschistischen Tendenzen in unserer heutigen Arbeitswelt. Die Arbeitgeber haben klare Vorstellungen, wie sich ihre Arbeiter zu benehmen haben, und setzen diese auch konsequent durch. Der Arbeiter hat nichts zu sagen.

Diese gestellte Freude, dieses korrekte zwischenmenschliche Verhalten oder aber auch Strammstehen vor dem Vorgesetzten hat keine religiöse Motivation und ist faschistoid, und wurde auch im Nationalsozialismus, einer Ausprägung des Faschismus, eruiert. Bedenklich ist, dass in einer Demokratie auf solche Unwerte Bezug genommen wird. Das Unternehmen ersetzt den Diktator. Die Vorgesetzten sind die Funktionäre, nicht einer Demokratie, sondern einer faschistisch orientierten Unternehmung oder Organisation. So muss zum Beispiel der Angestellte in Japan am Morgen vor der Arbeit die Firmenhymne singen.

In Deutschland, wo der von Luther geprägte Protestantismus vorherrscht, besteht ein sehr striktes Kündigungsverbot, welches sich wohl aus Luthers Individualismus entwickelte. Es besteht Hoffnung, dass sich die Gesellschaft auf alte protestantische Werte zurückbesinnt. Wie lange aber dieses Kündigungsverbot noch bestehen bleibt, ist unklar.

So hat niemand vorzuschreiben, wie jemand zu Gott gelangt. Wenn ein Arbeiter sich mit Piercings schmückt und so zu Gott gelangen will, so soll er das. Der Vorgesetzte trägt ja auch eine Krawatte, die ihm schon fast heilig ist. Diese Einmischung in die Privatsphäre ist bedenklich. Es kommen Gefühle auf, die zumindest in Westeuropa zuletzt im dritten Reich vorherrschten. Die Liebe zur Sache, konkret zur Unternehmung, ist eine Weiterführung von protestantischen Werten. Trotzdem: Protestantismus ist nicht Faschismus. So kann der Mensch auch andere Ideale leben. Es ist keine Vorschrift vorhanden, nach welchen Idealen gelebt werden soll. Vor allem andere Ideen (wie zum Beispiel aus der Aufklärungsepoche), die einen Einfluss auf die moderne Gesellschaft haben, können da helfen.

Auch der Bildungsfaschismus ist alltäglich in der heutigen Gesellschaft. Das Jagen nach Zertifikaten, das Lernen bis zum Umfallen ohne praktische Erfahrung, das genaue Schema, in das der Mensch passen muss, widerspricht der Individualisierung, die Luther gepredigt hatte. Die Arbeitswelt hat einen versteckten Faschismus in sich, der uns permanent unterdrückt und seine Lösung unter anderem im Postmaterialismus (in der Selbstverwirklichung) sucht. Ein eigentlicher Heilungsversuch von den Arbeitsbedingungen, der aber nur Symptombekämpfung eines unausgeglichenen Lebens ist.

Der Mensch ist bei der Arbeit nicht mehr sich selber. Er muss sich unterordnen und anpassen. Er kompensiert das mit einem überbordenden, übertriebenen Freizeitverhalten, mit Drogen oder Aggressionen. Die Unterdrückung ist allgegenwärtig. Ein authentisches Leben ist nicht mehr möglich. Die Kluft zwischen Arbeit und Freizeit wird immer grösser.

Das Defizit der Arbeitsbedingungen kann nicht mehr auf vernünftige Weise kompensiert werden. Kriminalität, Drogensucht, und vieles anderes ist eine logische Folge. Vor allem auch unterdrückte gesellschaftliche Gruppierungen (wie zum Beispiel die "Secondos") verfallen solchen Verhaltensweisen.

Der Druck, in dieser Gesellschaft zu bestehen, wird immer grösser und unerträglicher, wie zum Beispiel das "Dopen" im Radsport zeigt. So kann keine Arbeitsmusse entstehen, was einen Sinn hätte, wenn so viel Zeit für die Arbeit investiert wird. Das Schlimme ist, dass der Mensch an diese faschistische Übelkeit glaubt, ihr blind gehorcht, daran gewöhnt ist oder wird. Er kann sich gar nicht mehr vorstellen, wie es sein könnte, wenn die Werte der demokratischen Politik auch unsere Arbeitsgesellschaft bestimmen würden. Wie kann Freiheit propagiert werden, wenn der Vorgesetzte die Kleidung vorschreibt?

Die fehlende Freiheit bei der Arbeit und die Angst vor Kontrolle und Vorgesetzten mündet in eine Konsumwut im Freizeitverhalten. Ein natürliches Leben ist nicht mehr möglich. Die Angst vor Gott löst sich durch die Angst vor dem Vorgesetzten ab, der unter anderem auch die Kompetenz hat, dem Angestellten die Arbeit wegzunehmen. Die Gesellschaft, auch die moderne, ist noch weit weg von idealen Lebensweisen. Es bleibt die Hoffnung auf ideale, für den Arbeiter gute Arbeitgeber, bei welchen die Arbeitsbedingungen noch zumutbar sind.

Max Weber

Bild: Max Weber und Brüder. / PD

Das Bedauernswerte in unserer Gesellschaft ist, dass die natürliche Freundlichkeit der Menschen untereinander von der Gesellschaft absorbiert und in ein Regelwerk gezwängt wird. Die natürliche Freundlichkeit wird zum Muss, so dass dem Menschen diese Freundlichkeit vergeht. Was bleibt, ist das Gestellte. So sollte der Mensch in Ruhe gelassen werden von dieser Reglementierung der Lebensart.

Dass Freundlichkeit eine Norm wird und nicht mehr von sich aus gelebt werden kann, ist ein bedenklicher Zustand. Das wiederum Bedauernswerte daran ist, dass jeder Arbeiter das leben oder adaptieren muss. Auch diese, die noch natürlich so sein können.

Da vergeht die Freude, bei einer solchen unterschwelligen Vorschrift. Für diese, die die Freude nicht mehr haben, ist das vielleicht ein Weg, sie wiederzuerlangen. Aber sie sind dann anfällig auf andere, von der Gesellschaft eingeflösste Werte, wie Gehorsam. Anstatt die Rosinen, wie zum Beispiel Freiheit, herauszupicken und andere Werte zu hinterfragen, übernehmen sie die von den Arbeitgebern angebotenen Werte.

Die Produktion von Gütern wäre auch ohne diesen künstlich geforderten Gehorsam möglich. So soll nicht der Glauben an den Menschen hinterfragt werden, sondern die Maximen unserer heutigen Gesellschaft, die wohl auch historisch bedingt sind. So nimmt der Mensch sicherlich auch Werte auf, die ihm dienen und ihn stärken, auf eine Art, die nicht andere Menschen unterdrücken lässt. Falsche Gedanken, Machtgier, Habgier und Unterdrückung beherrschen unsere Gesellschaft.

Das Schlimme ist, dass kein schlechtes Gewissen unter diesen Menschen herrscht. So sind diese Menschen Unwissende, die sich an die Gegebenheiten der Gesellschaft anpassen und nichts Besseres wissen. Sie leben nach falschen Idealen. Sie funktionieren nur nach den von unserer Gesellschaft suggerierten Regeln.

Zu hoffen ist, dass der Postmaterialismus nicht nur ein Medikament bleibt, sondern sich zu einem bedeutenden Zahnrad der Gesellschaft, aber auch der Berufsgesellschaft entwickelt, so dass Regeln oder eben auch Freiheiten daraus entstehen, nach denen der Mensch auch im Beruf glücklich leben kann. Es ist eine Aufgabe der Soziologie, diesen Prozess einzuleiten, was sicherlich auch einige Soziologen versucht haben, auf dass wir in einer für alle würdige Gesellschaft leben können.

So müssen Kompetenzen klar definiert sein. Solche, die die Freiheit anderer einschränken, wie die Freiheit der Ausübung eines Berufes durch Entlassung, dürfen gar nicht vorhanden sein. Das würde Angst wegnehmen und auch eine bessere Ausführung des Berufes bedeuten. Der Vorgesetzte darf seine hierarchische Eingebundenheit nicht ausnützen.

Er darf dem Arbeiter eigentlich nur im Rahmen der Arbeit also Ratschläge mit sachlichem Charakter erteilen. Alles andere gehört nicht zu den Kompetenzen des Vorgesetzten. Die Selbstherrlichkeit von Vorgesetzten darf keine Legitimation in der Realität finden.

Diese faschistischen Tendenzen gilt es zu bekämpfen. Dies ermöglicht aus theoretischer Sicht auch die protestantische Ethik. Der Individualismus, den Luther einführte, und als Mittel, zu Gott zu finden, gesehen werden kann, wohl das Grösste, was ein Mensch erreichen kann, hilft, den Arbeitgeber in Schach zu halten. Dank dieser Richtung in der Religion hat der Arbeiter ein Argument, sich auch am Arbeitsplatz individuell auszuleben, ohne entlassen oder zurechtgewiesen zu werden.

Sparen und Investieren

Die Prädestinationslehre hat den damals lebenden Menschen sicherlich Angst gemacht. Doch waren es auch andere Ängste, die die Menschen beherrschten. Die Katastrophen im 17. Jahrhundert brachten die Gläubigen dazu, sich den religiösen Werten hinzuwenden.

Auch die Abgrenzung von den Katholiken und die Angst vor Verfolgung – so war der Protestantismus eine neue Religion und in Gefahr, von anderen Konfessionen nicht akzeptiert zu werden – liess die Protestanten die neuen Werte (wie vor allem die innerweltliche Askese) leben, zu vertreten und auch weiterzuverbreiten. So war der schwere Stand, den die Protestanten damals hatten, sicherlich ein wesentlicher Grund für die Einhaltung der protestantischen Ethik, die ihnen neue Hoffnung und Auftrieb in der Gesellschaft gaben.

Wie gross der Einfluss der protestantische Ethik ist oder gewesen ist, ist schwierig zu eruieren. Heutzutage ist es eher ein selbstverständlicher, unbewusster Einfluss.

Die Idee der abstrahierten Nächstenliebe, das sorgfältige Arbeiten, findet sich in der modernen Gesellschaft wieder. So mahnt der Ausspruch "Der Kunde ist König" zur Einhaltung der Pflichten, welche die protestantische Ethik vertritt. Regeln, die die protestantische Ethik eingeführt hat und sich in der Verkaufsethik mit diesem Spruch wiederfindet.

Doch durch die Trennung von Staat und Kirche sind andere Werte in den Vordergrund getreten. Die religiöse Legitimation des Anhäufens von Kapital unter bestimmten Bedingungen (innerweltliche Askese) hat sicherlich Einfluss auf unsere heutige Wirtschaft und ihre Produktivität. Wie gross der Einfluss ist, kann nicht genau gesagt werden. Andere Ideen, zum Beispiel aus den Epochen des zweiten Jahrtausends (wie zum Beispiel Gedanken aus der Aufklärung), hatten wohl auch einen grossen Einfluss.

Zu den zwei Funktionen Sparen und Investieren, die der Protestantismus, genauer der Calvinismus, legitimiert hat, könnte man folgende Überlegungen machen: Die Funktion des Sparens ist geblieben. Das Sparen steht in der heutigen Gesellschaft hoch im Kurs. Das Investieren hat sich jedoch aus Sicht der protestantischen Ethik gewandelt.

Der Geschäftsmann investiert nicht mehr nur noch in die eigene Firma. Es ist bei den hohen Kapitalanhäufungen gewisser Geschäftsmenschen oder Unternehmer auch nicht mehr nötig, um die Wirtschaft in Gang zu halten.

Der Verwendungszweck des ersparten Kapitals hat sich verändert. Anstatt in die Firma zu investieren, wird in das eigene Leben investiert oder auch in Sportklubs. Luxusartikel werden hergestellt und bilden ihren eigenen Markt. Die reichen Menschen leben in Luxus. Sie sind reich und werden es mit grosser Wahrscheinlichkeit auch bleiben.

Dennoch könnten die Funktionen Sparen und Investieren mit Bezug zur protestantischen Ethik auch heute noch neuen Unternehmensgründern vor allem aus dem Mittelstand helfen, erfolgreiche Geschäftsmenschen zu werden.

Da heute Geld auch nur mit Geld verdient werden kann, ist eine neue Dimension des Geldanschaffens entstanden, was nicht unterschätzt werden sollte. Mit genug Kapital kann an den Börsen bis jetzt zumindest sehr viel Geld ohne wirkliche Arbeit verdient werden. Zum Teil profitiert auch der Arbeiter davon (Pensionskassen). Um an dieses Geld zu kommen, muss der mögliche Investor sich anpassen an die Gesetzte der Arbeitswelt.

Nur ein der Arbeitwelt Angepasster hat die Chance, einen Kredit zu bekommen. Auf der anderen Seite hat ein Angestellter die Möglichkeit, durch eine Karriere, in der er Vorgesetzter wird und weiter aufsteigt, an Personen zu gelangen, die ihm helfen, ein selbstständiger Geschäftsmensch zu werden. Er kann so die Seiten wechseln und von einem Fachmenschen zu einem Geschäftsmenschen werden.

Damit sind wir bei der dritten Fragestellung "Ist unsere moderne Arbeitswelt zu stark vom Faschismus geprägt, und wie könnte der lutherianische Individualismus dem Einhalt gebieten" angelangt. Eine Verbesserung der Arbeitsverhältnisse wäre zu begrüssen. Der Diktatur in der Arbeitswelt sollte Einhalt geboten werden.

Bei einer Zulassung der Individualisierung von Arbeitern könnten auch Fachmenschen, die nicht so angepasst sind, eine Gelegenheit bekommen, in die Geschäftswelt einzudringen, was die Innovationsressourcen vergrössern könnte.

Zumindest würde die Individualisierung ein glücklicheres Arbeiten hervorbringen. Jeder ist Teil oder Bürger unserer Gesellschaft, und es sollte ein Axiom sein, dass alles gemacht wird, dass jeder glücklich wird und seine Bedürfnisse wiederfindet in der Gesellschaft und eben auch in der Arbeitswelt.

Dimitri Dübendorfer

Bibliographie:

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Weber, Max (1982/1994): Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. In: Hg. Wagner, Gerhard: Max Webers Wissenschaftslehre: Interpretation und Kritik. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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