Elfenbein-Handel kostet 35.000 Elefantenleben pro Jahr Kurz vor dem Aussterben?

Gesellschaft

In den letzten Jahren nahm die illegale Elefanten- und Nashorn-Jagd in Afrika neue Dimensionen an. Für ihr Elfenbein und ihr Horn wurden weit über 150.000 Elefanten und tausende Nashörner getötet.

Konfisziertes Elfenbein wird in New York bei einer öffentlichen Aktion im Juni 2015 geschreddert.
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Konfisziertes Elfenbein wird in New York bei einer öffentlichen Aktion im Juni 2015 geschreddert. Foto: Kelsey Williams - FWS (CC BY 2.0 cropped)

15. Juli 2016
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Geht das Abschlachten in diesem Masse weiter, werden Elefanten und Nashörner in 15 Jahren ausgestorben sein. Denn Elfenbein und Horn ist mittlerweile wertvoller als Kokain und Diamanten. Doch es gibt auch erste kleine Hoffnungsschimmer im Kampf gegen die Wilderei.

Die Elefanten- und Nashornpopulation Afrikas steht kurz vor der Ausrottung. Über die letzten Jahre kam es zu einem drastischen Anstieg der Wilderei. Gab es 1979 noch 1,3 Millionen Elefanten in Afrika, verbleiben heute noch 300.000 bis 400.000. Und von diesen werden jährlich 35.000 getötet. Das ist ein Elefant alle 15 Minuten. Dabei werden ihnen teilweise bei lebendigem Leib die Stosszähne entfernt, teilweise werden sie mit Maschinengewehren niedergemäht oder ihr Nachwuchs wird verwundet, damit die erwachsenen Tiere nicht fliehen. Geht dieser Massenmord so weiter, wird es in 15 Jahren keine Elefanten mehr geben – so Experten. Und nicht besser sieht die Situation bei Nashörnern aus. So hat beispielsweise das letzte männliche nördliche Breitmaulnashorn letztes Jahr eigene Bodyguards bekommen, die es 24 Stunden am Tag beschützen.

Nachfrage nach Elfenbein und Nashörnern in Asien

Befeuert wird dieses Abschlachten durch den wachsenden Reichtum der Eliten in asiatischen Ländern – vor allem China, aber auch in Thailand, Japan und Vietnam. Hier gelten Schnitzereien und Schmuck aus Elfenbein als Kunst und Statusobjekt. Durch den rasanten Preisanstieg gilt Elfenbein mittlerweile als Investitionsobjekt und in kriminellen Kreisen gar als Währung. Nashorn gilt in Teilen Asiens als Wundermittel gegen Krebs, Impotenz und andere Krankheiten. Dabei macht es den KonsumentInnen scheinbar nichts aus, dass Nashorn aus dem gleichen, medizinisch nicht wirksamen Stoff besteht wie menschliche Fingernägel oder Haare. Die steigende Nachfrage sorgte dafür, dass Nashorn mittlerweile wertvoller ist als Kokain, Diamanten oder Gold. Diese Wertsteigerung zieht umso mehr das organisierte Verbrechen an und sorgt dafür, dass immense Summen zur Bezahlung von Schmiergeldern, Kleinkriminellen und Wilderern bereitstehen. Es gibt sogar Berichte angesehener Zeitungen, die chinesische und vietnamesische Botschaftsangehörige mit dem Schmuggeln von Elfenbein und Nashorn in Verbindung bringen.

Korruption und Armut

Der rasante Anstieg der Wilderei ist dabei nicht nur durch das organisierte Verbrechen und die Nachfrage der KonsumentInnen bedingt. Als Erfüllungsgehilfen sind korrupte politische Eliten, Polizeieinheiten, Wildhüter und Grenzbeamte anzuführen. Ohne ihre Komplizenschaft hätten die Wilderer weitaus grössere Probleme, die Elefanten oder Nashörner in der Wildnis überhaupt zu finden. Auch vermieten korrupte Polizisten teilweise Waffen an Kriminelle oder transportieren das Schmuggelgut. Und ohne das gekaufte Stillschweigen von Polizei- und Grenzbeamten könnten das Elfenbein und Hörner gar nicht aus dem Landesinnere abtransportiert und über die Häfen nach Asien geschmuggelt werden.

Die immensen Geldsummen verführen jedoch auch einige der Bewohner in den ländlichen Gebieten. Die Aussicht, schnell viel Geld zu verdienen, erscheint verlockend, wenn das durchschnittliche Jahreseinkommen bei wenigen hundert US-Dollar liegt. Das Problem dabei ist, dass die ländliche Bevölkerung oftmals nicht von lebenden Elefanten oder anderem Grosswild profitiert. Während für Touristen das Herz beim Anblick eines Elefanten vor Bewunderung und Zuneigung schneller schlägt, schlägt es bei den Bewohnern der ländlichen Gegenden aus Angst um den Gemüsegarten und die nächste Ernte schneller.

Tierschutz: Einbeziehung der lokalen Bevölkerung – eine Lösung?

Dabei gibt es Ansätze, um die ländliche Bevölkerung an den Tourismuseinnahmen und somit am Wert des Grosswilds teilhaben zu lassen. So wird beispielsweise in Namibia seit nunmehr 25 Jahren ein Ansatz verfolgt, bei dem die ländlichen Gemeinden grosse Verantwortung zum Schutz der Natur und der Wildtiere tragen. Im Gegenzug für ihre Dienste als Naturschützer dürfen sie das Wild dann eigenständig touristisch vermarkten. Mitunter wurden ehemalige Wilderer zu Rangern, die ihr Wissen heute zum Schutz der Wildtiere einsetzen.

In Namibia feiert dieser Ansatz grosse Erfolge. So hat sich die Anzahl der Elefanten seit 1980 verdreifacht und sogar der Bestand seltener Spezies hat sich sehr gut erholt. Allerdings gibt es auch problematische Aspekte. So profitieren die ländlichen Gemeinschaften noch zu wenig von den Einnahmen aus der touristischen Nutzung des Wilds. Teilweise werden sie sogar von ihren Geschäftspartnern aus der Tourismusindustrie über den Tisch gezogen. Ebenfalls besteht in vielen ländlichen Gemeinden das Problem der Konflikte zwischen Mensch und Tier fort. Die ländlichen Gemeinden erhalten zu wenig Unterstützung um sich und ihre Landwirtschaft vor dem Grosswild zu schützen. Dies ist nicht nur ein Problem, da Grosswild die Ernten auffrisst, sondern vor allem, da es mitunter auch zu Todesfällen durch Wildtiere kommt.

Ebenso steht in Frage, ob dieser „namibische Ansatz“ auch für Kenia und Tansania in Frage kommt. Denn in diesen Ländern ist die Wilderei ein grösseres Problem, wodurch der Schutz der Tiere mit noch höheren Kosten verbunden ist und nicht allein den ländlichen Gemeinschaften auferlegt werden kann. Allerdings steht ausser Frage, dass die Wilderei-Problematik nur durch eine Einbeziehung der ländlichen Bevölkerung bekämpft werden kann. Und auch nur, wenn die ländlichen Gemeinschaften vom touristischen Wert der Wildtiere stärker profitieren.

Gibt es noch Hoffnung?

Während die aktuellen Zahlen alles andere als hoffnungsfroh stimmen, scheint es in Kenia und Tansania leichte Hoffnungsschimmer zu geben. So berichtet eine Umweltschutz-Aktivistin aus Kenia über Erfolge. Seit 2013 sei die Zahl der durch Wilderei getöteten Elefanten um 80% und der von Nashörnern um 90% zurückgegangen. Inwiefern dieser Erfolg jedoch nur kenianischen Gegenmassnahmen zuzuschreiben ist, steht in Frage. So wird argumentiert, dass Wilderer vermehrt nach Tansania weiterziehen, da es hier schlicht noch mehr Elefanten gibt und mit weniger Aufwand ein Lastwagen voller Elfenbein zu füllen ist. So verlor Tansania zwischen 2009 und 2014 60% seiner Elefantenpopulation. Und für die südafrikanischen Staaten sehen die Zahlen nicht besser aus.

Mozambique verlor im gleichen Zeitraum 50% seiner Elefantenpopulation. Wurden 2007 noch 13 Nashörner in Südafrika von Wilderern getötet, stieg diese Zahl kontinuierlich an, um 2014 auf über 1.200 (!) zu steigen. Und für das erste Halbjahr 2015 wurden ähnliche Zahlen gemeldet. In Simbabwe sind heute noch lediglich 750 Nashörner von einst über 2000 übrig (1980). Und selbst die Erfolgsgeschichte Namibias droht in Gefahr zu geraten. Wurden zwischen 2009 und 2013 nur 9 Nashörner gewildert, so wurden allein 2014 25 Nashörner durch Wilderer getötet.

Ein kleines Hoffnungszeichen kommt allerdings vom derzeit grössten Schlachtfeld. In Tansania hat sich 2015 eine Bürgerkampagne (mit über 60.000 Followern auf Facebook) zusammengeschlossen, um die Regierung gegen den Elfenbeinschmuggel zu mobilisieren. Die Kampagne hat schon erreicht, dass der Naturschutz zu einem Thema im jüngsten Präsidentschaftswahlkampf wurde. Zahlreiche tansanische WissenschaftlerInnen, Prominente, AkademikerInnern, Journalisten und WirtschaftsführerInnen unterzeichneten zudem einen offenen Brief an den neuen Präsidenten John Pombe Magufuli. Diese Kampagne macht Mut, denn Magufuli scheint ein Präsident zu sein, der auf die Bedürfnisse des Volkes achtet und der Korruption schon mit einigen Massnahmen den Kampf angesagt hat (deutscher Text: Magufuli – der Bulldozer). In seiner Antrittsrede kündigte Präsident Magufuli Massnahmen gegen korrupte Beamte des Naturschutzministeriums an, um dem von Eliten unterstützten Schmuggel Einhalt zu gebieten.

So positiv diese Entwicklungen in Tansania erscheinen, sind sich Experten einig, dass es verstärkte und abgestimmte Bemühungen in allen genannten Staaten bedarf. Andernfalls würden die Wilderer nur in Nachbarstaaten weiterziehen und darauf hoffen, dass der Natur- und Wildschutz unter einer zukünftigen Regierung wieder vernachlässigt wird.

Nachfrage stoppen!

Nashörner ziehen seit 50 Millionen Jahren durch die Grassavannen des afrikanischen Kontinents. Elefanten seit über 7 Millionen Jahren. Und während Forschungsgruppen an der „Wiederauferstehung“ des Mammut forschen, steht die Menschheit kurz davor Elefanten und Nashörner auszurotten. Um der Wilderei und dem Massensterben Einhalt zu gebieten, gibt es nur eine Möglichkeit: Die Nachfrage nach Hörnern und Elfenbein muss gestoppt werden. Bleibt die Nachfrage und damit der Preis dieser Güter weiterhin hoch, so werden immer mehr Wilderer und Kriminelle nachkommen – ganz unabhängig wie viele von ihnen im Krieg gegen die Wilderei getötet werden. Denn Wilderer und organisierte Kriminelle wird es immer geben, wenn nur der Preis stimmt, für den sie sich in Gefahr begeben. Das zeigt die Erfahrung aus dem sogenannten Krieg gegen die Drogen.

Gleichzeitig müssen die ländlichen Gemeinschaften vor Ort mehr von den Wildtieren, d.h. vom Tourismus profitieren. Dadurch würden sie zu dauerhaften Verbündeten im Kampf gegen Wilderei. Eine solche Kombination aus geringeren Anreizen durch geringere Nachfrage einerseits und einen besseren Schutz der Wildtiere durch die verstärkte Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften andererseits, ist als einzige und vielleicht letzte Chance anzusehen, die Elefanten und Nashörner Afrikas vor dem Aussterben zu bewahren.

Nico Beckert
zebralogs.wordpress.com