Niederländer demonstrieren Leichtigkeit der Daten-Spionage Vorbild NSA: Zwischen Kunst, Protest und Hacking

Digital

Eine niederländische Gruppe von Internetaktivisten demonstriert, wie einfach das Erlangen persönlicher Daten über das Internet ist.

Auf Basis einer algorithmischen Auswertung werden Ideen für passende Geburtstagsgeschenke präsentiert.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Auf Basis einer algorithmischen Auswertung werden Ideen für passende Geburtstagsgeschenke präsentiert. Foto: visualpanic (CC BY 2.0 cropped)

22. März 2016
0
0
4 min.
Drucken
Korrektur
Unter dem Projekt „National Birthday Calendar“ baut die gemeinnützige Organisation Medialab „Setup“ eine Datenbank auf, die Namen, Adressen, Geburtstage und etliche weitere Angaben zu vielen niederländischen Bürgern enthält.

Die Aktivisten verstehen sich selbst als eine Gruppe von kreativen Programmierern, Künstlern und kritischen Aktivisten. In Zeiten rasanten technischen Fortschritts will „Setup“ den Menschen helfen, die ständig neuen technischen Möglichkeiten zu verstehen und sich diesbezüglich eine Meinung zu bilden.

Ausgangspunkt ihrer neuesten Unternehmung war die simple Frage, wie schwer es sein würde, eine Datenbank über alle niederländischen Staatsbürger aufzubauen. Die scheinbare Leichtfüssigkeit, mit der Regierungen und Konzerne im grossen Stile Daten über ihre Bürger beziehungsweise Kunden sammeln, motivierte „Setup“. Das Kollektiv sah sich berufen, dieser Praxis einmal eigenhändig nachzugehen und so das allgegenwärtige Bestreben zum Sammeln grosser Datensätze aufzuzeigen. „Nationaler Geburtstagskalender“ demonstriert die Leichtigkeit des Datensammelns

Der Clou am „National Birthday Calendar“ der selbsternannten „Do-it-yourself-NSA“: Er hilft nicht nur, sich an Geburtstage zu erinnern. Zusätzlich werden Ideen für passende Geburtstagsgeschenke präsentiert, auf Basis einer algorithmischen Auswertung der im Netz gefundenen Vorlieben der Gelisteten.

„Our calendar increases happiness and supports attentive people spread their love“ verspricht das Kollektiv. Um ungewollten Geschenken den Kampf anzusagen, wurde der Service durch Tests und Weiterentwicklungen optimiert. So wurde die Datenbank ausgebaut, man trat in Verbindung mit Online-Shops und integrierte einen Link zum Senden von Online-Grusskarten.

Die Aktion soll den Menschen die Zugänglichkeit und Bedeutung der riesigen (persönlichen) Datenmengen bewusst machen. Freilich dient er vielmehr der Demonstration der umfassenden Möglichkeiten des Datensammelns und weniger als tatsächlicher Geburtstagskalender. «Our goal is to create public awareness, so we are now selling the project as a fictional service called „The National Birthday Calendar.“ […] In this session we share what we gathered, talk about the public's reaction, and ask the bigger questions: how can we spark people's interest in the way Big Data is invisibly changing their lives.»

Vom Telefonbuch zu Datingwebseiten

Mit dem Zusammentragen der Daten waren 20 Experten vier Wochen lang beschäftigt, indem sie im Netz verschiedenste persönliche Informationen erhackten. Die Hacker waren dabei oftmals überrascht, hinsichtlich der einfachen Verfügbarkeit und grossen Menge der gefundenen Daten.

Auf dem South by Southwest Festival in Austin stellte die gemeinnützige Organisation ihre Aktion nun in einer Präsentation mit dem Titel „DIY NSA: Our Dubious Database of all the Dutch“ vor und erläuterte Details zur Entstehung. Zeit Online berichtet über die drei Phasen des Projekts „National Birthday Calendar“.

In der ersten Phase holten die Aktivisten von „Setup“ die nötigen Befugnisse von offiziellen Stellen ein. Zusammen mit Datenschützern und Behörden legten sie Grundregeln für ihr Projekt fest. So durften die Daten keine empfindlichen Informationen wie sexuelle Orientierung, Hautfarbe oder ähnliche identifizierende Merkmale enthalten. Weitere Voraussetzung war die ausschliessliche Beschaffung über öffentliche Quellen und nicht etwa durch kriminelle Hacks. Ausserdem durfte das Projekt nicht öffentlich online abrufbar sein, sondern musste auf einem verschlüsselten Server liegen.

Die zweite Phase war die Suche nach Unterstützern. Während drei Hackathons fand man kompetente Mitstreiter. Programmierer und Hacker wurden damit beauftragt, Webseiten auf persönliche Daten zu untersuchen. Auch im Umgang mit Suchmaschinen versierte Menschen waren willkommen. Das Filtern der Daten nach Relevanz war dabei anspruchsvoller als das eigentliche Aufspüren.

In der dritten Phase ging es dann ums eigentliche Datensammeln. Über 17 Millionen Niederländer sollte möglichst viel herausgefunden werden. Ausgangspunkt der Sammlung war eine bestehende Datenbank, das Telefonbuch. Ausgehend davon vertiefte man die Suche via Facebook, Twitter und LinkedIn bezüglich Adressen, Geburtstage, Arbeitgeber und Hobbys der Bürger. Durch Portale wie archive.org konnten auch auf ältere Informationen zugegriffen werden. Viele persönliche Angaben wurden zudem durch Datingwebseiten ersichtlich.

In der Schnittstelle zwischen Kunst, Protest und Hacking verortet, zeigt dieses Projekt, wie porös die verschiedenen Sammelbecken von sensiblen Informationen im Netz sind. Der „National Birthday Calendar“ ist eine gelungene Demonstration der zunehmenden Gläsernheit der meisten Internetnutzer. Es bleibt zu hoffen, dass die Intention des Projektes bei den Bürgern ankommt und ein Überdenken der oft unbedachten Zurschaustellung von Persönlichem im Internet erwirkt.

Jonas Klaus
netzpolitik.org

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.