Tötende Maschinen oder Menschen, die töten? Finaler Rettungsroboter

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Bei einem Polizeieinsatz in Dallas wurde am Freitag ein Heckenschütze getötet. Ein Bombenentschärfungsroboter wurde ferngesteuert und mit einer Sprengladung versehen, durch die der Schütze ums Leben kam. Neue technische Möglichkeiten stellen unsere gesellschaftlichen Normen und unsere Gesetze vor Herausforderungen.

Ein Roboter eines ähnlichen Typs wurde in Dallas mit dem Sprengsatz versehen.
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Ein Roboter eines ähnlichen Typs wurde in Dallas mit dem Sprengsatz versehen. Foto: Jay Tamboli (CC BY 2.0 cropped)

13. Juli 2016
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Im Laufe eines Protestzuges der Black-Lives-Matter-Bewegung sind am letzten Freitag in Dallas mehrere Menschen ums Leben gekommen. Ein Heckenschütze hatte während eines Protestzuges von einem Parkhaus aus auf neun Polizisten und zwei Zivilisten geschossen, fünf der Polizisten wurden dabei getötet. Daraufhin versuchte die Polizei den Mann zu überwältigen, der Schütze wurde dabei durch eine gezielte Sprengung ums Leben gebracht.

Dieses Vorgehen sorgte für ein grosses Medienecho. War es wirklich notwendig, den Schützen zu töten? Eine ebenso grosse Diskussion dreht sich um die Art und Weise des Vorgehens. Die Polizei setzte in Zusammenarbeit mit dem FBI einen Bombenentschärfungsroboter des Typs F-5 der Firma Remotec ein, um eine Sprengladung in die Nähe des Schützen zu bringen. Durch die folgende Detonation starb dieser.

Der letzte oder einfachste Ausweg?

Bei der rechtlichen Beurteilung des Falls gibt es Experten, die keine Probleme sehen. Es wurde zwar nicht aus Notwehr gehandelt wurde, aber um die starke Bedrohung weiterer Leben zu verhindern, sei tödliche Gewalt gerechtfertigt gewesen. Wie diese tödliche Gewalt aussieht, sei durch das amerikanische Recht nicht weiter bestimmt, so Seth Stoughton von der University of California. Ob diese Einschätzung am Ende wirklich stimmt, werden wahrscheinlich amerikanische Gerichte klären müssen. Nichtsdestotrotz wird diskutiert, ob die Benutzung eines Roboters nicht prinzipiell andere ethische Überlegungen notwendig macht.

Der Polizeichef von Dallas bezeichnete die Sprengung als „last resort“, also als letzten Ausweg, um andere Leben zu retten. Vorherige Verhandlungen sollen zwar gescheitert sein, dennoch stellt sich die Frage, ob nicht auch andere Wege zu einer Minimierung der Gefahr geführt hätten. Man kann befürchten, dass der Einsatz von solchen technischen Hilfsmitteln für eine andere Risikoeinschätzung sorgt. Wenn man die Wahl zwischen einem ferngesteuerten Roboter und einem anderen Szenario hat, in dem sich ein Beamter in nähere Gefahr begeben müsste, wäre der Roboter dann schon der letzte Ausweg? Auch wenn die andere Option den Täter eventuell am Leben lassen könnte?

Tötende Maschinen oder Menschen, die töten?

Bereits im letzten Sommer gab es einen Zwischenfall, in dem die Polizei von Dallas versuchte, zu einem Van zu gelangen, in dem Sprengstoff vermutet wurde. Auch hier wurde einer ihrer drei Roboter der Firma Remotec benutzt. Der Firmenchef des Marktkonkurrenten Robotex, John Ivers, zeigte sich nun über den tödlichen Gebrauch dieser Art von Roboter bestürzt. Sie seien gebaut, um Leben auf beiden Seiten zu retten. Es sei schrecklich, so etwas mit Robotern zu tun. Muss man nun auch bei diesen Herstellern umdenken? Sollten ihre Mitarbeiter ab jetzt erwarten, dass ihre Produkte nicht nur zur Abwehr, sondern auch zur Ausführung von Gewalt benutzt werden?

Was wäre zudem, wenn wir ein paar Jahre in die Zukunft schauen. Anstatt einer Sprengladung könnte eine von einer Software gesteuerte Pistole an dem Roboter angebracht sein. Die Software würde also autonom entscheiden, wann und wohin sie schiesst. Würden wir dann immer noch die gleichen rechtlichen Bedingungen stellen? Schon jetzt gibt es Munition und Gewehre, die durch Software die Schussgenauigkeit extrem erhöhen.

Die Markierung des Ziels muss zwar noch manuell vorgenommen werden, könnte aber auch durch Software erfolgen. Die Grenzen zwischen autonomen Geschützen und menschlichen Schützen fangen also schon jetzt an zu verschwimmen. Als Gesellschaft müssten wir uns fragen, ob es diese Grenze gibt, wo wir sie setzen wollen und was sie bedeutet.

Die Militarisierung der Polizei verstärkt das Problem

Man muss allerdings auch erwähnen, dass viele amerikanische Polizeieinheiten ein grosses Ausmass an militärischer Ausrüstung zur Verfügung haben. Das Verteidungsministerium kann überschüssiges Equipment verteilen und gebrauchtes Equipment an lokale Polizeieinheiten verkaufen. Es gibt viele Bedenken, dass gerade bei oft nicht ausreichend ausgebildeten Beamten die Hemmschwelle sinkt, diese Geräte zu benutzen. Ein vergleichbares Programm gibt es in Deutschland allerdings nicht.

Auch wenn in Deutschland der Schusswaffengebrauch der Polizei weitaus seltener als in den USA erfolgt, gibt es vergleichbare gesetzliche Regelungen. In 13 von 16 Bundesländern gibt es Regelungen zum „finalen Rettungsschuss“, der in bestimmten Umständen die gezielte Tötung durch die Polizei erlaubt. In den restlichen drei Ländern (Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein) kann eine gezielte Tötung allerdings ebenso mit dem Prinzip des Notstandes gerechtfertigt werden. Und auch in Deutschland ist der Gebrauch von ähnlichen Robotern beispielsweise beim Kampfmittelräumdienst gang und gäbe.

Trotzdem scheint wegen der unterschiedlichen Ausstattung der Polizeien ein ähnliches Szenario in Deutschland unwahrscheinlicher. Dennoch, eine frühzeitige Diskussion, über welche technischen Möglichkeiten die Polizei verfügen soll und wie sie diese einsetzen darf, ist angebracht.

Hendrik Obelöer
netzpolitik.org

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.