Robotik und Automatisierung Jobs – KI = Sozialkollaps

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Künstliche Intelligenz (KI) wird in den nächsten zwei Dekaden die Mehrzahl unserer Arbeitsplätze ersetzen. Mehrzahl heisst “mehr als die Hälfte”.

Jobs – KI = Sozialkollaps.
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Jobs – KI = Sozialkollaps. Foto: Steve Jurvetson (CC BY 2.0 cropped)

28. November 2016
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Keine bisherige technologische Revolution hatte eine derartige Wirkung auf die Gesellschaft. Nicht annähernd. Darum sind alle etwas verwirrt, und wissen nicht, was zu tun ist. “Weiter so”. Und wohin?

Wieso sind wir ausgerechnet heute an einem technologischen Scheidepunkt? So eine Hypothese wäre zu jedem anderen historischen Zeitpunkt lächerlich, wieso ist sie es heute nicht? DieserArtikel illustriert das auf perfekte Weise, dennoch empfehle ich ihn nur hartgesottenen wissenschaftlich Interessierten zum Lesen. Eine Wissenschaftlerin berichtet da über Entwicklungen in ihrem sehr fokussierten Spezialgebiet und erwähnt dabei jeden Punkt, der unsere Zeit zu einer einzigartigen machen. Die künstliche Intelligenz kommt da fast erst zum Schluss.

Eine Schleife, gebunden aus Software

Ihre Entwicklung – KI – ist die Königsdisziplin der Software-Entwickler. Die Entwicklung von Software profitiert von nichts auch nur im Entferntesten so massiv wie von entwickelter Software. Wenn Programmierer Programme programmieren, verwenden sie bei ihrer Arbeit einen byzantinischen Dschungel aus Software. Sie verwenden Software, die ihren Programmcode farblich markiert, damit sie schneller relevante Code-Stellen sehen, Software, die ihnen hilft, Fehler zu finden, Software, die ihnen automatisch ihren Code vervollständigt, während sie tippen usw.

Aber viel wichtiger: die Software, die sie schreiben, verwendet grösstenteils Software, die andere vorher geschrieben haben. Fast alle Programmierer fügen immer nur im Verhältnis winzige Mengen eigenen Codes ein. Bei jedem modernen Programm liegt der Anteil des extra dafür geschriebenen Codes maximal im niedrigen Promille-Bereich. Und das, worauf Programmierer zurückgreifen können wächst mit bereits rasender und dennoch stark beschleunigender Geschwindigkeit. Jeder fügt immer nur noch ein bisschen hinzu und schafft damit für andere enorm Nützliches. Grosse Firmen wie Google unterstützen diesen Prozess massiv, in diesem Fall vermutlich um das Web vor dem Angriff der Apps zu verteidigen. Denn das Web ist Googles goldene Gans.

Alleine dieser Punkt der immer effizienteren Software-Entwicklung wird schon einen stattlichen Batzen Jobs killen, und würde alleine wahrscheinlich reichen, unsere Gesellschaft ordentlich durchzuschütteln. Doch es kommt noch erheblich dicker. Ich habe in meiner Promotion mit künstlichen neuronalen Netzen gearbeitet. Das sind die wichtigsten Motoren der gegenwärtigen Durchbrüche in der künstlichen Intelligenz. Die Dinger sind ziemlich schwer zu beherrschen. Doch dabei hilft die zuvor erwähnte Beschleunigung der Software-Entwicklung.

Wolken sind der Software Himmel

Und sie brauchen ziemlich viel Rechenleistung um interessante Dinge zu tun. Weder Studenten noch für Firmen arbeitende Programmierer können mal eben beliebige Rechenleistungen abrufen, die sie aber nur in einem Promille ihrer Arbeitszeit benötigen. Können sie doch. Das Zauberwort heisst Cloud-Computing.

Amazon hat wie Google das Problem, einen riesigen Berg Rechenleistung zu managen und immer da verfügbar zu machen, wo er gerade gebraucht wird. Da kann nicht der Administrator der Suche mal ein paar Rechner mehr geben, weil gerade mehr gesucht als gemailt wird. Der Administrator wäre dazu viel zu langsam und unzuverlässig. Das geht automatisch. Und Amazon, eine der geschäftstüchtigsten Firmen dieses Planeten, hat erkannt, dass das ein wichtiges Problem ist und ein Riesen-Geschäft daraus gemacht.

Viele Daten und viel Intelligenz

Und jetzt kann die Autorin des oben verlinkten Artikels mal eben beliebige Rechenleistung abrufen um ein paar Gene mit dem auftreten von ein paar Molekülen zu korrelieren und kann dafür auf einen Riesen-Berg Daten (Zutat Nummer drei nach mehr Software und Cloud-Computing: Big Data) zurückgreifen. Denn einen Riesen-Berg Daten braucht man um ein künstliches neuronales Netz zu trainieren.

Das sind drei Zutaten für eine Software- und Gesellschafts-Revolution. Und die Autorin nennt auch noch die vierte Zutat für den kommenden Boom künstlicher Intelligenz und Bust für den Rest der Wirtschaft: künstliche Intelligenz. Denn was anderes sollte eine KI Forscherin für die Entwicklung der KI verwenden als KI? Wie ich bereits erwähnte ist die Beherrschung künstlicher neuronaler Netze ziemlich schwierig. Ein bisschen KI wäre da schon sehr hilfreich, das muss erst mal gar keine besonders clevere KI sein um mit dem Balancieren dieser Netze zu helfen. Und die KIs werden ja langsam cleverer – der geneigte Leser möge diese Entwicklung mit der der Software-Entwicklung vergleichen. Vielleicht haben wir auch noch dreissig, vierzig Jahre, bis die KIs so richtig clever werden, aber wahrscheinlich eher nicht.

Doch das ist auch egal. Selbst vierzig Jahre wären für so eine Umwälzung sehr wenig Zeit. Wir sollten sicherheitshalber eher mit 15 rechnen. Und dann?

Berufe, die hauptsächlich mit dem Umgang mit Menschen zu tun haben, werden vermutlich am wenigsten betroffen sein – Lehrer, Kinder-, Alten- und Kranken-Betreuung usw. Trotzdem werden auch diese Berufe betroffen sein, da alle effizienter werden (Roboter, Expertensysteme, Online-Unis und -Lehrmaterial). Am schnellsten und härtesten dürfte es Logistik und Produktion treffen.

Automatisch vom Reissbrett bis zum Kunden

Logistik ist Amazons Spezialität (neben Cloud-Computing). Amazon hat vor drei Jahren eine Firma gekauft, die Lager-Roboter baut und beginnt jetzt, seine Lager zu automatisieren. Das erlaubt es mehr und dezentralere Lager zu haben, die deutlich schneller und billiger sind als solche, in denen Menschen arbeiten. Amazon hat auch vor einiger Zeit mit Tests von Liefer-Drohnen für Artikel bis 2,5Kg (90% von Amazons Lieferungen) begonnen und baut diese aus.

In Singapur, Helsinki und Berlin starten nun die ersten Tests mit autonomen Taxen und Bussen (Personen-Transport ohne Personal-Einsatz). Mercedes testet bereits seit längerem seine selbstfahrenden LKWs in den USA und bereitet Tests in Europa vor. Alle relevanten Firmen kündigen vollautonomes Fahren bis ca. 2020 an. Das mag auch etwas länger dauern und die Regulierung wird das besonders hierzulande noch deutlich verzögern, aber 5 Jahre mehr oder weniger für den häufigsten Job unserer Gesellschaft – Fahrer – ist nichts, um darüber in Lethargie zu verfallen. Die Automatisierung der Logistik bringt es mit sich, dass für jeden Artikel jederzeit Position und Bestimmung bekannt sind, was weiteres grosses Optimierungs-Potential erschliesst – ein perfektes Betätigungsfeld für künstliche Intelligenz.

Adidas verlagert einen Teil seiner Schuh-Produktion wieder nach Deutschland – statt billiger Bengalen werden die Schuhe hier von noch billigeren Robotern gefertigt. Dies ist ein Pilot-Projekt einer weiteren Revolution: der Kommodifizierung der Produktion.

Moderne Produktions-Robotor werden immer flexibler und einfacher einzusetzen sein. Es wird immer einfacher und billiger, Produktions-Prozesse kurzfristig umzustellen. Die immer breitere Verfügbarkeit von industriellen 3D-Druckern tut ihren Teil für die Flexibilisierung der Produktion. Früher war eine Produktions-Anlage eine teure Investition in eine hoch-spezialisierte Anlage zur Produktion spezifischer Artikel. Solche Anlagen banden grosse Mengen Kapital fest an einen Standort und eine Produkt-Sparte.

Teuer sind Produktions-Anlagen immer noch, doch die Flexibilisierung wird dazu führen, dass diese Anlagen nicht mehr an einen bestimmten Zweck oder eine bestimmte Firma gebunden sind. Produktion wird selbst zur gehandelten Ware, das ist die Bedeutung von “Kommodifizierung”. Firmen wie Adidas werden dann noch die Schuhe designen und die Vermarktung koordinieren, doch der gesamte Prozess von der Herstellung bis zum Kunden wird weitgehend automatisiert und kommodifiziert sein (Amazon Marketplace ist die Kommodifizierung der Logistik wie Cloud-Computing die Kommodifizierung von Rechenleistung ist).

Kommodifizierung ist deshalb so wichtig, weil sie stets grosse Effizienz-Gewinne bringt und die Automatisierung weiter voran treibt, da die Markt-Gesetze mit ihrem unerbittlichen Preis-Druck nur auf kommodifizierte, also “gehandelte” Produkte ihre volle Wirkung entfalten können.

Ein Teufelskreis, der aus immer mehr immer weniger Kunden macht

Und wie bei den Programmierern, die von Programmen profitieren und KI, die von KI profitiert, profitiert eine automatisierte und kommodifizierte Produktion und Logistik von eben dieser, da natürlich auch Produktions-Anlagen, Lager- und Transport-Robotor produziert werden können.

Es gibt also eine ganze Reihe gegenwärtiger Entwicklungen, die sich selbst und gegenseitig beschleunigen: Software Entwicklung, Cloud Computing, Big Data, KI, Automation von Produktion, Logistik und anderem, Kommodifizierung. Es gibt zwischen all diesen Entwicklungen zahlreiche positive Rückkopplungen, das heisst, wenn A schneller und billiger wird, wird B schneller und billiger, was wiederum A noch schneller und billiger macht. Es gibt da Rückkopplungen der Form A macht A schneller wie bei Software-Entwicklung und KI und es gibt zahlreiche A -> B -> A, A -> B -> C -> A und so weiter Rückkopplungen.

Deshalb sind all dies sogenannte exponentielle Entwicklungen und speziell die exponentielle Entwicklung von Produktion und Logistik könnte uns theoretisch ein ökonomisches Schlaraffenland bescheren. Denn exponentiell heisst “je mehr desto mehr und das immer schneller, je schneller desto schneller”. Doch die Produktion wird womöglich an den Marktgesetzen scheitern, da kaum jemand ihre Produkte mehr kaufen kann, wenn kaum jemand für ihre Produktion bezahlt wird. Auch das ist eine Rückkopplung – eine negative.

Liebe Mitbürger, wir sollten uns alle mal ein paar Gedanken machen und besprechen, wie wir damit umgehen würden, wenn plötzlich die Mehrheit der Jobs im Schlaraffenland flöten ginge. Nur mal so rein hypothetisch.

Schrotie