Rezension zum Buch von Olaf Arndt Demonen: Zur Mythologie der Inneren Sicherheit

Sachliteratur

Nein, mit den Dämonen, die Dostojewski über den Zusammenhang des sogenannten Guten mit dem Bösen beschrieb, hat die gerade von Olaf Arndt veröffentlichte Untersuchung zur Mythologie der Innern Sicherheit nichts zu tun.

Streifenpolizist mit Taser in West Midlands, England.
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Streifenpolizist mit Taser in West Midlands, England. Foto: Harry Mitchell (CC BY 3.0 unported - cropped)

15. Dezember 2015
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Korrektur
Oder doch? Im Mittelpunkt dieser beunruhigenden Studie stehen die Strategien der Staatsorgane nach dem 11. September 2001: Der Einsatz gezielter Elektroschocks, akustischer Täuschungen, Betäubungsgas, Klebeschaum und Hologramme. Während in den 1970er- und 1980er Jahre die Programme zur Aufstandsbekämpfung akribisch von der Linken beobachtet wurden, ist es heute dazu erstaunlich ruhig geworden. Obwohl in den Auseinandersetzungen mit der globalisierungskritischen Bewegungen in Seattle, Washington, Genua und zuletzt im schottischen Edinburgh, ein unglaubliches Arsenal staatlicher Gewalt aufgeboten wurde.

Die Palette ist keineswegs erschöpft: Was empfindet ein Mensch, der von 50000 Volt getroffen wird, die sich über einen UV-Laser ionisierten Luftraum in seinem Körper entladen, fragt sich der Autor zu Recht? Zukunftsmusik der Grenzkontrolltechnik? Nun, dies wird laut einem EU-Gutachten gerade erfolgreich im Irak erprobt.

Das elektrische Gewehr, der sogenannte Taser, war schon in den 1990er Jahren zur Marktreife gelangt, bekannt geworden durch den Einsatz bei Rodney King. Das zufällig aufgenommene Videoband ist damals durch die Nachrichtenkanäle der Welt gegangen. Die kabellose Version des Taser ist ebenfalls schon im Einsatz und wurde an viele europäische Staaten verkauft.

Da sind Hunde, die zur Bombe umgebaut im Kampf gegen den Terror zum Einsatz kommen sollen. Er kann von einem Operateur mit einer Steuereinrichtung, die den Strom durch die Elektroden in die für den Bewegungsapparat zuständigen Hirnbereich fliessen lässt, über Kilometer zielgenau geführt werden. Oder: Psychologische Kriegsführung ist gerade in den USA das neue Ding. Der Film Minority Report (2002) lässt ja allerhand Assoziationen aufkommen.

Arndt stellt John B. Alexander vor, ehemaliger US Army Intelligence and Security Command (INSCOM), für unzählige Programme, welche die menschlichen Potentiale ausforschen verantwortlich (Schlachtfeld Gehirn). Er promovierte in Thanatologie, einem Studienfach, welches die Übergänge zwischen Leben und Tod behandelt. Er beschäftigt sich mit der neurolinguistischen Programmierung (NLP), ein Verfahren, welches in der Psychotherapie zu recht sehr umstritten ist, sowie anderen höchst dubiosen Randgebieten militärischer Forschung (angeblich auch UFO-Forschung, was auch nicht wundern dürfte).

Heute, im Unruhestand, tritt er immer wieder als der Mann des Pentagon in Hollywood auf. Darunter auch bei einer Anhörung zum Thema nichttödliche Waffen im deutschen Bundestag und mehrere Male auf Tagungen des Fraunhofer Institut in Ettlingen bei Karlsruhe (2003 und im Mai 2005).

Natürlich gibt es auch schon einen deutschen «Papst» der entsprechenden Disziplinen. Pässe werden in Zukunft biometrische Merkmale enthalten, so wie Bordkarten der Lufthansa künftig mit Fingerabdrücken versehen sind. Arndt nennt Namen, Firmen, Organisationen und Denkfabriken, welche sich mit dem Themenkomplex beschäftigen, aber nicht dies allein macht das Buch so faszinierend. Die Metaphern der griechischen Mythologie, der Esoterik und des alten Testaments vermischen sich mit dem Jargon der Hippies und des militärischindustriellen Komplexes zu einem seltsamen Cocktail.

Don DeLillo-Fans werden begeistert sein. Fiktive Orte, Verschwörungstaktiken, weisses Rauschen... Die Netzhaut flimmert, dass Trommelfell flirrt! Ist dies schon ein kinetischer, akustischer oder psychologischer Angriff? Terms of Psychic Warefare ist der Titel eines Songs der US-Band HÜSKER DÜ, vielleicht hatten die ja recht?

Adi Quarti / kritisch-lesen.de

Olaf Arndt: Demonen - Zur Mythologie der Inneren Sicherheit. Edition Nautilus, 2005. 160 S., ca. 13.00 SFr, ISBN 978-3-89401-468-1

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