Max Hewer: Von der Saar zum Ebro. Saarländer als Freiwillige im Spanischen Bürgerkrieg 1936 - 1939. Vergessen gemachte WiderstandskämpferInnen

Sachliteratur

"Als die Kämpfe am 18. Juli begannen", schrieb George Orwell in 'Homage to Catalonia' "spürte wahrscheinlich jeder Antifaschist in Europa eine erregende Hoffnung, denn hier stand anscheinend endlich die Demokratie gegen den Faschismus auf". Von dieser "erregenden Hoffnung" war der überwiegende Teil der rund 35.000 Freiwilligen erfüllt, die nach Spanien gingen, um dort gegen den Faschismus zu kämpfen.

Kämpfer der revolutionär-marxistischen POUM im spanischen Bürgerkrieg, 1936.
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Kämpfer der revolutionär-marxistischen POUM im spanischen Bürgerkrieg, 1936. Foto: Unknown (PD)

17. Januar 2017
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Wenn deren Engagement auch heute noch weltweit nachwirkt, hat dies auch mit der literarischen und künstlerischen Verarbeitung zu tun. Es gibt vermutlich kein anderes historisches Ereignis, in dem SchriftstellerInnen und JournalistInnen so stark engagiert waren und bei dem die Grenzen zwischen aktiver Teilnahme und Berichterstattung verschmolzen.

Während wir über die Biographien der "Berühmten", die sich in Spanien engagierten, sehr gut informiert sind, wussten wir lange Zeit nicht viel über die "namenlosen" Freiwilligen. Erst in den letzten 20 Jahren sind in mehreren Ländern biographische Handbücher über Spanienfreiwillige erschienen; 2015 erschien das biographische Lexikon von Werner Abel und Enrico Hilbert, das Biographien von ca. 3500 deutschen Spanienfreiwilligen enthält. (1)

Mit diesem Band wurde eine wichtige Grundlage für weitere Forschungen geschaffen. Denn viele Biographien sind noch unvollständig, vor allem von denjenigen Freiwilligen, die nach 1945 in der BRD lebten oder aus ihren Exilländern nicht mehr zurückkehrten. Über die Spanienfreiwilligen in der DDR liegen zwei ausgezeichnete Dissertationen von Josie McLellan (2) und Michael Uhl (3) vor; die Quellenlage ist sehr viel besser als für die BRD. Da nicht zu erwarten ist, dass staatliche Stellen oder Stiftungen ein grosses Forschungsprojekt über Spanienfreiwillige finanzieren werden, ist dieses "Defizit" nur durch lokale oder regionale Zugänge und Forschungen über Teilgruppen von Freiwilligen zu beheben. In diesem Kontext sind die Arbeiten über die badischen und saarländischen Freiwilligen zu sehen und zu bewerten.

Max Hewer skizziert in seiner Arbeit zunächst Ursachen und Verlauf des Spanischen Bürgerkriegs sowie die Rolle der Internationalen Brigaden. In einer gruppenbiographischen Studie analysiert er Herkunft und Sozialisation der saarländischen Spanienkämpfer und deren politische Erfahrungen vor, im und nach dem Spanischen Bürgerkrieg (S. 22-52). Dann folgen die Biographien von 244 Freiwilligen aus dem Saargebiet. Darunter befinden sich aber auch 39 Freiwillige, die nach 1933 in das Saargebiet emigriert waren. Letztere zu berücksichtigen ist problematisch, denn ein kurzer Blick in das biographische Lexikon von Abel/Hilbert zeigt, dass er nur einen Teil der Saaremigranten erfasst hat und seine statistischen Auswertungen dadurch ein wenig verzerrt werden.

In Relation zur Einwohnerzahl war der Anteil der Freiwilligen aus dem Saargebiet sehr hoch. Dies zeigt der Vergleich zu Baden. 205 Freiwillige lebten vor 1935 im Saargebiet, das damals rund 800.000 EinwohnerInnen hatte. Hingegen stammten nur 118 Freiwillige aus Baden, von denen der grösste Teil 1933 auch dort lebte, bei einer EinwohnerInnenzahl von ca. 2,5 Millionen.

Dieser im Verhältnis zur EinwohnerInnenzahl sehr hohe Anteil von Freiwilligen aus dem Saargebiet hatte eine wesentliche Ursache. Nach der Volksabstimmung 1935 und der folgenden Rückgliederung des Saargebiets an das Deutsche Reich flohen 1935 ca. 8000 Menschen, die in Frankreich als Flüchtlinge eine Aufenthaltsgenehmigung erhielten. Eine weitere Besonderheit war der hohe Anteil von SozialdemokratInnen: 29 der rund 200 sozialdemokratischen Spanienfreiwilligen waren Saarländer. Dies war ein Resultat der Einheitsfront zwischen KPD und SPD im Saargebiet. Und im Unterschied zum Exilvorstand der SPD, der seinen Mitgliedern vom Engagement in Spanien abriet, engagierte sich der saarländische SPD-Vorsitzende Max Braun bei der Werbung von Freiwilligen.

Max Hewer hat mit beeindruckendem Engagement und Fleiss die Biographien der saarländischen Freiwilligen rekonstruiert. Er hat damit das Ziel seines Buches eingelöst, der "Armee der Namenlosen", wie der Historiker Klaus Michael Mallmann 1992 die saarländischen Freiwilligen charakterisiert hat, "ihre Namen und ihre Biographien zurückzugeben" (S. 50).

Die Lektüre des Buches ist aber bisweilen ermüdend. Es enthält Wiederholungen und auch sachliche Fehler, die zum einen der fehlenden redaktionellen Sorgfalt und zum anderen der unzureichenden Rezeption der Sekundärliteratur geschuldet sind.

Hewer betont an mehreren Stellen, dass es sich bei den Internationalen Brigaden um keine "Armee der Komintern" gehandelt habe. Dies ist insofern richtig, als dass es keine durchgehende Befehlskette von Moskau nach Spanien gegeben hat und nicht nur Kommunisten in den Interbrigaden kämpften. Aber die wichtigsten Positionen wurden von Kommunisten besetzt und die stalinistischen Methoden der Überwachung wurden übernommen und systematisch angewandt. Darüber erfährt man bei Hewer nur sehr wenig. Das dazu wichtigste Buch von Michael Uhl wird nicht einmal im Literaturverzeichnis erwähnt. Stattdessen verbrämt Hewer die stalinistischen Methoden der kommunistischen Leitung der Interbrigaden mit pädagogischen Vokabeln: "Zum Umgang mit Heterogenität in den Internationalen Brigaden" (S. 37). Er benutzt intensiv die 1940 von dem deutschen Kommunisten Gustav Szinda erstellten Kaderbeurteilungen aus Spanien und weist auch mehrfach auf deren begrenzten Quellenwert hin. Dennoch übernimmt er die ehrverletzende Diffamierung der kommunistischen Lagerleitung in Gurs, wenn er mehrfach schreibt, die Angehörigen der 9. Kompanie, in der sich über 100 Antistalinisten aller politischen Richtungen zusammengeschlossen hatten, hätten die Repatriierung nach Deutschland gefordert (S. 59, 72, 89).

Hewer hegt offensichtlich keine Sympathien für die spanischen AnarchosyndikalistInnen. Über die CNT erfährt man hinsichtlich der Ursachen des Bürgerkriegs nur in einem Satz, dass sie der Republik skeptisch gegenüberstanden. Über die Columna Durruti schreibt er in der Einleitung nur einen Absatz und bezieht sich dabei ausschliesslich auf das Buch von Patrik von zur Mühlen von 1983. Deshalb sind auch die Biographien der 14 Freiwilligen eine Aneinanderreihung sich oft widersprechender Fakten, die weder in die Geschichte der internationalen Gruppe der Columna Durruti noch deren Struktur eingebunden sind.

Brigitte und Gerhard Brändle bezeichnen die Spanienfreiwilligen als "vergessen gemachte WiderstandskämpferInnen" (S. 4). In der Einleitung verfolgen sie die Lebenswege der 118 badischen Spanienfreiwilligen sowie deren soziale und politische Zusammensetzung (S.4-36), die sie dann in Kurzbiographien vorstellen (S. 37-79).

Die badischen Freiwilligen kamen zum grössten Teil aus den badischen Industriestädten mit einer starken Arbeiterbewegung; 36 stammten aus Mannheim. Von den 86 Freiwilligen, die sich parteipolitisch zuordnen liessen, gehörten 76 kommunistischen und acht sozialdemokratischen Organisationen an sowie zwei der SAP. Acht Freiwillige kämpften in der Columna Durruti und drei in der Miliz der linkssozialistischen POUM. Der soziale und politische Hintergrund der Freiwilligen aus Baden war differenzierter als bei den Saarländern.

Während bei letzteren die Parteibasis dominierte, finden sich unter den badischen Freiwilligen u.a. ein Reichstagsabgeordneter der KPD, der Vorsitzende der Badener SAP, ein sozialdemokratischer Rechtsanwalt, mehrere Redakteure von Arbeiterzeitungen, eine Medizinstudentin sowie acht Menschen mit jüdischer Abstammung.

Im Unterschied zu Max Hewer haben die Brändles nur einen Bruchteil der Quellen im Bundesarchiv ausgewertet.

Umso unverständlicher ist ihre Kritik am biographischen Lexikon von Abel/Hilbert, dem sie sachliche Fehler, mangelnde Berücksichtigung der regionalen Literatur, politische Einseitigkeit und die fehlenden Quellenangaben vorwerfen. Letzteres wiederholen sie bei jeder Biographie - "Angabe Abel ohne Quellen".

Diese oberlehrerhafte Attitüde fällt aber auf sie selbst zurück. Denn erstens fussen die Biographien im Lexikon auf einer weitaus breiteren Quellen- und Literaturbasis als ihre Arbeit und zweitens ist es nicht in erster Linie für HistorikerInnen geschrieben.

Die Brändles haben ebenso wie Hewer die Wiedergutmachungsakten der Freiwilligen ausgewertet, die nach 1945 in der BRD lebten. Nur wenige Freiwillige waren nach 1945 politisch aktiv und meist in kommunistischen Organisationen. Zu den Ausnahmen gehörte u.a. der ehemalige Leiter der Badener SAP, Max Diamant, der nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1962 die Abteilung "Ausländische Arbeitnehmer" beim Vorstand der IG-Metall leitete. Ein grosser Unterschied zwischen den saarländischen und badischen Freiwilligen bestand jedoch bei denjenigen, die nach 1945 in die DDR gingen. Während 21 Freiwillige aus Baden in die DDR gingen und dort alle mittlere bis höchste Positionen in Partei und Staatsapparat einnahmen, war dies bei den Saarländern nicht der Fall. Nur 13 lebten nach 1945, von denen kein einziger eine höhere Funktion hatte. Vermutlich ist dieser Unterschied mit den unterschiedlichen Traditionen der Arbeiterbewegung in Baden und dem Saarland zu erklären. Während die Arbeiterbewegung in Mannheim eine sehr lange Tradition hatte, die bis Lassalle zurückreichte, entwickelte sie sich im Saarland erst in der Weimarer Republik zur Massenbewegung.

Dies ist nur eine von vielen Fragen, die eine vergleichende Lektüre der beiden Arbeiten aufwirft. Beide Arbeiten bilden einen wichtigen Mosaikstein für eine noch zu schreibende Arbeit über die Geschichte und die Erfahrungen der deutschen Spanienfreiwilligen. Man kann nur hoffen, dass noch viele Arbeiten folgen.

Dieter Nelles
Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 415, Januar 2016, www.graswurzel.net

Max Hewer: Von der Saar zum Ebro. Saarländer als Freiwillige im Spanischen Bürgerkrieg 1936 - 1939. Blatthaus Verlag Saarbrücken 2016. 288 Seiten, ca. SFr 31.00, ISBN 978-3-945996-08-9

Fussnoten:

(1) Werner Abel/Enrico Hilbert: "Sie werden nicht durchkommen". Deutsche an der Seite der Spanischen Republik und der sozialen Revolution unter Mitarbeit von Harald Wittstock, Friedrich Villis und Dieter Nelles, Band 1, Lich 2015.

(2) Josie McLellan: Antifascism and Memory in East Germany. Remembering the International Brigades 1945-1989, Oxford 2004

(3) Michael Uhl: Mythos Spanien. Das Erbe der Internationalen Brigaden in der DDR, Bonn: J.H.W. Dietz Nachf. 2004