Olaf Arndt: Demonen Zur Mythologie der inneren Sicherheit

Sachliteratur

Sollten die von dem Berliner Autor Olaf Arndt in seinem Buch «Demonen» niedergeschriebenen Recherchen über die derzeit entwickelten Methoden staatlicher Überwachung und Konfliktlösung bald mehr als nur die partiell realisierte Vision einiger Lobbyisten sein, dürften uns düstere Zeiten erwarten.

Ein Taser der Marke M26, hier in militärischer Ausführung.
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Ein Taser der Marke M26, hier in militärischer Ausführung. Foto: SM (PD)

11. Juli 2005
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Korrektur
Zukunftaussichten im Bereich staatlich-polizeilicher Kontrolle, gegen die sich das für gesellschaftskritische Analogien vielzitierte literarische Modell George Orwells wie ein grob konstruierter Science Fiction-Entwurf aus prätechnologischen Zeiten liest.

Arndt, Mitglied der Berliner Kunst-Performance-Gruppe BBM und Autor des 2004 im Nordwestradio zum selben Thema aufgeführten Stücks «Demonen» hat sich umgehört und hineingelesen, hat die für seine Untersuchungen bedeutsamen Statements und Papiere der EU studiert und Interviews mit Politikern, Befürwortern und Kritikern geführt, um den Hintergründen und dem Entwicklungsstand des Einsatzes sogenannter nichtödlicher Waffen ("Non-Leathal-Weapons") auf die Spur zu kommen.

Der Terminus "nichttödlich" verschleiert dabei die Tatsache, dass es sich von den unter diesem Attribut rangierenden Gewaltmitteln lediglich um weniger tödliche und keineswegs um nichttödliche Gewaltinstrumente handelt.

Allein in den USA gab es beispielsweise durch den Einsatz von Tasern (mobile Elektroschocker, die das Opfer für eine begrenzte Zeit völlig handlungsunfähig machen, aber nicht dauerhaft und sichtbar verletzen) seit deren offizieller Nutzung als Dienstwaffe über 70 Tote. Nach Olaf Arndt sind solche Waffen wie der Taser - der in mehr als 5500 Polizeiwachen und Gefängnissen in den Vereinigten Staaten bereits zum Einsatz kommt - aber ohnehin nur eine von vielen Möglichkeiten zukünftiger Kontrolle.

Diese reichen von Fangnetzen bis zu Plasmastrahlen, Nanopartikeln, ätzenden Polyurethan-Bällchen mit 50fachem Volumenaufschäumungspotential, diversen Formen von neuartigen Kampfgasen sowie einstellungsverändernden elektromagnetischen Waffen, mit denen dem Empfänger Glauben gemacht werden kann, die ihm gesendete verbale Botschaft käme von ihm selbst. Alle diese Waffen zielten darauf ab, den Virus, sprich, das "gesellschaftsgefährdende" Ideen-und Handlungsgut einer Person zu zerstören, aber den Wirt des Virus (den menschlichen Körper dieser Person) zu erhalten.

Wie sehr innere Sicherheitsstrategien doch den Zielen der virologisch forschenden Medizin ähneln können. Warum die Protagonisten dieser neuen Waffen wie das amerikanische Futurologen-Ehepaar Toffler (genauer: den Science-Fiction-Autoren, Alt-Hippies und Waffenhändlern Janet und Chris Morris) und der Vietnam-Veteran und Grenzwissenschaftler John B. Alexander sowie ein ganzer Schwarm weiterer mehr oder weniger hochkarätiger Befürworter der Non-Leathal-Weapons sich so euphorisch für die Entwicklung und Anwendung dieser Waffen einsetzen, weiss Arndt auch unverzüglich und eindeutig zu beantworten:

Es gehe vor allem darum, den ökonomisch Mächtigen "den Blick in die Brieftasche zu gestatten", genauer gesagt: um die "Sicherstellung des Marktes, zu dessen wertvollen Elementen selbst die Unzufriedenen, Kriminellen oder politisch Desorientierten zählen.", wie Arndt in einem nahezu zeitgleich für den Suhrkamp-Verlag zum selben Thema veröffentlichen Essay resümiert.

Buchcover

Bild: Buchcover

Denn: "Sie alle sind potentielle Konsumenten. Wer sie zerstört, minimiert den möglichen Umsatz".(in "Die Korrektur" aus "Gendertronics", Suhrkamp 2005) Angesichts der weiterhin beharrlich zunehmenden Zahl - grösstenteils dauerhaft - verarmter oder gerade mal auf minimalem Existenzniveau lebender Bevölkerungschichten (also nichtpotentieller Konsumenten), die aufgrund ihres "renitenten" Potentials zur primären Zielgruppe (im wahrsten Wortsinn!) dieser neuen Waffen gehören dürften, bleibt eine solche Motivationserklärung allerdings ziemlich fraglich, mindestens jedoch unzureichend, da sie sich nur auf die zahlungsfähigen Teile der Bevölkerung bezieht.

Doch an der Glaubwürdigkeit der in "Demonen" aufgeführten Fakten, mit denen Arndt den Leser auf einhundertfünfzig Buchseiten in jeweils kleinen themaspeziellen Abschnitten bekannt macht, ändert ein solcher Erklärungsversuch natürlich nichts.

an

Olaf Arndt: Demonen - Zur Mythologie der Inneren Sicherheit. Edition Nautilus, 2005. 160 S., ca. 13.00 SFr, ISBN 978-3894014681