Die wahre Geschichte des Kolonialismus Gert von Paczensky: Die Weissen kommen

Sachliteratur

14. Mai 2012

Paczensky öffnet die koloniale Schreckenskammer und veranlasst den Europäer, hineinzuschauen.

Übergabe der Westkarolinen und Palauinseln am 3. November 1899 auf der Insel Yap.
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Übergabe der Westkarolinen und Palauinseln am 3. November 1899 auf der Insel Yap. Foto: PD

14. Mai 2012
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Die thematische Darstellung basiert auf einer erdrückenden Masse dokumentarischer Details und beweiskräftige Zeugnisse einschliesslich direkter Zitate - keine schwammigen Redereien, kein effekthaschender Journalismus, kein Jammern, Moralisieren, Entschuldigen.

Die hervorragende Einleitung und eine ungewöhnliche, aber ausgezeichnete Gliederung der Kapitel bilden die Grundlage für ein Meisterwerk, das nicht eindringlicher und erschütternder sein könnte. Es beleuchtet die totgeschwiegene Kehrseite imperialer Grösse: wieviel Blut wurde vergossen, in welchem Ausmass wurden Asien, Afrika und Amerika von den Europäern ausgeplündert! Und um welchen Preis wurden Städte wie London, Brüssel, Paris und Amsterdam zu machtvollen Zentren des Reichtums, zu glanzvollen Metropolen?

Klappentext der gebundenen Ausgabe:

Die Zeit imperialer Grösse gehört der Vergangenheit an: Die einst so mächtigen Kolonialländer England, Spanien, Frankreich, Belgien, Portugal und Deutschland (das in diesem Zusammenhang nur in der Zeit Bismarks und Wilhelms II. eine Rolle spielte), haben ihre weltbeherrschende Stellung verloren und ihre überseeischen Besitzungen ganz oder bis auf unbedeutende Reste in die Unabhängigkeit entlassen müssen.

Über die jahrhundertelange Zeit des Kolonialismus, in der Männer wie der Spanier Pizarro, der Engländer Cecil Rhodes, der Franzose de Brazza oder der Deutsche Carl Peters ihren Herrschern eine Welt zu Füssen legten, wissen wir aber noch heute nicht die volle Wahrheit. Klischeehafte Überzeugungen und Vorstellungen von der Überlegenheit europäischen Menschentums ersetzen noch immer das exakte, fundierte Wissen, das diesem Kapitel der Menschheitsgeschichte angemessener wäre.

Gert v. Paczensky, der bekannte Journalist und erste Moderator der Fernsehsendung "Panorama", legt hier ein reich dokumentiertes Werk vor, das mit vielen liebgewordenen Ansichten von der Glanzzeit der Alten Welt aufräumt.

In seinem von vehementer Leidenschaft getragenen Buch weist der Autor an einer Fülle eindrucksvoller Beispiele nach, dass die mit Gewalt und List erworbenen Kolonien seit ihrer Gründung nur mit Mühe gegen den erbitterten Widerstand der unterjochten Völker zusammenzuhalten war.

Wenn man erfährt, dass Länder von der Grösse europäischer Staaten für billigen Tand den Besitzer wechselten, dass afrikanische Häuptlinge in blindem Vertrauen "Schutz"-Verträge unterschrieben, die von den Weissen entweder zerrissen oder nach Belieben ausgelegt wurden, dass die Kolonialvölker von ihren Herren sogar zum Kriegsdienst für fremde Rechnung herangezogen wurden, drängt sich die Frage auf: Wie war es möglich, dass diese auf tönernen Füssen stehenden Riesenreiche über Jahrhunderte hinweg Bestand hatten?

Gert v. Paczensky hat nach eingehenden Studien der internationalen Kolonialliteratur ein atemberaubendes Stück Geschichtsschreibung geschaffen, das der "anderen Seite", den unterworfenen Völkern der aussereuropäischen Erdteile, endlich Gerechtigkeit widerfahren lässt.

Dieses längst fällige Buch vermittelt Erkenntnisse und Einsichten, ohne die viele der politischen Kämpfe der Welt von heute unverständlich bleiben müssen.

Helmut Schnug
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Gert von Paczensky: Die Weissen kommen. Hoffmann und Campe, 1985. 560 Seiten, 7 SFr, ISBN 978-3455059007